Im Rahmen dieses Tages bieten viele Berliner Moscheen Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Folklore, Informationsmaterialien und Begegnungsmöglichkeiten an.
Eines stellt Valentina Grande, Co-Autorin der Graphic Novel Frauen, die die Kunst revolutioniert haben, gleich zu Beginn ihres Vorwortes klar: Das Buch verfolgt nicht das Anliegen, die Geschichte der feministischen Kunstbewegung zu erzählen. Der Grund, weshalb ein solches Unterfangen eine schiere Unmöglichkeit darstellt, ist das kleine Wort „die“ vor „Geschichte“: Ein bestimmter Artikel, wo eigentlich ein unbestimmter stehen müsste. Denn, so verdeutlicht Grande richtiger- und wichtigerweise, es gibt nicht den einen Feminismus, sondern viele Lesarten und Auslegungen. Folglich möchte das Buch auch keinen Überblick, sondern einen Einblick in wichtige Themen verschiedener Feminismen geben.
Den Anspruch auf Vollständigkeit also von sich weisend, konzentriert sich Frauen, die die Kunst revolutioniert haben auf drei Künstlerinnen und eine Künstlerinnengruppe:
Judy Chicago steht als Pionierin der feministischen Bewegung stellvertretend für das Anliegen, die Frau aus dem über Jahrhunderte oktroyierten und erlernten Status des fremdbestimmten, unmündigen Objekts herauszuführen. Das Ver-Lernen althergebrachter Verhaltensmuster, die Stärkung des weiblichen Selbstbewusstseins geht für Chicago mit der Wiederaneignung der Worte und dem Brechen gesellschaftlicher Tabus einher.
Im zweiten Kapitel repräsentiert Faith Ringgold als afroamerikanische Künstlerin den Protest, der sich gegen den Feminismus der 1970er Jahre als Bewegung weißer Mittelschichtsfrauen richtete. Anhand ihrer Geschichte werden die Hindernisse, die vielschichtigen Unsichtbarkeiten, thematisiert, mit denen sich nicht-weiße Künstlerinnen konfrontiert sahen.
Bisher war das Konzept der Identität Bestandteil der Darlegung und als Fundament der künstlerischen Praxis enthalten. Das dritte Kapitel widmet sich hingegen einer Künstlerin, die sich explizit mit Identität und Herkunft beschäftigte und im Kontext der feministischen Identitätspolitik der 1990er Jahre gesehen werden kann: Anhand des Beispiels der Exilkubanerin Ana Mendieta wird das Ausloten unterschiedlicher „Ichs“ und die Bedeutung des Handelns beim Herausbilden einer Geschlechtsidentität thematisiert.
Und zuletzt steht die Künstlerinnengruppe Guerilla Girls für den intersektionalen Feminismus und für „alle Frauen, vergessene historische Figuren, aber auch Zeitgenossinnen, die noch immer dafür kämpfen, dass Kultur ein Gut aller ist und alle repräsentieren sollte“ (Grande).
Auf jeweils nicht allzu vielen Seiten werden die Protagonistinnen sowie der gesellschaftliche, politische und historische Kontext ihrer Arbeiten und Aktionen dargestellt bzw. angerissen.
Dabei bemühen sich die Autorinnen darum, diese vier Perspektiven 1985 in New York City zusammenlaufen zu lassen – eine etwas künstlich daherkommende Konstruktion. Denn nur in zwei Fällen scheint dieses Jahr wichtig zu sein: Die Guerilla Girls gründeten sich 1985 in New York und Ana Mendieta starb in diesem Jahr nach einem Sturz aus dem 34. Stock ihrer New Yorker Wohnung.
Lobenswert: Das Buch geht auf die ungeklärten Umstände ihres Todes, auf die Ermittlungen gegen ihren Ehemann, den Bildhauer Carl Andre, wegen Mordes sowie auf die hieraus resultierenden Proteste und Boykottaufrufe, die seither Andres Ausstellungen begleiten, ein. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht jedoch eindeutig Mendietas einzigartiges Werk.
Neben den vier Positionen werden viele weitere wichtige Namen genannt: Yoko Ono, Marina Abramović, Carolee Schneemann, Miriam Schapiro, Betye Saar, Lucy R. Lippard, Nancy Spero, Howardena Pindell, James Baldwin, Adrian Piper, Lynn Hershman-Leeson, Eleanor Antin, Cindy Sherman ... Es wird deutlich: Die Autorinnen beschränken sich hauptsächlich auf US-amerikanische AkteurInnen – eine Tatsache, die trotz der vorab angekündigten Unvollständigkeit ein wenig enttäuschend ist. Dieser reduzierende Blick hätte sich leicht hier und da erweitern lassen.
Die Kapitel geben – wie eingangs erwähnt – lediglich einen Einblick in die einzelnen Künstlerinnenbiografien und den damit verbundenen Feminismen. Dabei ist es gut, wenn man entweder bereits einen Überblick hat oder bereit ist, sich weiter einzulesen. Hilfreich, um sich ausführlicher mit den Themen zu beschäftigen, sind die sehr kurz gehaltenen Biografien im hinteren Teil des Buchs sowie die knappe Bibliografie und der Hinweis auf den wichtigen Dokumentarfilm Women Art Revolution.
Die Gestaltung der einzelnen Seiten wechselt zwischen seitenfüllenden Bildern und zumeist drei Panels pro Seite, mal umrandet, mal ohne Einfassung. Wird die jeweilige Szene aus einiger Distanz betrachtet, wirken leicht skizzenhaft, während Darstellungen aus nächster Nähe ausgefeilter daherkommen. Der farbliche Ton der Graphic Novel wird von einer eher gedeckten, wenn auch vielfältigen Farbpalette bestimmt, passt sich jedoch den Geschichten an und changiert so von Kapitel zu Kapitel. Hervorzuheben sind jene Seiten, die Ana Mendieta Arbeiten thematisieren: Hier gelingt es Eva Rossetti schlüssig, in der bildlichen Gestaltung das Werk der Künstlerin anklingen zu lassen.
Ob als leichte, unterhaltsame Auffrischung bestehenden Wissens oder als legerer Einstieg in ein noch zu erschließendes Terrain der Kunstgeschichte: Frauen, die die Kunst revolutioniert haben ist ein kurzweiliges, liebevoll gestaltetes Buch, das auf jeden Fall der Lektüre wert ist.
Frauen, die die Kunst revolutioniert haben
Feministische Kunst – Eine Graphic Novel
Valentina Grande und Eva Rossetti
136 Seiten | 250 farbige Illustrationen 170 x 240 mm Hardcover
18,00 €
Laurence King Verlag GmbH
ISBN 978-3-96244-214-9
Titel zum Thema Feministische Kunst:
Frauen, die die Kunst revolutioniert haben.
Buchvorstellung: Feministische Kunst. Eine Graphic Novel von Valentina Grande (Text) und Eva Rossetti (Illustration).
Art Laboratory Berlin
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Alfred Ehrhardt Stiftung