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Hallo, hier ist Gundula!

von Daniela Kloock (23.01.2022)
vorher Abb. Hallo, hier ist Gundula!

Gundula Schulze Eldowy, New York 1993, Polaroid © Gundula Schulze Eldowy

Gundula Schulze Eldowy zeigt unter dem Titel "MANGOBLÜTE & WINDROSE" Polaroids und Videostills in der kommunalen Galerie Pankow.

Erlebt man die 1954 in Erfurt geborene Künstlerin, glaubt man sofort, dass sie mit diesen Worten Türen zu Milieus öffnete, die für Selbstoptimierungskandidaten heutiger Tage unvorstellbar sind. Alte, Kranke, Behinderte, Dicke, Trinker, Einsame und Verlorene, das waren diejenigen, für die sich Gundula Schulze Eldowy in den späten Siebziger- und Achtzigerjahren interessierte. Ihre Fotografien zeigen Menschen, die es so offiziell in der DDR nicht gab, die normalerweise keines Blickes und erst recht keines Bildes würdig waren. Es entstehen die schwarz-weiß Zyklen „Berlin in einer Hundenacht“, „Aktportraits“, oder „der Wind füllt sich mit Wasser“. Starke Fotografien, die sich längst ins kollektive Bildergedächtnis eingeschrieben haben - Zeugnisse einer für immer untergegangenen Welt.

Zur Zeit ihrer Entstehung waren solche Bilder für die Staatsführung bzw. Parteifunktionäre kompromittierend, die Künstlerin stand unter Beobachtung. Heute wirken sie für manche Betrachter vielleicht provozierend in ihrer Direktheit. Auch eine große Ruhe scheint in den Bildern zu liegen. Das Leben in der DDR war einfach, materiell entbehrungsreich, aber zugleich poetisch, wie die Künstlerin einmal in einem Interview sagt: „Denn wo mehr Improvisation ist, ist auch mehr Poesie.“ Und wo Geld und Stress im Vordergrund stehen, kann es keine Ruhe und keinen Raum für Fantasie geben. Gundula Schulze Eldowy fängt an Gedichte zu schreiben, angeregt auch durch die Begegnung mit Robert Frank, der ihr Talent erkennt und sie nach New York einlädt, wo sie von 1990 bis 1993 lebt. Eine Auswahl an Bildern, die in der Megacity als Teil größerer Serien entstanden sind, wird in der Ausstellung präsentiert, beispielsweise Portraits, die die Künstlerin mit Cindy Sherman oder Ann Mandelbaum zeigen. Aber auch Straßenszenen, wie das für das puritanische Amerika total überraschende Polaroid einer barbusigen Frau mitten auf der Fifth Avenue.


Gundula Schulze Eldowy, New York 1993, Still © Gundula Schulze Eldowy

In New York treten anstelle von Dokumentationen zunehmend verfremdende Bilder, Fotografien, die mit Doppel- und Dreifachbelichtungen arbeiten, mit Überblendungen und Spiegelungen. Manche Polaroids werden malerisch bearbeitet. Beeindruckt von den Fresken, die Gundula Schulze Eldowy in Pompeji sah, entstehen krakeleeartige Bilder, die auf andere „Seinsdimensionen“ weisen. Als Beispiel hierfür steht eine Aufnahme, die die Fotografin zusammen mit Aleks Weber unterhalb des F-Trains in New York zeigt. Das Bild wirkt wie ein beschädigtes Fundstück aus einem Überschwemmungsgebiet - seltsam irreal, irgendwie etwas unheimlich.

Manhattan wird für die Künstlerin zum Spiegelkabinett einer auf Oberflächlichkeiten beruhenden Kultur. Das Sichtbare ist nur noch Oberfläche, welche auf Phänomene verweist, die viel tiefer liegen. Es beginnt das, was Gundula Schulze Eldowy an anderer Stelle den Abstieg in die Unterwelt nennt. Der Künstler Donald Judd ermutigt sie zu einer Reise nach Ägypten. Sieben Jahre wird sie in dem Land bleiben und großartige Entdeckungen machen. So findet sie u. a. einen unbekannten Schacht in die Königskammer der Cheopspyramide. Darauf folgt die nur selten erteilte Erlaubnis, Mumien der Pharaonen und Königinnen zu fotografieren.

Mumien- und Totenbilder bleiben ihre Passion. Höhlen, Gräber und Tempel sind jetzt die Orte, die Gundula Schulze Eldowy anziehen. Sie will in Kontakt mit dem Unbewussten kommen und Informationen vergangener Kulturen und Zeiten reanimieren. Die Ausstellung zeigt zahlreiche Polaroids zu diesem Themenfeld. Herausragend sind die Mumien-Bilder aus Pompeji, Peru und Assuan - eher nichts für Zartbesaitete. Es gibt aber auch leicht Konsumerables. Männer auf dem Kamelmarkt, Familien in den Souks von Kairo, lachende Kinder, Alltagsszenen und zahlreiche Schattenbilder in warmen, braun-orange Tönen. Es ist nicht nur das faszinierende Licht der Wüste, sondern auch der Wunsch Verborgenes aufzudecken, weshalb Gundula Schulze Eldowy sich in Ägypten den Namen Eldowy zulegt - el dowy bedeutet arabisch das Licht oder der Lichtschein.

Insgesamt 230 Polaroids und kleinformatige Videostills werden in der Ausstellung gezeigt. Die Bilder sind nicht nur Notizzettel, die Momente ihrer Reisen markieren, sondern auch ein Nachdenken über Realität, Wahrnehmung und die Welt. Japan, Italien, die Türkei, und immer wieder Ägypten und Peru, insgesamt sind es über 40 Länder, die sie kennengelernt hat. In Istanbul und Byzanz fotografiert sie Heiligenbilder und verfremdet diese mit Goldflocken. In Peru entdeckt sie die Pyramiden der Moche-Kultur, die erstaunliche Parallelen zu Ägypten aufweisen. Bisher nicht aufgeklärte Verbindungen und Ähnlichkeiten zwischen Kulturen faszinieren die Künstlerin. Sie fotografiert und filmt Mischwesen, Gottheiten, die Reptilien sind, Drachen und Saurier in der Türkei, Japan, Peru oder Ägypten.


Gundula Schulze Eldowy, Mosesberg, Sinai 1995, Polaroid © Gundula Schulze Eldowy


Wie Schamanen Träume als Teile der Realität begreifen, will Gundula Schulze Eldowy mit ihren Fotografien Wahrnehmungsstufen aktivieren, die Betrachter in eine andere Welt tragen. So faszinierend wie ihr ganzes Werk und Wirken ist aber auch ihr Lebensweg: Von einer Diane Arbus der DDR hin zu einer kosmologischen Bilderzauberin.

Kyllikki Zacharias (Leiterin der Sammlung Scharf-Gerstenberg) im Gespräch mit Gundula Schulze Eldowy: Video

Gundula Schulze Eldowy
"MANGOBLÜTE & WINDROSE" | Polaroids, Stills und Filme

noch bis 23. Januar 2022
Di.-Fr.: 12-20h | Sa., So.: 14-20h

Galerie Pankow
Breite Straße 8
13187 Berlin
Tel. 47 53 79 25
galerie-pankow.de

Daniela Kloock

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Titel zum Thema Galerie Pankow:

Hallo, hier ist Gundula!
Letzte Gelegenheit"MANGOBLÜTE & WINDROSE" mit Polaroids und Videostills von Gundula Schulze Eldowy in der kommunalen Galerie Pankow zu sehen. Hier unsere Ausstellungsbesprechung:

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