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Rauchende Engel und brennende Prinzessinnen. Margaret Murphy in der Villa Heike

von Katja Hock (19.10.2023)
vorher Abb. Rauchende Engel und brennende Prinzessinnen. Margaret Murphy in der Villa Heike

Margaret Murphy, Vaping Angel from the series I Could Look at You All Day, 2021

Wir befinden uns zwischen Filterflimmern und Realitycheck, zwischen Oberflächlichkeit und Authentizität und beurteilen danach immer wieder andere. Besonders beliebtes Ziel der Begutachtung: der weibliche Körper. Durchtrainierte Körper und Selbstoptimierung stehen der Bodypositivitybewegung gegenüber, die sich für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale einsetzt. Die social media Plattformen fördern den Drang zur Selbstinszenierung enorm.

Die Fotografin Margaret Murphy (*1990 in Los Angeles) greift in ihrer Einzelausstellung I could look at you all day in der Villa Heike das Vielschichtige der Weiblichkeit in all seiner Komplexität und Schönheit auf. Ausgangspunkt Murphys Arbeit ist das Essay über Frauen in Ways of Seeing von John Berger. Der Autor und Kunstkritiker schreibt, dass jeder Frau "von Kindheit an beigebracht wurde, sich ständig selbst zu begutachten. (...) Sowohl ´die Beobachterin` als auch ´die Beobachtete` zu sein, sei für ihre Identität als Frau notwendig, denn was normalerweise als ihr Erfolg im Leben angesehen werde, hänge davon ab, welche Wirkung sie auf Männer habe." Die Beobachtung des eigenen Körpers präsentiert die Künstlerin in 18 Arbeiten unter gleichnamigen Titel der Ausstellung. Die Bilder, in den Pandemiejahren 2020/21 entstanden, hängen wie Poster eines Teeniezimmers auf unterschiedlicher Höhe an der Wand. Ihre Selbstportraits zeigen die Künstlerin erstaunlich wandelbar. Sie bewegt sich zwischen intimen, verletzlichen Momenten und medialen Inszenierungen; ein Mirrorselfie oder ein Filter, der ihr Sommersprossen und kleine Erdbeeren auf die Wangen zaubert. Die Kamera immer ganz nah bei ihr.


Margaret Murphy, from the series Fat Feminine, 2023

Margaret Murphy bedient sich zudem kunsthistorischer Zitate. Mit dem Titel Henry Moore Sculpture bezieht sie sich auf die abstrahierten Körperfiguren des gleichnamigen Bildhauers. Die liegende Frau, Magret Murphy selbst, positioniert sich in die Mitte eines Bettes. Ihr nackter Körper windet und dreht sich, ein Bein an die Hüfte herangezogen, das andere aufgestellt. Mit ihrem Arm verdeckt sie ihr Gesicht. Die Pose und ihre Rundungen erinnern an eine hügelige Landschaft. Die Auflösung des Bildes ist so scharf, dass ihre Adern unter der Haut bläulich durchschimmern. Und selbst einzelne Härchen sind deutlich sichtbar. Weiches Licht lässt die Figur wie feinsten Marmor, zart und malerisch, erscheinen. In unmittelbarer Nähe Vaping Angel (2020), das Murphy lässig rauchend vor einer schwarzen Ledercouch auf dem Boden zeigt. In Feinrippunterhemd und heller Unterhose zieht sie ihre Beine heran und stützt ihren Arm auf das Knie, um den Kopf zu halten. Während sie den Rauch aus ihrem Mund bläst, blickt sie in Gedanken vertieft zur Seite. Ein Moment des in sich gekehrt Seins - wären da nicht ihre Engelsflügel, die irritieren. Eine Darstellung, die an Raffaels "Engel der Sixtina" aus seinem Gemälde der Sixtinischen Madonna erinnert.

Marmormuse oder raffaelischer Engel, das Zusammenführen von Humor und kunsthistorischen Zitaten greift Murphy in ihrer Serie Fat Feminie erneut auf. Selbstbetrachtung und Inszenierung des Intimen stehen den von KI generierten Bildern entgegen. Die 13 Arbeiten der amerikanischen Künstlerin sind bunt und laut, reihen sich treppenartig an der Wand des Ausstellungsraums auf. Ein Kontrast, der die Unterschiedlichkeiten der beiden Serien verdeutlicht. Fat Feminie zeigt einzelne Frauen in filmsetartiger Umgebung, in unterschiedlichsten Kostümen und Outfits. Beispielsweise bei Burn Baby Burn wird die Protagonistin lachenden, mit Krone auf dem Kopf und wallenden blumenverzierten Kleid von lodernden Flammen umgeben. Eine Prinzessin in Nöten? Wohl eher nicht! Die Irritation spitzt sich zu, wenn man ihre Hand und Augenlider begutachtet. Die Lider verzerrt, die ausgestreckte Hand hat keine Finger und bleibt eine verschwommene Andeutung. Murphy öffnet den Blick auf den weiblichen Körper in Verbindung mit dem Dicksein. Zur Erstellung der Bilder verwendete die Künstlerin unteranderem immer wieder die Schlagworte „Botticelli“, „Girl of your dreams“ und „Los Angeles“, was in Zusammenspiel mit dem Begriff „fat“ eine überraschende Kombination ergab. Die Serie lebt von schillernden Farben, vom Glanz und hoher Ästhetisierung. Jedes einzelne Bild lädt ein, es ganz genau zu erforschen und seine Störfelder zu entdecken, und davon gibt es einige…


Margaret Murphy, from the series Fat Feminine, 2023


I could look at you all day ist kritisch, ernst und humorvoll zugleich. Der Titel impliziert Faszination, voller Selbstliebe, zum eigenen, ungefilterten Körper. Sie öffnet das starre Schönheitsideal des Weiblichen für eine Neubewertung und gibt dem Dicksein eine laute Stimme. Hier prallen Gegensätze aufeinander, die zu einem Konsens zwischen Oberflächlichen und Tiefgründigen, zwischen Expressiven und Introvertierten, zwischen der Fremd- und der Selbstwahrnehmung verschmelzen.

Margaret Murphy. I could look at you all day
10.September - 21. Oktober 2023

Freitag - Sonntag, 14-18 Uhr (und nach Vereinbarung)
Eintritt frei

Villa Heike
Freienwalder Str. 17
13055 Berlin
www.villaheike.org

Katja Hock

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