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im normalfall passiert längere zeit scheinbar nichts. Peter Piller bei Capitain Petzel

von Ferial Nadja Karrasch (02.08.2019)
vorher Abb. im normalfall passiert längere zeit scheinbar nichts. Peter Piller bei Capitain Petzel

Peter Piller, HOE 01, 2019, Pigment print, 60 x 43,4 cm / 23.6 x 17.1 inches © Peter Piller/
VG Bildkunst, Bonn, Courtesy Capitain Petzel, Berlin.


Man könnte diese Ausstellung als ein räumliches, audio-visuelles Essay verstehen, als eine ins Bild-gesetzte und in den Raum gebrachte Veranschaulichung der Prinzipien, die der Arbeitsweise des Konzeptkünstlers Peter Piller (*1968, lebt in Hamburg) zugrunde liegen. Allen voran die titelgebende Geduld. Ihr ist die gleichnamige Arbeit im Untergeschoss gewidmet, mit welcher der Künstler sich auf neues Medien-Terrain begibt: Während Piller für gewöhnlich mit gefundenen Bildern unterschiedlichster Herkunft sowie mit eigenen Zeichnungen und Fotografien arbeitet, kreierte er hier erstmals eine Soundinstallation. Aus mehreren Kantaten Johann Sebastian Bachs isolierte er das gesungene Wort „Geduld“ und setzte die einzelnen, kurzen Aufnahmen zu einer Klang-Collage zusammen. Aus den unterschiedlichen Ecken des dunklen Raumes kommt der Besucherin in verschiedenen Stimmlagen die Losung der Piller’schen Arbeitsweise entgegen – ein knappes Gee-duld in Sopran, ein Ge-he-du-huld in Tenor, ein tiefes, scheinbar im Boden verschwindendes Geduuld und dazwischen nichts, Pause, Aktivierung der … Besucherinnen-Geduld. Diese wird hier zwar nicht übermäßig strapaziert, aber trotzdem verweist die Arbeit auf etwas Grundsätzliches, das in der Rezeption zeitbasierter Medien eine Rolle spielt: die Bereitschaft der Betrachterin, ein wenig bei einem Werk zu verweilen, dass sich nicht sofort erfassen lässt.

Diesem Verweilen der Besucherin bei einer Arbeit steht auf Künstler-Seite, also Peter Piller-Seite, und in Bezug auf das Arbeitsmaterial das Ab-Warten gegenüber. In seinem Text nach auflösung örtlicher frühnebel (2017) schreibt er: „im umgang mit fotofunden jeder art habe ich mir, so gut es geht, geduld antrainiert. dem ersten blick ist unbedingt zu misstrauen. es genügt, ein vages gefühl in der art von ‘da könnte was sein’ zu haben. (…) dabei gehört das aufheben von allem längst zu meinen prinzipien. in der arbeit mit archiven hat es manchmal jahre gedauert, bis mir die möglichkeiten einzelner bilder, die sich einer schnellen lesbarkeit widersetzen, bewusst geworden ist [sic].“


Peter Piller, O.T., 2019, Black color pencil on paper, 29,7 x 42 cm / 11.7 x 16.5 inches © Peter
Piller/ VG Bildkunst, Bonn, Courtesy Capitain Petzel, Berlin.


Damit wären wir bei zwei weiteren Grundsätzen der Piller´schen Arbeitsweise angekommen, dem Archivieren von (gefundenen) Bildern und dem Einordnen dieser Fundstücke in neue Zusammenhänge. Beidem widmet sich der im Erd- und Obergeschoss der Galerie installierte Teil der Ausstellung. Zu sehen sind hier schwarz-weiß Drucke, die nicht sofort preisgeben, was sie darstellen. Sie erinnern an Bilder ferner Planeten, an Makrofotografien undefinierbarer Oberflächen oder an topografische Luftaufnahmen einer vergangenen Zeit. Tatsächlich handelt es sich um abfotografierte und vergrößerte Darstellungen der frühsteinzeitlichen Zeichnungen wie sie beispielsweise in den Höhlen von Lascaux und Rouffignac zu finden sind. Auf den Abbildungen setzen sich die wild gesetzten Striche und Linien der Malereien von den natürlichen Oberflächenstrukturen der Steine ab. Ursprünglich zum Zweck der Kommunikation entstanden, verweigern sich diese Zeichen heute der eindeutigen Lesbarkeit. Man könnte die Höhlen als eine Art sich selbst überlassenem Archiv verstehen, dessen Piller sich bedient und dessen Inhalte er in einen subjektiven Zusammenhang setzt: Er fügt den rätselhaften Botschaften eigene Ortszeichnungen hinzu, die in der Umgebung der von ihm besuchten Höhlen entstanden. Während die Aufnahmen der Höhlenmalereien so in einen subjektiven Bedeutungszusammenhang gebracht wurden, bleibt dieser für die Rezipienten wiederum verborgen, die Zeichnungen widersetzen sich einer definitiven Deutung, selbst die Frage, ob hier ein tatsächlich bestehender Ort oder ein Gedankenraum kartografiert wurde, lässt sich nicht beantworten. Doch gerade dieses Uneindeutige, dieses Eintauchen in ein fremdes, geheimnisvolles Bezugssystem aus Bildern und Zeichnungen ist reizvoll. Und selbst wenn die Arbeiten vollkommen stumm bleiben sollten, mag man sich eventuell auf die unten besungene Geduld besinnen, mit deren Hilfe das Gesehene vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt Bedeutung erlangt.


Peter Piller, HOE 03, 2019, Pigment print, 40 x 40 cm / 15.7 x 15.7 inches © Peter Piller/
VG Bildkunst, Bonn, Courtesy Capitain Petzel, Berlin.


Unterbrochen oder ergänzt wird das Schwarz-weiß der Drucke und Kartografien mit paarweise angeordneten, identischen Bildern einer leuchtend roten, glänzenden, in sich gekehrten (soweit man dies über ein Weichtier sagen kann) Nacktschnecke, die jeweils weit oberhalb der durchschnittlichen Augenhöhe angebracht sind. Was haben sie hier zu suchen? Verweisen sie auf eine Besonderheit der von Piller besuchten Orte? Oder sind sie aufgrund ihrer Langsamkeit ein Sinnbild für die Geduld? Vielleicht ja, vielleicht nein. Man könnte es hiermit versuchen: „wie jedes wort umschwirrt von tausenden assoziierten wörtern ist, so verhält es sich auch mit den bildern, nur noch viel stärker. Also unbedingt wiederkehren, und möglichst immer als ein anderer.“

PETER PILLER
Geduld
June 21 – August 3, 2019

Capitain Petzel
Karl-Marx-Allee 45
10178 Berlin
Opening hours:
Tuesday – Saturday
11 am – 6 pm

www.capitainpetzel.de

Ferial Nadja Karrasch

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