19 Uhr: Matthias Flügge, Kunsthistoriker, im Gespräch mit Mark Lammert im Rahmen der Ausstellung: "Mark Lammert: REVOLUTIONSSPLITTER" Galerie Pankow | Breite Straße 8 | 13187 Berlin
Willy Maywald: Nico, um 1960. © Association Willy Maywald / VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Anmutig lächelnd stehen drei Mädchen mit geflochtenem Haarkranz und adretten Kittelschürzen vor einer Windmühle. Ein weiteres Bild zeigt eine Bäuerin mit Kopftuch. Sie hält die Harke vors wettergegerbte Gesicht, umrahmt von einer leuchtendgelben Sonnenblume. Aber Willy Maybald rückte nicht nur das Landleben in den Fokus seiner Kamera. Auf dem Steg des Schwimmbades am Wyler Meer zum Beispiel posierten drei körperbewusste junge Damen im Badeanzug für ein Foto. Selbstbewusst drücken sie die Knie durch, legen ein Bein kokett auf die Brüstung, jonglieren mit dem Wasserball.
All dies sind Szenen vom Niederrhein, die der 1907 in Kleve geborene Maywald, Anfang der dreißiger Jahre mit der Kamera festhielt. Maywald stammte aus großbürgerlichem Milieu, seine Eltern waren die Inhaber des mondänen Hotels Maywald. Ein Umfeld, das seine Weltgewandtheit schulte und ihm später im Umgang mit den Schönen, Prominenten und Mächtigen von großem Nutzen sein sollte.
Die Perspektive eines neuen Sehens bahne sich schon in den frühen Fotos an, erklärt Ludger Derenthal, Kurator der Ausstellung „Willy Maywald. Fotograf und Kosmopolit. Porträts, Mode, Reportagen“, die bis zum 2. August im Berliner Museum für Fotografie zu sehen ist.
Szenenwechsel: Von der Provinz zog es Maywald 1932 in die Metropole Paris, wo seine fotografische Neugierde reichlich Nahrung fand. Vor allem das quirlige Straßenleben faszinierte ihn, vom Wurstverkäufer bis zu dem alten verhärmten Paar im Café in Montparnasse. Aber auch die Chimären von Notre Dame, die auf den Fotografien nahezu menschliche Züge annehmen.
Willy Maywald: Modell von Pierre Cardin, 1960. © Association Willy Maywald / VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Der Wahl-Pariser sammelte Eindrücke von Schönem, Hässlichen, Skurrilen, Typischen, Außergewöhnlichen… Eine seiner Serien galt den Concierges der Stadt. Und vor allen den Menschen hinter der Funktion. Maywald zeigt die Damen am Eingang mit dem Ehemann, den Hunden oder einer mit Margeriten gefüllten Vase in Schwanenform. Es sind Kleinigkeiten, die jedoch die Konturen einer Persönlichkeit deutlich werden lassen.
Maywald war ein Menschenfänger. Als „verbindlich, freundlich und einen großartigen Gastgeber“ bezeichnet Jutta Niemann, Vorsitzende der Association Willy Maywald, den 1985 verstorbenen Fotografen.
In Paris fand er Kontakt zur Künstlerszene, fotografierte Hans Arp, Hans Hartung, Yves Klein u.a. in ihren Ateliers. Auch hier gelang es ihm, die Persönlichkeit der Porträtierten in den Vordergrund zu stellen. Sinnend im Profil bildet er Pablo Picasso mit nacktem Oberkörper unter einem Sonnenschirm ab. Victor Breuer scheint von einer Schlangenskulptur in den Kopf gebissen zu werden, Marc Chagall blickt verletzlich, empfindsam in die Kamera.
Auch auf den Spuren der großen toten Maler wandelte Maywald: In Auvers-sur-Oise fotografiert er Vincent van Goghs Sterbezimmer, mit Freunden stellte er in Cagnes-sur-Mer Renoirs Gemälde „Frühstück im Grünen“ nach, in Monets Garten in Giverny machte er sich auf die Suche nach dessen berühmten Seerosen.
Doch es folgten düstere Jahre für den Deutschen. Im Zweiten Weltkrieg wurde Maywald zunächst interniert, floh dann aber in die Schweiz, um 1946 nach Frankreich zurückzukehren. „Paris. Bei dem Gedanken, Paris nach sieben Jahren wiederzusehen, war ich ganz verrückt vor Freude. Aber wie würde mein Leben dort sein?“
Es meinte es gut mit ihm, das Leben. Vor allem in der Modefotografie machte er sich einen Namen. Ihm eilte der Ruf voraus, die Stoffe von Kleidern so ablichten zu können, dass man den Drang verspürte, sie zu berühren, sie haptisch zu erfahren. Im Vorfeld seiner ersten Modenschau 1947 verhalf Maywald dem aufstrebenden Designer Christian Dior zum Durchbruch und wurde zu einem seiner Hausfotografen. Er inszenierte die Stoffe durch ausgeklügelte Beleuchtung in ihrer ganzen Plastizität und Fülle. Nach Diors Tod arbeitete er für dessen Nachfolger, Yves Saint-Laurent, war aber auch für große Modehäuser wie Jacques Fath, Jacques Heim, Jacques Griffe, Pierre Balmain, Pierre Cardin und Nina Ricci tätig.
In den Jahren 1947/48 besuchte er das Nachkriegsdeutschland, fotografiert das zerbombte Familienhotel, eine Christusstatue in Trümmern, Menschen in Lumpen.
Wie kaum ein anderer prägte er das Paris-Bild der Deutschen in den Jahren des Aufbaus. Ein Bild voller Eleganz, Charme, Noblesse. Und auch hier gelang es ihm stets, die Persönlichkeit zu betonen, wie in dem Porträt der Schauspielerin Katherine Hepburn von 1951 in Rolli und Blazer – streng und herb. Oder das Porträt von Nico, einer deutschen Punk- und Gothic-Sängerin, die in Paris zum ersten „Top Model“ avancierte. Ein Föhn lässt die blonden weichen Haare das Gesicht mit den vollen Lippen umwehen – frech und kokett. Im Flirt mit Maywalds Kamera.
Ausstellungsdauer: 24.04.2015 bis: 02.08.2015
Museum für Fotografie
Jebensstraße 2
10623 Berlin
Titel zum Thema Willy Maywald:
Mannequins und Avantgarde – Willy Maywalds fotografisches Vermächtnis im Museum für Fotografie
Die Ausstellung endet dieses Wochenende. Letzte Möglichkeit für einen Ausstellungsbesuch, siehe unsere Besprechung:
nüüd.berlin gallery
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf
Haus am Kleistpark
Galerie im Tempelhof Museum
Max Liebermann Haus