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Eine Beletage für Picasso – wann kommt er ins Mezzanin?

von Maximilian Wahlich (29.08.2021)
vorher Abb. Eine Beletage für Picasso – wann kommt er ins Mezzanin?

Pablo Picasso, Les Femmes d’Alger (Version O), 14.2.1955 Öl auf Leinwand, 114 × 146,4 cm, Privatsammlung © Bridgeman Images/Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Dem Museum Berggruen ist gelungen, acht der insgesamt 15 heißbegehrten Les Femmes d’Alger von Pablo Picasso unter einem Dach zu versammeln. Der Künstler schuf die Reihe zwischen 1954 und 1955. Anlass waren zwei Werke von Eugène Delacroix mit gleichem Titel, die in ihrer Figurenanordnung, der klandestinen Harem-Darstellung und dem Mythos um die Frauen dieser so aufgeladenen Orte das Interesse Picassos weckten. Er fertigte Zeichnungen und Studien dazu an, die Körperhaltung und Farbgebung der vier abgebildeten Frauen genau nachvollziehen. Anfänglich zaghaft, verselbständigte sich Picassos Auseinandersetzung zunehmend. Am Ende dieser Geschichte stehen wir nun hier, in der ersten Ausstellung, die sich allein dieser Bildreihe widmet.


Eugène Delacroix, Femmes d’Alger dans leur Intérieur, 1849 Öl auf Leinwand, 85 x 112 cm © Musée Fabre de Montpellier Méditerranée Métropole / Frédéric Jaulmes

Die Ausstellung erzählt die Historie der Werke in strenger Chronologie. Klassisch wird im Erdgeschoss mit der Vorgeschichte begonnen. Dort sind die beiden Ausgangsmotive von Delacroix zu sehen. Im Folgenden befasst sich die Ausstellung mit der Frage, warum sich Picasso ausgerechnet im Jahr 1954 mit den beiden Bildern beschäftigt hat. In diesem Jahr trat zum einen Jacqueline Roque in sein Leben, die zu seiner zweiten Ehefrau wurde. Ebenso ist das Jahr von den Befreiungskämpfen in Algerien geprägt, und nicht zuletzt starb in diesem Jahr Henri Matisse, ein Freund, Vorbild und Konkurrent zugleich. Picassos Reihe ist im ersten Geschoss, der Beletage des Hauses, zu sehen. Werke, die das Team des Museum Berggruen nicht ausleihen konnte, sind als kleine Drucke in den Wandtext eingebunden. So lässt sich die künstlerische Entwicklung schrittweise nachverfolgen. Picasso hat die Reihe scheinbar abrupt beendet, ein finales Werk gibt es nicht.


Ausstellungsansicht "Picasso & Les Femmes d'Alger", Museum Berggruen, 2021 (c) Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker / Succession Picasso / VG Bild-Kunst Bonn, 2021

Im obersten Geschoss findet die Auseinandersetzung mit der Rezeption statt: Vollständig gezeigt wurde die Reihe erst- und letztmalig 1955 im Musée des Artes Décoratifs/Paris. Danach ging sie an ein amerikanisches Sammler*innenpaar, das nach ein paar Jahren einzelne Werke versteigern ließ. Seitdem sind die Bilder über den ganzen Globus verteilt. Dies und vertragliche Auflagen machen es faktisch unmöglich, alle 15 Werke an einem Ort zu versammeln. Der logistische und diplomatische Kraftakt einer solche Ausstellung steht außer Frage. Ebenso spannt die Ausstellung einen gut nachvollziehbaren Bogen vom Ausgangswerk über erste Vorstudien. Sie sie stellt grundlegende Fragen über den Entstehungskontext und zeichnet die Entwicklungsstufen der 15 Werke nach, verfolgt aber auch einzelne Stränge der Rezeption. Trotz all den interessanten Informationen fehlt der Bezug zur Gegenwart. Kokett gefragt, was will uns diese Ausstellung zu Picasso eigentlich heute sagen? Dass Picasso im Alleingang die komplette Beletage füllt, markiert zwar seine Bedeutung, doch unklar bleibt, was daran so bedeutend ist. Mit einer solchen Ausstellungskonzeption wird einmal mehr das Bild des allumfassenden Genies Picasso manifest gemacht. Die originalen Werke feuern das Fest der Sinne an, doch steht diesem Rausch der absurde Aufwand an Kosten, Personal und Ressourcen gegenüber. Eine Rezeption, die am Original klebt, trägt allenfalls zur weiteren Preissteigerung ohnehin unbezahlbarer Werke bei.


Halida Boughriet, Mémoire dans l’oubli #4 (Erinnerung im Vergessen #4), 2010/11 Lambdadruck, 120 × 180 cm © Halida Boughriet, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Wollen wir an einer Picasso Rezeption festhalten, die immer ähnliche Erkenntnisse hervorbringt und Picasso ins Zentrum rückt? Lobenswert ist, dass Gegenwartspositionen in der Ausstellung durchaus vorkommen, allerdings nur vier an der Zahl und zudem im letzten Séparée des obersten Geschosses. Besser ist es im Katalog gemacht, da sind sie in den Fließtexten und dem Abbildungsteil eingebunden. Unter den aktuellen Werken befindet sich eine fantastische Fotografie von Halida Boughriet, die sich nicht direkt auf Picasso bezieht und trotzdem lassen sich Verbindungen von der Darstellung von Weiblichkeit bis zu den Kämpfen in Algerien erkennen. Benachbart dazu eine Arbeit von Jose Dávila, der die letzte Version der Femmes d’Alger in ein reliefartiges Werk verwandelt und Picassos kubistische Technik erweitert. Dem gegenüber hängt eine großes Bild von Djamel Tatah, der seinen Arbeiten normalerweise keine Titel gibt. Dieses eine Gemälde trägt jedoch den selben Titel wie die Reihe Picassos. Im letzten Raum eine Videoarbeit von Zoulikha Bouabdellah aus dem Jahr 2016. Zu sehen sind ausgelassene Männer am Strand, der Horizont erstreckt sich vor ihnen. Die Parabel ist klar: Hat sich noch immer nichts an den Verhältnissen verändert, dass die Männer Freiheit vor Augen haben und den Femmes d’Alger lediglich das Innere, Private und Intime bleibt? Die Antwort scheint bei dieser Hängung auf der Hand zu liegen: Ja, die verheerenden Zustände sind noch da, ändern können wir aber nichts daran.

Die Gegenwartskünstler*innen aus dem obersten Stock in die Beletage zu holen und den direkten Dialog mit Picasso zu suchen wäre sicherlich spannend geworden. Sie hätten Picassos Reihe um Aspekte der Gegenwart ergänzt und damit auch die Tragweite seines Werkes deutlich gemacht. So wie sie hier gezeigt werden, scheinen sie jedoch nur abhängig von Picassos Werk, als eine beiläufige Folgeerscheinung.

Picasso & Les Femmes d’Alger
21.05.2021 bis 29.08.2021
Museum Berggruen
Schloßstraße 1
14059 Berlin
Di - Fr 10:00 – 18:00
Sa + So 11:00 – 18:00
Katalog erscheint bei Hirmer und kostet 39,90 €

www.smb.museum

Maximilian Wahlich

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Titel zum Thema Museum Berggruen:

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