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Berlin Daily 10.12.2024
Künstler*innengespräch

19 Uhr: mit Professorin für Medienkunst an der HGB Leipzig, Christin Lahr und den Künstler*innen der Ausstellung "Crimes of Carelessness (the deep and the foamy)" (engl.). VILLA HEIKE | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin

Wer schön sein will, muss leiden: Andreea Cioran & Ileana Pascalau in der RKI-Galerie

von Urszula Usakowska-Wolff (14.11.2019)
vorher Abb. Wer schön sein will, muss leiden: Andreea Cioran & Ileana Pascalau in der RKI-Galerie

Raumansicht, Blick auf: Andreea-Cioran, my monster, Foto: Odeta Catana.

In der Doppelausstellung I looked my best tonight zeigen die in Berlin lebenden rumänischen Künstlerinnen Andreea Cioran und Ileana Pascalau, welche Blüten der Körperkult treibt.

Etwas grimmig blickt die Frau in Blau und Grau auf der Zeichnung, die direkt gegenüber dem Eingang in die Galerie hängt. Ihren Kopf und Hals ziert eine Skalp ähnliche Maske, aus der große Augen, Nasenspitze, volle Lippen und ein Pferdeschwanz hervorlugen. Sie trägt eine eng geschnürte Korsage, Leggings, geschlossene Slipper und hockt neben einer Nähmaschine, mit der sie sich an einer Steppjacke zu schaffen macht. Die bizarre Näherin namens Hedonia wirkt jung, dynamisch und herausfordernd, obwohl sie in einer unbequemen Körperhaltung verharrt. Doch beim Betrachten ihrer vom Alter gezeichneten Hände und Füße gerät das junge Erscheinungsbild ins Wanken.


Raumansicht, Blick auf: Ileana Pascalau, Blissful burden, Foto: Odeta Catana.

Hedonia, das Werk von Ileana Pascalau, ist exemplarisch für das Thema der Doppelausstellung I looked my best tonight im Rumänischen Kulturinstitut Berlin, an der sie gemeinsam mit Andreea Cioran teilnimmt. Beide Wahlberlinerinnen, 1985 in Rumänien geboren, setzen sich in ihren multimedialen Arbeiten mit den Rollenklischees, der Selbstoptimierung und Modellierung des weiblichen Körpers, dem Schönheitswahn und Schönheitsfetischismus, dem Hedonismus und digitalen Exhibitionismus kritisch auseinander. Häufig dienen ihnen der eigene Körper und das Gesicht als Vorlage für ihre Kunst, die sich zwischen Faszination und Abneigung, Opulenz und Minimalismus, Lust und Abjektion, Inszenierung und Demaskierung bewegt.

Was ist echt, und was ist künstlich? Ist das Artifizielle leibhaftiger als das Natürliche? Was bedeutet es, attraktiv zu sein in einer Welt, in der alle gleich anziehend aussehen wollen? Wie passt Individualität mit der von Medien, Mode und Kosmetikindustrie aufgezwungenen und willig angenommenen Uniformität zusammen? Offensichtlich ganz gut, obwohl viele Gesichter vor lauter Lifting oder krampfhaftem Selfie-Lächeln zu Masken erstarren und die einer ständigen Transformation ausgesetzten Körper wie Kunstfiguren wirken. Das ist das Resultat eines exzessiven, glücksversprechenden Schönheitsideals und des Kampfes um Attraktivität und Anerkennung. Die eigene Identität wird geopfert, um den gesellschaftlichen Normen und Werten zu entsprechen: Körperkult als Ersatzreligion.


Ileana Pascalau, Kickback, Foto: Odeta Catana.

Bürde und Würmer

Abgesehen von Hedonia sind die anderen, in der Ausstellung präsentierten Arbeiten von Ileana Pascalau Darstellungen des defragmentierten weiblichen Körpers. Sie sind gleichermaßen subtil und drastisch, glamourös, morbid und märchenhaft: Da hängt ein rotes Lichtobjekt, eine Art Fruchtblase unter dem Titel And gently lift me up, woraus, was man erst bei genauer Betrachtung merkt, ein Torso mit kleinen Brüsten herausragt und worin am rechten und linken Ende zwei Nadelhalter mit Brillengriff stecken. Blissful burden ist eine seltsam verrenkte Frauenbüste, die wie eine kostbare Reliquie auf einer Schrein ähnlichen Lightbox ruht, umgeben von Dekorationsperlen in Form eines Skeletts. Das Gesicht der Glückseligen Bürde wirkt ekstatisch, als ob sie beim kleinen Tod das Zeitliche gesegnet hätte. Ganz profan mutet dagegen Kickback an, ein Ready made aus Jagdgürtel und roten Lippenstiften statt Patronen: Fetisch und Phallussymbol in einem Stück. Pascalaus Werk ist auch ein Paar honigfarbener transparenter Pantoletten, die Pretty consume / d heißen, in einer Vitrine liegen und ein bisschen an Aschenputtels (duplizierten) Glasschuh erinnern. Es fällt auf, dass sich in ihren Laufsohlen Würmer befinden, was tierliebende Kunstfans womöglich wurmen kann.


Andreea Cioran, Recomposing, 2018, © Andreea Cioran

Selfies and Bodies

Eine Reise aus der Realität in die Virtualität und zurück sind Andreea Ciorans Arbeiten: My Monster besteht aus einem großformatigen Quader aus Acrylglas, in dessen Inneren, das einer Shopping Mall ähnelt, Augen, Lippen und kleine Würfel schweben. Dank der VR-Installation iTrapped wird man, wie in einem PC-Spiel, in die freundliche Monstermeile entführt. Traditionell, obwohl auch von den Errungenschaften moderner Technik inspiriert, ist der übereck hängende Druck recomposing. Er zeigt drei stark verpixelte Selfies der Künstlerin, die sich mal mit blauen, mal mit roten, mal mit blonden Haaren geknipst hat. Ihre Gesichter lösen sich teilweise auf und bilden einen farbigen horizontalen Strichcode. Die Vorgehensweise und Quellen, aus denen Andreea Cioran ihr Kunstwissen schöpft, beschreibt sie in der Broschüre Architektur der Weiblichkeit. Sie ist ein Teil der Installation # body goals (Körperziele), in der die Künstlerin nahelegt, dass unter dem Einfluss der Sozialen Medien der weibliche Körper zu einer Konstruktion aus den gerade angesagten Bodytrends mutiert. Dazu gehören „Bikini Bridge“ (der Bund soll an den Hüftknochen anliegen und den Bauch nicht berühren), „Thigh Gap“ (die Oberschenkellücke soll sichtbar sein) und „Beauty Bones“ (Münzen auf dem Schlüsselbein als Beweis für Schlankheit). Gut, dass sich Kunst mit solchen Erscheinungen beschäftigt, sonst würden Frauen, die zu ihren Figuren stehen und keine aufgesetzte Identität brauchen, sie gar nicht bemerken.

Andreea Cioran & Ileana Pascalau
I looked my best tonigt
Kuratorin: Daniela Duca

bis 20. Dezember 2019
Galerie des Rumänischen Kulturinstituts
Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin
Di-Fr: 14.00 -18.00 Uhr / und nach Vereinbarung
www.icr.ro

Urszula Usakowska-Wolff

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Titel zum Thema Rumänisches Kulturinstitut:

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