19 Uhr: Archivpräsentation. Werner Heegewaldt (Direktor des Archivs der AdK). Lesung mit Erdmut Wizisla (Literaturwissenschaftler) und Mathias Bertram (Kurator). Galerie Pankow | Breite Str. 8 | 13187 Berlin
Es hat einen irritierenden Reiz, dieses Foto einer schlanken Frau vor Gletscherlandschaft. Der eisigen Kulisse zum Trotz trägt sie ein dünnes Kleid mit bieder anmutenden Stickereien – „das Nachthemd meiner Großmutter“, erklärt Nina Röder. Auf ihrem Selbstportrait, das zwischen Modeshooting und surrealer Inszenierung changiert, blickt sie in die Kamera. Ihr Gesicht ist allerdings fast vollständig von langem Haar bedeckt. Am befremdlichsten ist aber der glitzernde Schwall, der aus dem Mund der Künstlerin zu strömen scheint. Eis oder Wasser? Beides scheint möglich und beides wäre skurril.
Mit ihren poetischen Bildern der Serie „Um að hverfa – Über das Verschwinden“, die in den letzten Jahren in Island entstanden sind, spielt Nina Röder auf die Erderwärmung an und das Abschmelzen des, wie es einmal hieß, ewigen Eises. So gerät das Eis, das im Mund der Künstlerin den Aggregatszustand gewechselt hat, zu einem verstörenden Symbol für eine vom Untergang bedrohte Welt. Während das Nachthemd für Kontinuität, Tradition und Familienbindung steht, ist die Natur im immensen Wandel begriffen. Die Welt der Großmutter ist nicht mehr dieselbe, wie diejenige, in der die Fotografie-Professorin Röder (BTK Hamburg) heute lebt. Es ist eine unwiederbringlich verschwindende Welt.
Röders Arbeiten sind Teil der Gruppenausstellung „EGO vs. ECO – eine Gegenüberstellung“, die derzeit in der Berliner Galerie EIGENHEIM zu sehen ist. Im Rahmen des Projektes „Schaufenster Bauhaus100“ präsentieren dort Studierende, Lehrende und Alumni aus allen vier Fakultäten der Bauhaus-Universität Weimar ihre Arbeiten. Die Schau ist die zweite von insgesamt vier Ausstellungen, die das künstlerische und wissenschaftliche Schaffen am Bauhaus Weimar darstellen, dem Gründungsort der Institution.
„In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ Einst wie heute sei das die zentrale Frage der Bauhäusler gewesen, betont Konstantin Bayer, künstlerischer Leiter von EIGENHEIM. Heute seien es vor allem Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben, die nicht nur die Künstler beunruhigen. „Wenn es um globale ökologische und soziale Zusammenhänge geht, steht jeder einzelne in der Verantwortung“, so Bayer.
Wie so oft sind es die Künstler, die Entwicklungen seismographisch vorwegnehmen. Bereits 1993 startete an der Bauhaus-Universität Weimar das Projekt „KünstlerGärten Weimar“. Als Arbeitsmaterial dient dabei den Studierenden der Freien Kunst, Architektur sowie des Bauingenieurwesens u.a. die Vegetation. Ein Novum in den 1990iger-Jahren, erklärt die Projektleiterin Barbara Nemitz: „Dem Ego des Künstlers steht etwas Lebendes gegenüber“, so die Professorin für Freie Kunst. Im Gegensatz zur Arbeit mit ´toter Materie` zeige die Arbeit mit lebenden Pflanzen Abhängigkeiten. Mit Pflanzen zu arbeiten, gleiche einer Regiearbeit, einem interaktivem Kommunikationsprozess, in dem sich die Rollen vom Produzenten und Rezipienten hin zum Teilnehmer verschöben.
Das Projekt lehrt Demut und Respekt vor der Natur. Heute, zwanzig Jahre, nachdem die KünstlerGärten Weimar“ ins Leben gerufen wurden, ist die Bedrohung unserer Erde virulent. Viele haben inzwischen den Gong vernommen: Soeben hat Konstanz als erste Stadt einen Klima-Notstand ausgerufen. Der Bundestag hat sich mit dem Bienensterben auseinandergesetzt. Immer mehr Menschen nehmen die Verletzlichkeit und Verletztheit der Lebensgrundlagen wahr. Aus ihrem Unbehagen erwächst der Wunsch, etwas zu unternehmen. „Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten“ konstatierte Mies van der Rohe vor hundert Jahren. Einst wie heute sind die Ideen und Innovationen der Bauhäusler gefragt. Ideen für ein Leben im Einklang mit der Natur. Ideen gegen das Verschwinden.
Ausstellungsdauer: 4. Mai bis 22. Juni 2019
EIGENHEIM Berlin, Kantstraße 28, 10623 Berlin-Charlottenburg
www.galerie-eigenheim.de
schaufensterbauhaus100.com
Titel zum Thema Galerie Eigenheim:
Ego oder Öko? Gegen das Verschwinden in der Galerie EIGENHEIM
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