19 Uhr: Mit Layla Burger-Lichtenstein (n.b.k., David Joselit (Harvard University, und Abbas Zahedi (Künstler), moderiert von Antonia Kölbl (Texte zur Kunst). n.b.k.) | Chausseestr. 128/129 | 10115 Berlin
Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren stark an medialer Präsenz gewonnen, besonders im Zusammenhang mit der sogenannten Aufmerksamkeitsökonomie. Digitale Plattformen konkurrieren um unsere begrenzte Zeit und Smartphones stehen dabei im Zentrum: Erwachsene verbringen weltweit täglich durchschnittlich 4,5 Stunden an ihren Geräten, gesteuert von Algorithmen, die unsere Interessen vorhersagen und uns gezielt an Inhalte binden.
Was mich als Kuratorin von Prater Digital, dem integralen digitalen Bestandteil der Prater Galerie, zunehmend beschäftigte, war eine weniger am Menschen ablesbare Seite dieser Entwicklung. Die digitale Infrastruktur, die uns so viel Komfort bietet, benötigt nicht nur Strom und Daten, sondern auch enorme Mengen Wasser. Diese Erkenntnis führte zu der Frage, wie das komplexe Verhältnis zwischen KI, Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung mit Mitteln der Kunst sichtbar gemacht werden kann – insbesondere in einer kommunalen Galerie wie der Prater Galerie. Von Künstler:innen im Jahr 1973 gegründet, war sie einst ein wichtiger Treffpunkt für die dissidente Kunstszene Ostberlins. Nach Abschluss einer umfassenden Sanierung des Berliner Praters in der Kastanienallee 7–9 in Prenzlauer Berg wird die Galerie in Kürze wiedereröffnet. Im Vorfeld wurde deutlich, dass ein zeitgemäßer analoger Raum mit Fokus auf kluge, kritische Projekte der Gegenwartskunst, um eine digitale Ebene erweitert werden soll. Prater Digital hinterfragt die allgemeine affirmative Begeisterung für Technologien und bietet ein einzigartiges digitales Experimentierfeld.
Da die Verbindung von digitalem und physischem Raum bereits im Konzept der Prater Galerie verankert war, lag es für Prater Digital nahe, mit einem analogen Ausstellungsort zu kooperieren. Mit SOMA Art Berlin – einem Projektraum in Kreuzberg, der in den vergangenen Jahren unter der Leitung von Nabi Nara eindrucksvolle Medienkunstprojekte realisiert hat – fand Prater Digital den idealen Partner für dieses Vorhaben um virtuelle und physische Kunstpräsentation miteinander zu verweben.
Gleichzeitig stellte sich die Herausforderung, dass das Spannungsfeld zwischen KI und Wasser so komplex ist, dass es unterschiedliche Formate braucht, um seine vielen Facetten zu beleuchten. Aus dieser Überlegung entstand das Jahresprogramm ORBIS PIXELORUM – lateinisch für „die Welt in Pixeln“. 2025 widmet sich Prater Digital mit diesem Programm der Beziehung zwischen KI und Wasser. Den Auftakt bildet die Ausstellung Thirsty Machines: AI on Tap in den Räumen von SOMA Art Berlin, die künstlerische Positionen mit der Vermittlung von Inhalten verbindet und den Ausgangspunkt für nachfolgende Workshops sowie die Entwicklung einer XR-Dokumentation bildet.
Doch wie viel Wasser verbraucht KI eigentlich? Und wo muss man hinschauen, um das herauszufinden? Besonders in Rechenzentren, die KI-Anwendungen betreiben, werden enorme Wassermengen eingesetzt – etwa zur Kühlung der Server. Unsere Recherchen führten zu einer Studie der University of California, laut der KI-Systeme bis 2027 jährlich bis zu 6,6 Milliarden Kubikmeter Wasser verbrauchen könnten – genug, um Länder wie Dänemark, Österreich oder Irland ein Jahr lang mit Wasser zu versorgen.
Bislang gibt es nur wenige konkrete Forschungsprojekte zum Zusammenhang zwischen KI und Wasserverbrauch. Im Feld der Science and Technology Studies zeigen sich jedoch verstärkte Bemühungen, diese Lücke zu schließen. Da Prater Digital an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft arbeitet, betreten die Besucher:innen in Thirsty Machines: AI on Tap zunächst eine zentral platzierte Vermittlungssektion, die in Zusammenarbeit mit der Szenografin Carla Streckwall entstanden ist. Sie lädt im wahrsten Sinne des Wortes zum Eintauchen in das Thema ein: Eine großflächige Projektion zeigt einen animierten Globus, der Regionen mit hohem Wasserstress den Standorten globaler Rechenzentren gegenüberstellt – und so die Spannungsfelder zwischen digitalem Fortschritt und ökologischer Belastung sichtbar macht.
Ausgehend von dieser informativen Ebene erweitern zwei künstlerische Arbeiten die Ausstellung und eröffnen poetische und spekulative Perspektiven auf das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz, Natur und Ressourcennutzung.
Ein eindrucksvolles räumliches Element der Ausstellung sind überlebensgroß projizierte, 3D-generierte Avatare, deren Gesichter auf die Backsteinwände des Ausstellungsraums geworfen werden. Nur minimal bewegt, wirken sie zugleich präsent und entrückt – und laden das Publikum ein, in die immersive Installation Lasting Generation von Theresa Reiwer einzutauchen. Die Künstlerin entwirft darin das Bild einer KI, die nicht als Kontrollinstanz, sondern als Vermittlerin zwischen Mensch und Natur agiert. In einem fiktiven KI-Symposium zum Thema Climate Care begegnen Besucher:innen virtuellen Avataren, die essayistische Texte über nicht-menschliche Intelligenz und ökologische Verantwortung präsentieren.
Während Lasting Generation eine Zukunft entwirft, in der KI als ökologischer Akteur agiert, fokussiert sich Chorcorallium von Lauren Moffatt auf die Wechselwirkungen zwischen technischer Infrastruktur und natürlichen Lebensräumen. Die KI-Intervention und Game-Engine-basierte Simulation entführt in eine Unterwasserwelt, in der industrielle Überreste von einer neuen Korallenart überwuchert werden. Algorithmisch generierte Klanglandschaften und KI-gestützte 3D-Visualisierungen verbinden menschliche Technologie mit marinem Leben. Die Arbeit thematisiert die zunehmende ökologische Belastung durch den Wasserverbrauch von Rechenzentren, insbesondere für empfindliche Ökosysteme wie Korallenriffe.
Beide Werke bieten unterschiedliche künstlerische Perspektiven auf die Rolle von KI in einer von Ressourcenknappheit geprägten Zukunft – zwischen Hoffnung, Ambivalenz und Kritik.
Der Besuch von Thirsty Machines: AI on Tap gleicht damit einer besonderen Unterwassererfahrung. Durch die gezielte Verbindung von Wissenstransfer und künstlerischen Elementen entsteht ein meditativer, wellenartiger Ausstellungsrhythmus – ruhig, aber eindringlich. Statt Anklage steht die Einladung im Vordergrund: sich mit dem Wasserverbrauch durch KI auseinanderzusetzen und neue Perspektiven zu gewinnen. Die hypnotische Wirkung der Szenografie der künstlerischen Arbeiten und der besonderen Atmosphäre bei SOMA Art Berlin lässt für einen Moment vergessen, dass man eben noch auf Social Media oder in einer KI-basierten App unterwegs war – und markiert so einen kleinen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren digitalen Zukunft.
Eine Kooperation von Prater Digital und SOMA Art Berlin
Künstler:innen: Lauren Moffatt und Theresa Reiwer
Kuratorin: Dr. Marlene Bart
Ausstellungsdauer: 27.04. bis 24.05.2025
Ort: SOMA Art Berlin, Eylauer Str. 9, 10965 Berlin
Projektwebsite:www.orbispixelorum.prater-digital.de
Titel zum Thema Prater Digital:
Thirsty Machines: AI on Tap. Eine Kooperation von Prater Digital und SOMA Art Berlin
Gastbeitrag von Marlene Bart. Wie viel Wasser verbraucht KI eigentlich? Und wo muss man hinschauen, um das herauszufinden? Und wie reagiert Kunst darauf?
station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf
Galerie Parterre
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a|e Galerie - Fotografie und zeitgenössische Kunst
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