15 Uhr: mit Juan Pablo Macías und der Bibliothek der Freien, Berlin, moderiert von Angelika Stepken (DE/EN) im Rahmen der Ausstellung Tiempo Muerto. Galerie am Körnerpark | Schierker Str. 8 | 12051 B
Videostill, Super 16 mm übertragen in
eine Video Projektion, Farbe, Stereosound,
12 Min. 57 Sek., variable
Bildschirmgrößen,
Leihgabe Anri Sala und Johnen Galerie,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Saxophonklänge durchdringen den hinteren Raum der Deutschen Bank KunstHalle. Schwer, sehnsuchtsvoll, melancholisch. Doch obschon der Titel der Videoarbeit „Long Sorrow“ den Blues im Titel trägt, bezieht sich der albanische Künstler Anri Sala auf das vermeintlich längste Hochhaus Europas im Märkischen Viertel, vom Berliner Volksmund schnodderig „Langes Elend“ getauft .
Das Märkische Viertel, eine Trabantenstadt im Stadtteil Reinickendorf, ist ein Kiez mit einer starken sozialen und kulturellen Durchmischung, Wohnort auch vieler Migranten. So zeigt das Video den Rücken eines fremdländisch aussehenden Musikers, dessen Gesicht dem tristen gegenüberliegenden Gebäude zugewandt ist. Doch nimmt er dieses wahr? Oder ist er im Geiste, getragen von der schwermütigen Musik, in ganz anderen Gefilden? So wie im Jazz diverse musikalische Einflüsse verschmelzen, so werden auch Metropolen wie Berlin immer wieder neu erlebt, erinnert und erfunden.
Ausgehend von der These des Philosophen Roland Barthes, dass in den Hauptstädten der Welt jeder ein Fremder ist und die Stadt ebenso die Menschen prägt wie diese die Stadt, hat der Kurator Simon Njami die Gruppenausstellung „Xenopolis“ konzipiert. Es ist der Beitrag der Deutschen Bank KunstHalle an der diesjährigen Art Week, die unter dem Titel „Stadt/ Bild“. Image of a City“ steht.
Njami, der sich selbst als „Leftist“ bezeichnet, gibt zu, in diesen Tagen verwirrt zu sein. Nicht nur habe er es bislang nicht für möglich gehalten, im Auftrag einer Bank zu arbeiten, zudem habe Angela Merkels anpackende Reaktion auf die Flüchtlingskatastrophe sein Weltbild ins Wanken gebracht. „Es ist unglaublich, von welch aktueller Brisanz unsere Ausstellung ist“, fügt Svenja von Reichenbach, Leiterin der KunstHalle, hinzu.
Tatsächlich haben sich die teilnehmenden Künstler bereits früh als Seismographen der sich anbahnenden gesellschaftlichen Entwicklungen erwiesen. Wie etwa das Duo Mwangi Hutter. In ihrer Arbeit reflektieren die in Nairobi geborene Ingrid Mwangi und der aus Ludwigshafen stammende Robert Hutter seit Ende der 90er-Jahre die vielschichtigen Beziehungen von Menschen verschiedener Kultur, Nationalität, Religion oder Geschlecht – Ausgangspunkt und Projektionsfläche ist dabei stets der eigene Körper. „Es ist notwendig, im Austausch zu bleiben und eine tolerante Diskussion zu führen“, so das Statement von Mwangi Hutter. Dabei sollten Unterschiede weder ignoriert noch gewertet werden.
Installation, Maße variabel
Produziert mit Unterstützung der Sindika
Dokolo Foundation und Antony Podesta
Collection, Leihgabe ALEXANDER OCHS PRIVAT,
© Mwangi Hutter
In der Ausstellung ragen an die zweihundert wächserne Hände scheinbar aus dem Boden in die Höhe. Sie sind – modelliert nach dem Abguss der Hände Mwangi Hutters - in Weiß-, Schwarz-, und Grautönen gehalten und strecken sich hinauf zu einer weiblichen Figur. Der weiche Faltenwurf von deren Gewand sowie die s-förmige Haltung lassen an den spätgotischen Typus der schönen Madonna denken. Die Verschleierung erinnert spontan an eine Dschihad-Kämpferin, hat auf jeden Fall etwas Bedrohliches.
Auch die Hände der Installation „Proximity of Imperfect Figures“ wecken vielfältige Assoziationen: Sie beschwören Impressionen von Votivbildern in Wallfahrtskirchen wie Altötting herauf, aber auch an die aktuellen Medienbilder ertrinkender Flüchtlinge, die versucht haben, auf überfüllten Booten das Mittelmeer zu durchkreuzen, um Krieg und Terror zu entkommen. „Vor allem sollen die Hände die Strukturen innerhalb einer Gesellschaft aufzeigen“, erklärt Robert Hutter. „Wie nah sind sie? Wie weit entfernt? Sind sie zugewandt, abgewandt?“
Mixed Media,
Ausstellungsansicht 2009, Centro Arte
Contemporanea Luigi Pecci, Prato, Italien
Leihgabe Galleria Continua, San
Gimignano,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2015, Foto: Loris Cecchini
Die Frage nach der Transparenz einer urbanen Gesellschaft wirft der Italiener Loris Cecchinis auf. Seine großen gläsernen Wohnwagen, surreal anmutende Hybride aus Fahrzeug und Gewächshaus, sind mit Kakteen gefüllt, einer der Wagen erhält zudem ein frischbezogenes Bett. „Wo geht die Karawane hin?“ scheinen sie auszudrücken und „Was bewegt jeden von uns im Inneren?“
Fragen von gesellschaftlicher Relevanz, die uns momentan dringlicher beschäftigen denn je und die zudem nicht oft genug gestellt werden können. Vor allem in Xenopolis, der Stadt der Fremden.
STADT/BILD. Xenopolis
Kuratiert von Simon Njami
Ausstellung 16. SEP—8. NOV 2015
Eröffnung 15. SEP 2015, 18 Uhr
Deutsche Bank KunstHalle
Unter den Linden 13/15, 10117 Berlin
deutsche-bank-kunsthalle.de
täglich 10 – 20 Uhr
Titel zum Thema Stadt/ Bild:
Stadt der Fremden - STADT/BILD. Xenopolis in der Deutsche Bank KunstHalle
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