18.30 Uhr: im Rahmen der "Ruckhaberle-Förderpreis 2024: Shortlist-Ausstellung" Dr. Sabine Ziegenrücker und Claudia Wasow-Kania. GalerieETAGE im Museum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin
„Klappe eins, Affe tot“ – so der Titel einer Ausstellung mit Werken aus der Sammlung Bergmeier. Bis zum 4. Februar 2017 werden in den KUNSTSAELEn überwiegend minimalistische und konzeptuelle Arbeiten von den 1960er Jahren bis zur Gegenwart zu sehen sein.
Der Titel stellt eine Abwandlung des Ausspruchs „Klappe zu, Affe tot“ dar. Im Zirkus oder auf Jahrmärkten wurde dieser verwandt, wenn der dressierte Affe, der die Besucher anlocken sollte, gestorben war. Dann nämlich blieb die Klappe der Holzkiste oder der Bude geschlossen.
In den KUNSTSAELEn jedoch steht die Klappe weit offen. Allerdings ist es kein marktschreierisches Spektakel, das sich dem Besucher hier auftut, sondern eine sehr eigene Kollektion, in der sich eins ins andere fügt, selbst wenn es zunächst den Anschein von Brüchen hat. Nach sieben Jahren Ausstellungstätigkeit ziehen die Sammlerin Geraldine Michalke und der Kurator Michael Müller damit eine Art Zwischenbilanz.
Zu den Brüchen zählt der mit blauer Wandfarbe gestrichene „Erzählraum“, wie Michael Müller ihn getauft hat, der letzte von drei durch große Flügeltüren verbundenen Räumen. Er ist von figurativen Darstellungen bestimmt. So etwa die comicartigen Digitaldrucke der Serie „die niedlichen“ von Felix Reidenbach aus dem Jahr 2011. Ein Zensor klärt in einem der Abbildungen den japanischen Herrscher über die perspektivische Darstellung auf, wie sie in Europa seit der Renaissance von Künstlern praktiziert wird: „Das Verkleinern und Verschwinden gleichgroßer Gegenstände zum Horizont hin, eine Sitte aus dem fernen Westen“.
Dem gegenüber stehen frühe Holzdrucke von asiatischen Meistern, zum Beispiel von Hokusai (1760-1849), der in einer Serie den Berg Fuji in 36 Darstellungen festgehalten hat. Ein „Stein der Meditation“ des österreichischen Künstlers Karl Prantl schlägt einen Bogen von der fernöstlichen Philosophie hin zu minimalistischen Ausdrucksformen.
Im anschließenden Raum regiert die klare Form. An der Stirnseite die monumentale Arbeit „Aggressive Reihung“ von 1972, in der Günther Uecker die Leinwand auf Holz über und über mit Nägeln perforiert hat. Der aggressive Akt des Zerstörens wird abgemildert durch die Kontrolle, mit der Uecker die Nägel in die Leinwand schlug – akkurat und im stets gleichen Abstand. Ueckers Werk zu Füßen breitet sich eine Arbeit von Donald Bernshouse aus – 50 Standardprofile aus Aluminium bedecken einen Großteil des Bodens.
Der Reflexion über Kunst im blauen Raum entsprechen hier die Arbeiten „These Scenes“ von Art & Language von 2016. So heißt es in einer der Arbeiten: „The contents of this square are invisible, their extent and character will remain permently secret, understood by the artists only.“
Es folgen Highlights der Sammlung wie der „Farbraumkörper“ von Gotthard Graubner (1975) und die Spracharbeit „legedich“ von Gerhard Rühm (1972), in der die Schreibschrift in die Zeichnung übergeht, die mit Kugelschreiber gezeichnete Linie wieder in die Schrift, wobei die Linie letztendlich hinaus aus dem Bildträger führt.
Eine besonders schöne Arbeit ist auch die „Snow Flake Study“ von Kasper Pincis, in der dieser 2010 mit Schreibmaschine eine Geschichte einer Arktisreise niederschreibt und durch Tipp-Ex-Tupfer visuell unterstreicht. Diese poetische Papierarbeit des britischen Künstlers bezeichnet Geraldine Michalke als eine ihrer Lieblingsarbeiten. Sie entscheide aus dem Bauch heraus, sagt die Sammlerin über sich. Ein Werk spreche ihr zu oder nicht, während sie selber ungerne viele Worte um die Kunst macht, sie dafür aber umso intensiver empfindet.
Das „Triptychon“ von Michael Müller zeugt von der Zeit, als sich der Kurator und Künstler intensiv mit Landkarten auseinandergesetzt hat. Von der Verteilung des Kapitals bis hin zu den Bewegungen im Erdinnern – „Fächer des Hades“ nennt er dieses Teilstück – beleuchtet er diverse Facetten des Systems der Kartographie.
Einen zweiten Bruch stellt die achtteilige Serie „Disassembly“ des polnischen Künstlers Pawel Bownik dar. Die von ihm abgelichteten Pflanzen wirken nur auf den ersten Blick heil, während sich beim genaueren Hinsehen deren Verletzlichkeit offenbart. So ist die rote Amaryllis mit gelbem Band fixiert, in den Blütenblättern kleben schwarz-gelbe Etiketten. Der Künstler hat jede der einzelnen tropischen Pflanzen zuvor in Einzelteile montiert – bei einer rosa blühenden Pflanze zeugen Zahlen auf den Blättern noch von der Rekonstruktion, während Bindfäden Stengel und Blätter in aufrechter Position halten. Die Fotos haben etwas Ambivalentes: Die Pflanzen zeigen ihre Wunden und stehen dennoch stolz und aufrecht. Es ist eine Arbeit, die berührt und gleichzeitig ermuntert.
Im Übrigen ist die Ausstellung mit einem Zitat von Franz Kafka unterlegt, das dem Programm und der Philosophie der KUNSTSAELE und der Sammlerin im Wesentlichen entsprechen dürfte:
„Es ist eine schöne und wirkungsvolle Vorführung, der Ritt, den wir den Ritt der Träume nennen. Wir zeigen ihn schon seit Jahren... und wir haben noch immer keinen Grund, den Ritt von den Programmen abzusetzen, um so weniger, als er von der Konkurrenz nicht nachgeahmt werden kann, er ist, trotzdem das auf den ersten Blick nicht verständlich ist, unnachahmbar“. (Franz Kafka, unveröffentlichtes Fragment, 1922)
Künstler_innenliste: Art & Language, Donald Bernshouse, Michael Bette, Irma Blank, Pawel Bownik, Rolf-Gunter Dienst, Gotthard Graubner, Hiroshige, Hokusai, Franka Hörnschemeyer, Channa Horwitz, Raimer Jochims, Ian Kiaer, Imi Knoebel, Philip Loersch, Vlado Martek, Nanne Meyer, Michael Müller, Carsten Nicolai, Tony Orrico, C.O. Paeffgen, Kasper Pincis, Karl Prantl, Felix Reidenbach, Gerhard Rühm, Fiene Scharp, Toyoharu, Günther Uecker, Hajra Waheed, Ruth Wolf-Rehfeldt
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