Enea Toldo: Soft ouch (2024), Stahl, Wachs, 34 x 18 x 0,5 cm, Foto: Erik Gustafsson

Ein Quadratmeter: er kann genutzt werden, um eine Aussage zu platzieren. Ein Quadratmeter, gehört mir und ich teile ihn mit anderen, dann passiert mehr auf gleicher Fläche. Wir aktivieren ihn, schöpfen sein Potenzial aus, beleben ihn gemeinsam. Gemeinsam, um andere außen vor zu lassen? Braucht es eine Linie zur Abgrenzung, wenigstens eine Markierung?
Die 21 Künstler*innen der aktuellen Ausstellung 1 person per sqm im Studio Hanniball, im Ballhaus Prenzlauer-Berg nahe der S-Bahn-Station Schönhauser Allee, streifen Fragen um unseren Umgang mit städtischem Raum, seinen Besitzverhältnissen, seinen Grenzen und Bewohner*innen.

Auf dem Boden lehnt an der Wand Enea Toldos soft touch (2024), aus mattem Eisenblech gepresst, ein wellenförmiges Händepaar, das sich zu befingern scheint. Der feste, vermeintlich verlässliche Händedruck bleibt aus – in der Berührung steckt bereits das Entgleiten, Loslassen und Verlieren. Ein kurzes Begegnen, ein Moment – nicht anders als in Tucholskys „Augen in der Großstadt“ (1930): flüchtig, sekundenschnell und schon vorbei. Die Ampel schaltet auf Grün, ein Gruß ist unmöglich, ungehindert rast das Leben weiter, wir verlieren uns. Die Nähe der Hände fast schon vergessen, bimmelt eine Tram, Attraktion, vergessen was war.

Die Turbulenzen des Stadtlebens sind auch Thema auf Joram Schöns Zeichnungen Desire at the Corner (Shop) (2023) und Fressnapf-SMA-CGM-Logistics, Nebelkrähen auf Nahrungssuche (2021). Comichaft wird eine Szenerie skizziert, wie im Bilderbuch: kläffender Hund, queeres Paar, Mercedes, Müll, riesengroße Geschäftsfiliale. Sie alle teilen sich eine Kreuzung, einen Raum, einen Quadratmeter.

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Dominika Bednarsky: French Kiss (2024), glasierte Keramik, 53 x 8 x 12 cm, Foto: Erik Gustafsson

Nicht-menschliche Bewohner*innen in „unserer“ Stadt spielten schon vor 100 Jahren in der Architekturlehre beispielsweise am Bauhaus in Dessau eine Rolle. Wir koexistenzen gemeinsam. Der Anteil von Tieren ist auch in dieser Ausstellung hoch, ein Käferpaar stolziert auf einem Baguette, springende Hunde sind porträtiert, ein Fuchs mit gold schimmernden Bernsteinaugen balanciert auf einem rotten Holzbalken. Vermutlich von einem alten Dachstuhl entnommen, dort, wo heute das schicke Apartment thront?
Die Ausstellung erhebt keine Sozialkritik, Fragen nach Klasse und Besitz bleiben im Hintergrund. Humorvoll, mit einem Augenzwinkern bringen die Kurator*innen - der Autor und Regisseur Jan Koslowski und die Künstlerin Dominika Bednarsky - die Kunstwerke zum Sprechen: ein lautmalerisches Gedicht, ohne Richtig oder Falsch. Manche Arbeiten treten direkt in Dialog, wie Maša Stanić kleinformatige Schwarz-weiß-Fotografie eines nackten, in die Ecke gezwängten und verzweifelt aussenden Mannes und direkt gegenüber Bahar Kaygusuzs großformatige Leinwand einer auf einem Bett sitzenden Frau mit Prellungen am Bein.

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Ausstellungsansicht, Foto: Erik Gustafsson

Einige Werke sind laut und mitten im Raum, andere stehen still am Rand, einige Titel benennen konkret das Gezeigte, andere sind eher assoziativ. Enea Toldo hat auf einem drahtigen Gitter dünne Betonschichten in unterschiedlichen Grautönen übereinander gelagert. To police violence (2025) ergibt das Bild eines Panoramas, einer hügeligen Landschaft, die nach hinten verblasst. Lagen von Beton und Stein, darunter liegen Metallskelette. Stadt, eine Landschaft aus grauem Stein, unwirtlich, ungastlich und abweisend gegenüber dem Leben. Wollen wir trotzdem zusammenleben? Ja.

Künstler*innen: Cemile Deniz Alibaş | Joschua Yesni Arnaut | Dominika Bednarsky | Malik Blumenthal | Severin Dellwisch | Fid. Fischer | Anna Herms | Olga Hohmann | Salar Jafari | Bahar Kaygusuz | Cajus Kesler | Lukas Kesler | Laurids Köhne | Tibor Köhne | Jan Koslowski | Anna Maria Luczak | Magdalena Mitterhofer | Joram Schön | Maša Stanić | Lukas Städler | Enea Toldo

1 person per sqm
Ausstellung: 25.10. - 29.11.2025
Di + Sa, 14 - 18 Uhr
Studio Hanniball, Pappelallee 15, 10437 Berlin
www.studio-hanniball.de