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Berlin Daily 19.03.2024
Performance

19 Uhr: mit dem Klangkünstler und Performer Antti Tolvi aus Turku, Finnland im Rahmen der Ausstellung "Sound, light, silence" Galerie Pleiku | Eugen-Schönhaar-Str. 6a | 10407 B

Stillleben mit Penis

von Ferial Nadja Karrasch (12.04.2019)
vorher Abb. Stillleben mit Penis

Jonathan Monk, Bedroom Cock Box, 2019 Ed. 1/2
Oil paint, oak, plywood, metal fixtures, stainless steel, silk, plastic, wood, glue and live penis, 19 x 34 x 37 cm
Courtesy the artist and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe, Photo © Oliver Roura


Jonathan Monk eröffnet mit seiner Ausstellung „That´s About The Size Of It“ die neuen Räume der Galerie Meyer Riegger.

Meine 165 cm Körpergröße plus 4 cm Plateauabsatz genügen nicht, um entspannt einen Blick auf das Arrangement werfen zu können, das in dem kleinen Schaukasten angeordnet ist. Ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, um das Werk „Bedroom Cock Box“ richtig sehen zu können: Ein Stillleben künstlicher Dinge – eine Orange, ein bauchiger Flakon, ein Aschenbecher, in dem eine angerauchte Zigarette liegt, eine Box mit Kosmetiktüchern und eine Blumenvase samt Rosenbouquet. Durch eine Öffnung an der oberen Seite des Kastens ragt ein männliches Geschlechtsorgan in die Anordnung der stilisierten Objekte hinein. Der dazugehörige Mensch liegt unsichtbar für die Betrachterin oberhalb des Schaukastens in der großen Box, die er durch eine kleine Türe an der Rückseite betreten hat. Er gelangt hierhin also gewissermaßen durch ein Hintertürchen; und eben dieses hält sich der britische Künstler Jonathan Monk (*1969 in Leicester) auch in Bezug auf den Titel der Ausstellung offen: Das englische Idiom „That´s about the size of it“ bedeutet im Deutschen so viel wie „Ja, so sieht es aus“ und lässt sich hier, sofern man es denn möchte, auch auf den jeweiligen Penis beziehen, der gerade Teil des Arrangements ist. Diese Deutung der Redensart wird von der zweiten Installation gleichen Titels bekräftigt: Zwei täuschend echt aussehende Finger – Nachbildungen des Monk´schen Zeigefingers – ragen aus der Wand hinter der Box und scheinen die Größe der präsentierten Penisse ironisch zu kommentieren. Dabei steht es außer Frage, dass die so angedeuteten Kaliber die in der menschlichen Natur vorkommenden Möglichkeiten bei Weitem übertreffen.


Jonathan Monk, That´s About The Size of It, 2019
cast plastic resin and acrylic paint, 2,5 x 2,5 x 8 cm
Courtesy the artist and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe, Photo © OIiver Roura


Innerhalb der Assemblage wirkt sich die Größe der unterschiedlichen Penisse (während der Eröffnung fand mehrmals ein Wechsel statt) tatsächlich ein stückweit transformierend auf die Komposition des Werkes aus. Je nach Beschaffenheit von Hoden und Glied, korrespondieren die körperlichen Rundungen mal mehr, mal weniger mit jenen der ihn flankierenden Gegenstände. Und je nach Grad der Behaarung und nach Art der Vorhaut-Beschaffenheit ist der Kontrast zu den glatten Oberflächen größer oder geringer.
Nun ist die Tatsache, dass hier ein männliches Geschlechtsorgan Teil eines Stilllebens ist, schon für sich gesehen irgendwie lustig – doch für die Pointe des Ganzen ist es hilfreich, jene Arbeit zu kennen, auf die Jonathan Monk sich hier bezieht: nämlich auf die Assemblage „Bedroom Tit Box“ (1968–70) des Pop Art-Vertreters Tom Wesselmann (1931–2004).

Während die beiden Versionen hinsichtlich der Gegenstände und ihrer Anordnung übereinstimmen, war es bei Wesselmann kein Penis, sondern eine Brust, die von oben herabhing. Nachdem der US-amerikanische Künstler in den frühen 1960er Jahren in seiner „Great American Nude“-Serie den weiblichen Körper in seiner Gänze dargestellt hatte, ging er gegen Ende des Jahrzehnts dazu über, den Frauenkörper fragmentiert abzubilden. Die shaped canvases dieser Phase zeigen Brüste, Nippel und lüstern geöffnete Münder. Aus offensichtlichen Gründen brachte ihm diese Praxis den Vorwurf der Kommerzialisierung des weiblichen Körpers ein.

Diesem ganzen Komplex aus künstlerischer Position und kritischer Rezeption setzt Monk mit seiner Adaption der Arbeit seinen Kommentar obenauf. Durch die vorgenommene Veränderung wird ein neuer Deutungsrahmen geschaffen, der nicht nur die Kategorie der „Phallic Art“ öffnet, sondern auch dazu anregt, eigene Sehgewohnheiten zu hinterfragen.
Gleichzeitig wird in dieser Arbeit deutlich, dass es Monk mit seiner Strategie der Appropriation, Adaption und Umdeutung nicht in erster Linie um Parodie geht, sondern darum, verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, die schon im Originalwerk angelegt sind, jedoch nicht verfolgt wurden. Er schreibt den von ihm aufgegriffenen Werken eigene Interpretationen ein und dehnt die ursprünglichen Aussagen in neue Richtungen aus.

Von Fall zu Fall mag der Lacher für jene auf der Strecke bleiben, die das appropriierte Werk nicht kennen. Bei That´s About The Size Of It ist dem nicht so. Was den Witz betrifft, so funktioniert der Penis hier auch ohne die Brust.

Jonathan Monk. That´s About The Size Of It
bis 13. April 2019

Meyer Riegger, Berlin
Schaperstrasse 14
D - 10719 Berlin
t +49 30 315 665 80
f +49 30 315 665 81
www.meyer-riegger.de

Ferial Nadja Karrasch

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Titel zum Thema Meyer Riegger, Berlin:

Stillleben mit Penis
Letzte Gelegenheit für die Ausstellung „That´s About The Size Of It“ von Jonathan Monk in der Galerie Meyer Riegger. Endet am 13.4.2019.

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