19 Uhr: mit Anna Kokalanova: Inauguration Ceremony: School of Impermanence im Rahmen der Ausstellung "Ungovernable Ingredients". silent green Kulturquartier | Gerichtstraße 35 | 13347 Berlin
Ausstellungsansicht/Installation view, CCA Berlin, 2024. Fotos/Photos: Diana Pfammatter/CCA Berlin
Wirre Zeiten, Umbrüche und Unruhe. Viele Menschen leben in Sorge, haben existentielle Ängste. Das führt oft zu Vereinzelung, Rückbesinnung auf einen stabilen Kern, auf eine feste Identität.
Ein Vorschlag, diesem Chaos zu begegnen, ist das Miteinander. Eine Gemeinschaft wieder aufleben zu lassen. Rene Matić (geb. 1997 in Peterborough, GB) unternimmt genau diesen Versuch in der ersten Einzelausstellung in Deutschland. Sie ist im CCA zu sehen, das sich in dem kleinen Eiermann-Bau neben der Gedächtniskirche direkt am Zoo befindet.
Für die Ausstellung As opposed to the truth hat Matić mehrere Fotografien und eine Klangarbeit angefertigt. Glockengeläut, Ausschnitte aus Rihannas Song Lift Me Up und Sprechchöre hallen durch die Räume. 365 (2024) ist ein gelungener Dreiklang, der mit den Glocken auf den Ort Gedächtniskirche verweist und die Ausstellung ins Heute bringt. Heute – das ist Chaos, aber auch Fluidität: einerseits werden Grenzen hochgezogen, während sie andernorts aufweichen, zerbröseln mit der Erkenntnis, dass sie doch nur bloße Konstrukte sind.
So beeindrucken vor allem die Fotografien der Serie Feelings Wheel (2022 bis heute), die sich auf zwei Räume verteilen. Die großen Aufnahmen sind körnig, teils verschwommen. Zwischen zwei transparente Glasplatten montiert, stehen die Bilder auf dem Boden. Die Rahmen, die das eine Bild vom benachbarten abgrenzen, sind nur schmale Linien, wo die Glasränder abgeschliffen sind – eigentlich gibt es sie nicht. So überschneiden sich die Motive. Es entsteht der Eindruck einer Collage. Die Darstellungsweise vermittelt Intersektionalität, also die Überlagerung vieler „Wahrheiten“ oder Identitäten in einer Person.
Ausstellungsansicht/Installation view, CCA Berlin, 2024. Fotos/Photos: Diana Pfammatter/CCA Berlin
Gezeigt werden Kussszenen, wilde Partynächte, intime Momente wie Umarmungen, aber auch gesellschaftliche Porträts von Protesten, Transparente und Fahnen. Eine Revolte, der das Menschliche gegenübersteht. Viele Aufnahmen wirken in ihrer verschwommenen Ästhetik, als stünden wir unmittelbar neben einem liebevollen Schmatz. Liebe und Körper sind die Schlagworte im Text. Matić entwirft ein Gesellschaftsbild, das teils humanistisch, teils hippieesk anmutet.
Im größten Raum, der den Pavillon im Grunde in zwei Hälften teilt, hängt eine riesige Fahne. Auf der einen Seite steht „NO PLACE“, auf der anderen Seite „FOR VIOLENCE“, beide Parolen zusammen ergeben auch den Titel der Arbeit. Sie verweist damit auf demokratische Grundwerte, dass Gewalt (erst einmal) keine Lösung ist – Grundwerte, die zunehmend gefährdet sind. Gewalt wird mit Sicherheit gerechtfertigt, vor allem das „Nationale“ wird beschworen, als etwas Schützenswertes, paradoxerweise aber auch als Mutmacher. Dann werden Fahnen gehisst und zum Kriegstreiben benutzt. Fahnen sind vielseitige Symbole, die Territorien definieren, Zugehörigkeiten abstecken und je nach Bedarf zum Instrument werden können. Sie sind brandgefährlich.
Ausstellungsansicht/Installation view, CCA Berlin, 2024. Fotos/Photos: Diana Pfammatter/CCA Berlin
Auf einer ganz anderen Ebene setzt die etwas abseits präsentierte Werkreihe Restoration (2022 bis heute) an. In einer Regalnische in einem kleinen Separée sitzen oder stehen alte Puppen mit Schwarzer Hautfarbe. Sie sind teils zerbrochen, ihre Arme abgeknickt, die Haare geschoren, sie sehen malträtiert aus. Wie wir heute mit diesen Puppen, ihren rassifizierten Gesichtszügen und ihrem Schmuck umgehen, führt zu heftigen Diskussionen. Matić wählte einen eher ungewöhnlichen Ansatz: Die gesammelten Puppen wurden neu eingekleidet und in Teilen behutsam wiederhergestellt. Zugleich verdeutlichen sie, dass eine vollständige Heilung der Brüche und Verletzungen unmöglich bleibt. Auch hier ist der Ansatz von einer zwischenmenschlichen Wärme geprägt, die einer notorischen Vernichtung erst einmal ausweicht.
Matićs künstlerische Praxis besticht durch eine intuitive Zugänglichkeit. Die eingesetzten Mittel transportieren die Botschaft. Diese – im Grunde eine Ideologie der Gemeinschaftlichkeit – ist vielleicht naiv? Zugleich ist sie mutig und lässt uns genauer hinsehen, zuhören und mehr füreinander da sein.
Kuratoren: Fabian Schöneich mit Nan Xi
Produktion: Franz Hempel
Curatorial Fellow: Pauline Herrmann
Ausstellungsdauer:
8. November 2024–25. Januar 2025
Öffnungszeiten:
Di–Sa 11–18 Uhr
CCA Berlin
befindet sich im Foyer-Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche.
Breitscheidplatz
10789 Berlin
+49 30 20673287
cca.berlin
Titel zum Thema CCA Berlin :
Im Chaos füreinander. Rene Matić im CCA Berlin
Ausstellungsbesprechung: Wirre Zeiten, Umbrüche und Unruhe. Viele Menschen leben in Sorge, haben existentielle Ängste. Das führt oft zu Vereinzelung, Rückbesinnung auf einen stabilen Kern, auf eine feste Identität.
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