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Berlin Daily 26.04.2024
Lesung mit Jan Kollwitz

19 Uhr: An­läss­lich des To­des­ta­ges von Käthe Kollwitz liest ihr Urenkel aus den Brie­fen und Ta­ge­bü­chern seiner Ur­groß­mut­ter. Käthe-Kollwitz-Museum | Spandauer Damm 10 | 14059 Berlin

Körper sind überall. Blick in eine Ausstellung der Kleinen Humboldt Galerie.

von Maximilian Wahlich (19.03.2021)
vorher Abb. Körper sind überall. Blick in eine Ausstellung der Kleinen Humboldt Galerie.

Carolina Caycedo, Más allá del control (Beyond Control), 2013–2019, Performance for the exhibition Pasado Tiempo Futuro. Arte en Colombia en el siglo XXI, Museo de Arte Moderno de Medellín (MAMM), 2019. Courtesy of the artist; Photo: Ruben Diaz

Die Kleine Humboldt Galerie (KHG) organisiert und konzipiert als studentische Initiative an der Berliner Humboldt-Universität Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst. Meist sind sie in den universitären Gebäuden angesiedelt, wie dem Lichthof Ost des Hauptgebäudes der HU. Oder es werden, wie im aktuellen Fall, Orte bespielt, die der Öffentlichkeit sonst verschlossen bleiben. So findet die sehr empfehlenswerte Ausstellung zwischen körpern in der ehemaligen Tierarzneischule statt. Heute ist hier das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik untergebracht. Einst wurden an diesem Ort veterinärmedizinische Experimente durchgeführt – genauer gesagt, die Ausstellung befindet sich im benachbarten Gerlachbau, wo die toten Tierkörper vorbereitet wurden.
Dieses lokale Narrativ wird mit der zentralen Arbeit Extended Operations XWB (2014) von Yngve Holens weitergeschrieben. Wie im Labor thront auf einer Hebebühne aus Aluminium ein wuchtiger Block. Er scheint fleischlich durchzogen mit roten Adern und gräulich angelaufen wie alte Kadaver. Die Plastik wirkt befremdlich roh. Erst bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass das tote Fleisch aus „leblosem“ Marmor besteht. Die verblüffende Ähnlichkeit zwischen der toten Materie Stein und dem organischen Material Fleisch erzeugte Holens mit Hilfe eines 3D-Scanners. Mit der Transformation eines Körpers wird die syntaktische Verknüpfung von Biologie und Körper sowie technischer und künstlicher Rekonstruktion hinterfragt.


Yngve Holen, Extended Operations XWB, 2014, Marble, honeycomb panel, carpet, emergency floor path system, stage element, 76 x 210 x 70 cm. Courtesy the artist and Galerie Neu, Berlin; Photo: Stefan Korte

Fernab von medizinisch steriler Körperlichkeit bewegen sich die bunten Piktogramme auf Zuzana Svatiks Vasen aus der Serie Bitches Running the Show (2020). Auf der rosa-beigefarbenen Oberfläche streuen sich die poppigen Darstellungen wie Tattoos. Auch sonst lässt sich die Vase anthropomorph lesen. So ähnelt ihre Öffnung einer Mundhöhle und die bauchige Rundung verleitet zum Streicheln.
Die Motive referieren auf sexuelle Darstellungen, wirken aber kindlich und fröhlich. So ist der nackte, leicht verformte Körper einer weiblichen Person zu sehen. Sie trägt schwarze Stiefel und hält ungeschickt nach hinten verrenkt zwei Fahnen. Neben ihr befindet sich ein rotes Auto. Svatik thematisiert über mehrere Ebenen Mechanismen objektivierender Gewalt. Der Körper dieser „Frau“ wird zur Folge (patriarchaler,) konsumgeleiteter und kapitalistischer Verhältnisse. Unsere Körper erscheinen nun (de)formiert von verschiedenen Diskursen und Kodexes.

Auch Carolina Caycedos Performance Más allá del control [Beyond Control] (2019), als Videoarbeit in der Ausstellung zu sehen, befasst sich mit Machtapparaten, die Bewegungen und Körper konstruieren. Eine Masse von Menschen scharrt mit den Füßen, sie murmeln. Ihre Präsenz wird hörbar, plötzlich folgt Stille. Dramaturgisch raffiniert zitiert Más allá del control [Beyond Control] Gesten der Manipulation, wie sie uns auch aus Polizei und Militär bekannt sind. Dabei wird das Publikum direkt eingebunden, so dass es sich selbst am Ende in einer Ecke dicht gedrängt wiederfindet.


Zuzana Svatik, Bitches Running the Show, 2020, Glazed clay, 39 cm. Courtesy of the artist; Photo: Zuzana Svatik

Die aktuelle Pandemie veranlasste das Kollektiv zur Produktion eines umfassenden Kataloges. Er erscheint im K. Verlag und ist gegen eine Spende erhältlich. Der Katalog ist eine lesenswerte Lektüre zur Ausstellung und vermittelt im Fall eines erneuten lock-downs einen guten Eindruck.
So wird selbst das Buch als körperliches Volumen in das ganzheitliche Konzept eingebunden. Die Texte verweisen auf die räumliche Umgebung der Werke. Damit will es „über das dokumentarische Format“ herkömmlicher Kataloge „hinausgehen“. Abgesehen von den Ortsbeschreibungen in den Texten verharrt der Katalog jedoch in der handelsüblichen Gestalt aus Essays, Interview und Abbildungsteil mit Kurztexten.
Von herkömmlichen Katalogen unterscheidet sich lediglich eine Art Statement der Kurator*innen. In acht Standpunkten umreißen die Autor*innen den (menschliche) Körper in seiner Form und Formalität – als Umhüllung, Membran, beschriebene Oberfläche, als Verbindung zum Außen und Anschluss möglicher Prothesen, als Ort politischer Austragungen, als gesellschaftliches Konstrukt und in seiner Diversität und Widersprüchlichkeit. Ihre Formulierungen lesen sich geschliffen, wortgewandt. Es scheint hier, als seien sich die beteiligten Personen zu jedem Punkt vollkommen einig gewesen.
Ein Einblick in interne Dissonanzen hätte das Konzept ergänzt um die Unstimmigkeiten und Differenzen. Damit wäre der Katalog einem „richtigen“ Körper wohl näher gekommen und nicht bloß ein fehlerfreies Modell davon.

Künstler*innen:
Kirstin Burckhardt, Marco Buetikofer, Carolina Caycedo, Stine Deja, Lotte Meret Effinger, Ester Fleckner, Yngve Holen, Luisa Krautien, Michael Liani, Theresa Schubert und Zuzana Svatik

zwischen körpern
19. März bis 30. April 2021

Über www.kleinehumboldtgalerie.de kann ein Katalogexemplar bestellt werden (solange der Vorrat reicht). Ebenfalls wird eine digitale Version der Ausstellung zur Verfügung gestellt. Aktuelle Informationen werden über unsere Social Media Kanäle bekanntgegeben.

Kontakt
Kleine Humboldt Galerie, Unter den Linden 6, 10117 Berlin
E-Mail: info@kleinehumboldtgalerie.de

Maximilian Wahlich

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Titel zum Thema Kleine Humboldt Galerie:

Kleine Humboldt Galerie: Für die Beförderung musste ich töten, also nicht wirklich ;)
Ausstellungsbesprechung: Die Kleine Humboldt Galerie wird von einem offenen Kollektiv aus etwa 25 Studierenden betrieben. Titel der diesjährigen Ausstellungsreihe ist „I AM ELEVATING IN ALL WAYS“ (dt. Ich erhöhe mich in jeder Hinsicht).

Körper sind überall. Blick in eine Ausstellung der Kleinen Humboldt Galerie.
Ausstellungsbesprechung: Die sehr empfehlenswerte Ausstellung „zwischen körpern“ ist in der ehemaligen Tierarzneischule zu sehen, heute befindet sich hier das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik.

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