Der Schlossplatz, auf dem sich die Temporäre Kunsthalle für insgesamt zwei Jahre niedergelassen hat, ist ein Ort der Wandelbarkeit, der Abbrüche und des Wiederaufbaus. Mit ihrem Video „How To Appear Invisible“ und der Installation „Compass“ haben die beiden Künstler Jennifer Allora (geb. 1974 in Philadelphia, USA) und Guillermo Calzadilla (geb. 1971 in Havanna/ Kuba) besonders eindrückliche Porträts dieses Platzes geschaffen – Porträts, die zugleich die aktuelle Situation der Kunsthalle selbst widerspiegeln.

Die Videoarbeit entstand Ende 2008 auf der Baustelle des Schlossplatzes und dokumentiert den Abriss der letzten Reste des Palastes der Republik. Über dem Geschehen liegt eine eigenartige Stille. Vereinzelt klopfen Baukräne zaghaft an den Wänden und wirken dabei wie einsame Dinosaurier, die an den Mauerresten knabbern. Inmitten dieser seltsamen Kraterlandschaft aus Schutt und Geröll verfolgt die Kamera immer wieder einen Schäferhund, der wie ein Inspektor das Gelände begutachtet. Auf seinem Kopf trägt er eine riesige Halskrause mit dem Logo der bekannten Amerikanischen Fast-Food-Kette „Kentucky Fried Chicken“. Eine witzige ironische Geste, auch wenn die Symbolik an manchen Stellen etwas zu dick aufgetragen erscheint. Der urdeutsche (Militär-)Hund, gebändigt durch amerikanischen Kapitalismus?

Die Szene – zwischen Endzeitstimmung und Neuanfang – passt ironischerweise gut zur aktuellen Situation der Temporären Kunsthalle. Der Rücktritt des künstlerischen Beirats hat ein ähnliches strukturelles Vakuum hinterlassen. Und die Diskussionen über die Zukunft der Kunsthalle sind immer noch nicht abgeklungen. Auch wenn diese internen Fragen bei der Pressekonferenz ganz bewusst ausgespart wurden, schienen sie doch gerade anlässlich der aktuell gezeigten Arbeiten immer latent in der Luft zu schweben.
Und so wandelten auch die Besucher gleichermaßen wie Inspektoren durch die Räume, die dieses Mal ganz leer geblieben sind.

Allora und Calzadillas ist nicht weniger ortsbezogen als die Videoarbeit. Für die Installation „Compass“ (2009) wurde eine zusätzliche Ebene eingezogen, welche die Kunsthalle auf ein Drittel ihrer tatsächlichen Höhe reduziert. Der Besucher steht in einem leeren, drückend-niedrigen Saal mit einem provisorisch zusammengenagelten Birkenfurnier als Decke.
Ein Baustellenraum auch hier – temporär und zwischen Aufbau und Abriss begriffen.
Das eigentlich Poetische an der Arbeit entfaltet sich jedoch auf akkustischer Ebene. Dicht über den Köpfen, auf dem zweiten Boden sind die Schritte von Tänzern hörbar, die unsichtbar über den Betrachtern Live-Performances ausführen. Mal bedrohlich stampfend und brachial, mal beschwingt und leicht tänzelnd beschreiben sie Rhythmen, die räumlich spürbar und verortbar sind. Die drückende Leere des „white cube“ wird von lebendig-stolpernden Geräuschen erheitert und aufgebrochen. Der Raum selbst wird - flüchtig und vorübergehend - zum Resonanzkörper der Kunst, bevor er anschließend wieder demontiert, abgebrochen, umgewandelt wird.
Was könnte die Realität dieses Ortes und dieser Kunsthalle besser beschreiben?

Abbildung:
- Allora & Calzadilla, How To Appear Invisible (Filmstill), 2009
Super 16 mm-Film auf HD Video, Farbe, Ton, 21´30"
© Allora & Calzadilla

- Allora & Calzadilla, Compass, 2009
Abgehängte Holzdecke, Tänzer, variable Dimensionen
Installationsansicht Temporäre Kunsthalle Berlin, 2009
Foto: Jens Ziehe, Berlin
© Temporäre Kunsthalle Berlin / Allora & Calzadilla

Öffnungszeiten:
täglich 11-18 Uhr
samstags bis 21 Uhr

Temporäre Kunsthalle Berlin
Schlossplatz
Berlin-Mitte
kunsthalle-berlin.com