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Alexander Iskins Inszenierung des Interrealismus - eine mehrmonatige Performance bei Sexauer

von Ferial Nadja Karrasch (01.04.2020)
vorher Abb. Alexander Iskins Inszenierung des Interrealismus - eine mehrmonatige Performance bei Sexauer

Ausschnitt Performance Alexander Iskin, Courtesy Galerie Sexauer

Ein Gemälde auf einem Bildschirm zu betrachten, ist in Hinblick auf das „Erlebnis“ in etwa so erfolgversprechend wie sich von jemand anderes den Geschmack eines Gerichts beschreiben zu lassen. Man bekommt allenfalls eine Ahnung, das Tatsächliche entgeht einem jedoch.
Über Alexander Iskins (*1990 in Moskau, lebt in Berlin) neueste Gemälde, deren Entstehung man in den letzten Wochen auf der Seite arturbating.com verfolgen konnte, sei also an dieser Stelle nur folgendes gesagt: Sie haben unterschiedliche Formate, bestehen aus sich überlagernden, ineinander übergehenden farbigen Formen und Flächen, zwischen denen man hier und da figürliche Elemente zu erkennen meint und zeichnen sich – soweit sich das vom Bildschirm aus beurteilen lässt – durch eine Art chaotische Ausgewogenheit aus.

Aber eigentlich geht es hier, bei arturbating.com, gar nicht um die Bilder, zumindest nicht um ihre letztendliche Gestalt. Im Zentrum steht vielmehr ihre Entstehung, ihr schrittweises Werden, dem der und die Interessierte von Zuhause aus zuschauen konnte. Das passt in die Zeit des Covid 19-bedingten, globalen #StayHome. Begonnen hat die Performance jedoch schon am 7. Februar und damit vor dem weitgehenden Pausieren des öffentlichen Lebens. Für mehrere Wochen, bis zum 22. März, lebte der Künstler in der Ausstellungshalle der Galerie SEXAUER, um hier seine erste Museumsausstellung vorzubereiten. Anlässlich seines 30. Geburtstags widmet ihm das Mönchehaus Museum Goslar eine Einzelausstellung, die voraussichtlich im Mai eröffnen wird.


Ausschnitt Performance Alexander Iskin, Courtesy Galerie Sexauer

Für die Dauer der Performance zeigten täglich von 11 bis 22 Uhr tonlose, aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommene Sequenzen Ausschnitte aus Iskins Ausstellungsvorbereitungsalltag: Der Künstler beim Essen, beim Kaffeetrinken, beim Lesen auf dem Bett, beim Lesen auf dem Thonet-Sessel, beim Telefonieren, beim Internet-Surfen, beim durch den Raum laufen, und natürlich: beim Malen, beim Leinwänderücken, beim stillen Zwiegespräch mit seinem Werk.
Das ist zunächst, sprichwörtlich auf den ersten Blick, spannend, denn vor einem Quantum Voyeurismus ist wohl niemand gefeit. Auf den zweiten Blick ist es dann aber auch irgendwie langweilig, denn oft passiert einfach gar nichts, ist nicht einmal der Künstler im Bild, sondern nur das ungemachte Bett oder der vollgepackte Schreibtisch.

Aber: Die Langeweile beim Zusehen macht die ganze Aktion nicht weniger interessant. Denn gerade durch das Ausbleiben von Unterhaltendem wird Iskins Interrealismus anschaulich. Die von ihm ins Leben gerufene Kunstrichtung geht von einem Nebenher zweier Wirklichkeiten aus, in der die physische Realität von einer zweiten, virtuellen Realität überlagert wird. In seiner Kunst konzentriert Iskin sich auf den Raum zwischen diesen beiden Realitäten, sie entsteht durch das Absorbieren digitaler und realer Eindrücke und lässt diese zu einem „Gesamtbrei“ verschmelzen. Im Ergebnis erinnert dieser mal an den Kubismus, mal an den Expressionismus und hat gelegentlich etwas Baconeskes: eigentümliche, ineinander verwobene Formationen, farbgewaltige Abstraktion, gespickt mit figurativen Andeutungen.


Alexander Iskin, Photo: Johanna Laleh von Holst

In seiner Performance inszeniert Iskin diese Überlagerung von realer und digitaler Realität und dies sogar noch deutlicher durch die eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten. Während es zu Beginn möglich war, dem Künstler Essen vorbeizubringen, beschränkt sich der Kontakt seit dem Gebot des Social Distancing hauptsächlich auf die Funktion der Chat-Box, die gewissermaßen als Link zwischen den beiden Realitäten auftritt. Der zuhause, in seiner eigenen Realität sitzende und auf eine virtuelle Realität blickende Zuschauer konnte sich so täglich zwischen 17 und 19 Uhr in Iskins Realität einschreiben. Auf etwaige Fragen antwortete Iskin wiederum aus seiner Realität heraus, über den Weg des Digitalen in eine fremde Realität hinaus:
ohne Namen: What will you miss more, bananas or watermelon?
@ohne Namen: Watermelon. Definitely.

Sexauer
Streustraße 90, 13086 Berlin
Tel.: +49 (0)30 93028725
www.sexauer.eu
www.arturbating.com

Ferial Nadja Karrasch

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Titel zum Thema Galerie Sexauer:

Alexander Iskins Inszenierung des Interrealismus - eine mehrmonatige Performance bei Sexauer
Besprechung: Ein Gemälde auf einem Bildschirm zu betrachten, ist in Hinblick auf das „Erlebnis“ in etwa so erfolgversprechend wie sich von jemand anderes den Geschmack eines Gerichts beschreiben zu lassen.

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