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Malen nach Zahlen – wenn Kreativität zum Algorithmus wird

von Maximilian Wahlich (19.01.2021)
vorher Abb. Malen nach Zahlen – wenn Kreativität zum Algorithmus wird

Mat Collishaw, Britischer Künstler, Copyright: ZDF/Matthew Marschner, Lona Media

Samstagabend lief auf 3sat die Dokumentation Reload für die Kunstwelt, die bis zum 15.03.2021 in der Mediathek abrufbar ist. Sie handelt von Robotik, KI (Künstliche Intelligenz, auch AI, Artificial Intelligence, genannt). Die Sendung versucht über eine Vielzahl künstlerischer Positionen eine immer gleiche Fragestellung zu ergründen, nämlich: Welche Autor*innenschaft beanspruchen Kunstwerke mit KI? Welches zeitgenössische Verständnis haben wir vom Geniekult?
Eine ähnliche Fragestellung wird schon seit mindestens 100 Jahren in der Kunst diskutiert: Bereits die prominenten Readymades oder Kunstströmungen der 60er Jahre wie die Popart trugen zum Verschwimmen der Autor*innenschaft bei. Doch die KI motiviert erneut und immer wieder zum Hinterfragen der genialen Autorenschaft.

Unbelichtet bleibt jedoch, dass die Union Künstler*in / Genie aus einer ganz anderen Richtung her bedroht wird: Früher waren es Künstler*innen, die das Lebendige einfangen konnten. Sie malten angeblich zum Anfassen getreue Weintrauben, doch der Finger stupste an die trockene Leinwand.
Heute ist es die Hightech-Elite, die einem Stück Draht, Metall und Silikon Menschenleben einzuhauchen vermag.

Von dieser Verschiebung zeigt die 3sat-Dokumentation wenig. Sie beschwichtigt uns, das kulturbeflissene Publikum: Genie und kreativer Prozess stehen außer Gefahr! Technik habe keine ethische Haltung, Technik könne nicht selbstständig wahrnehmen und Technik ist auf das Füttern von Informationen angewiesen. KI kann allenfalls eine Technikangabe sein, aber keine Schöpfung für sich beanspruchen. Am Ende ist doch noch immer der/die Künstler*in eindeutige/r Autor*in des Werkes.
Bekannte Gegenpositionen werden übergangen. Erinnert sei an die Ausstellung Rage Against the Machine? I am here to learn im Frankfurter Kunstverein im Jahre 2018. Entgegen der Dokumentation überraschte diese Ausstellung mit einer ganzen Palette künstlerischer Arbeiten, die über den Input hinaus neue Formen fanden und eine denkwürdige Eigendynamik entwickelten - beispielsweise wurde durch einen in die KI eingespeisten Chatverlauf ein Stakkato von homophoben, rassistischen, antisemitischen Statements generiert.


Patrick Tresset, arbeitet mit Zeichenrobotern, Copyright: ZDF/Ingo Brunner, Lona Media

Die Dokumentation allerdings unterschätzt die KI als Spielerei, als gadget der Kunstwelt, bestenfalls wird sie als Mittel zum Zweck anerkannt: So nutzt das bekannte Kollektiv Forensic Architecture KI zur Verarbeitung einer Unmenge von Daten, die sie selbst kaum fassen könnten. Mit Hilfe der technischen Auswertung stellen sie neben dem NSU-Mord an Halit Yozgat auch die Explosion des Hafens in Beirut nach. Ganz ähnlich nutzt auch Mat Collishaw die KI, um anhand vieler Informationen das Antlitz von Queen Elisabeth I (1533 – 1603) zu rekonstruieren. Ausgehend von historischen Quellen versucht er, bekannte Porträts der Königin zu berichtigen. Die Frage stellt sich, warum die Rekonstruktion einer historischen Person zur Kunst erklärt werden sollte, wo es sich um ein Rechercheprojekt handelt, sei es im Namen der Geschichtswissenschaft oder für Madame Tussauds?
Die Sendung forscht mit der unverändert gleichen Frage weiter: Das stockende Hologramm von Marina Abramović, das sie bis zum Stromausfall unsterblich werden lässt oder Patrick Tresset zeichnende Roboter, die Ersatz seiner ausfallenden Kreativität sein sollen, rütteln nur wenig am Geniekult und der Autor*innenschaft.

Zwischengeschaltet sind der Technik-Experte Mark Bishop oder der Künstler Markus Lüpertz, die glaubhaft zu versichern suchen, dass Robotik und KI wohl kaum eine Gefahr darstellen können: Entweder argumentieren sie mit der schlichten Unmöglichkeit einer kreativ selbständigen KI oder mit der simplen Gegenfrage, warum einen Roboter benutzen, wenn ein Mensch das Gleiche kann?
Dabei unterschätzen sie beide unseren unermüdlichen Drang Menschliches zu erschaffen.
So schuf beispielsweise der Galerist Aidan Meller eine neue „Künstlerin“ für seine Galerie: Ai-Da, eine Roboter-Frau, die unterschiedlichste Bilder malt und zeichnet. Ihr stets devotes Lächeln, ihre süßlich schielenden Augen, das leere Starren in den Raum, ihre verträumte Aura, ihre leblos-geisterhafte Interaktion eröffnen die dringliche Frage danach, was wir eigentlich mit Robotern machen dürfen. Überspitzt formuliert: Darf eine solche Frau konstruiert werden, eine offensichtlich sexualisierte Marionette, die keinerlei Bewusstsein dafür hat? Ist das Objekt als täuschend echtes Lebewesen noch ein Objekt?


Ai-Da, die Roboter-Künstlerin malt, was sie mit ihren Kameraaugen scannt, Copyright: ZDF/Matthew Marschner, Lona Media,


In der Dokumentation äußern sich Künstler*innen, Kunstvermittler*innen und Kulturschaffende wie Lynn Hershman, Markus Lüpertz, Marina Abramović, Mat Collishaw, Obvious, Forensic Architecture, Patrick Tresset, Rimini Protokoll, Cornelia Oßwald-Hoffmann, Mark Bishop, Aidan Meller und die Roboterdame Ai-Da.

3sat Kulturdoku: "Reload für die Kunstwelt"
Wie Robotik und KI die Kreativität verändern
Dokumentation
Sa 16. Jan, 19.20 Uhr

Erstausstrahlung
pressetreff.3sat.de

Maximilian Wahlich

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Titel zum Thema Robotik:

Malen nach Zahlen – wenn Kreativität zum Algorithmus wird
Filmbesprechung: Samstagabend lief auf 3sat die Dokumentation Reload für die Kunstwelt, die bis zum 15.03.2021 in der Mediathek abrufbar ist. Sie handelt von Robotik und KI in der Kunst.

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