19 Uhr: mit Anna Kokalanova: Inauguration Ceremony: School of Impermanence im Rahmen der Ausstellung "Ungovernable Ingredients". silent green Kulturquartier | Gerichtstraße 35 | 13347 Berlin
Ein wundersamer Vogelzug bewegt sich in Zeitlupe über die riesige Leinwand im Kinosaal des ehemaligen Tschechischen Kulturzentrums in Berlin. Gaillards Videoprojektion „KOE“ ist eine der 39 Arbeiten von 30 KünstlerInnen, die die Julia Stoschek Collection aktuell im Rahmen der Gruppenausstellung „Jaguars and Electric Eels“ präsentiert.
Während eines Düsseldorf-Aufenthaltes im Jahr 2015 hatte der Künstler Cyprien Gaillard die grünen Exoten von seinem Hotelzimmer aus beobachtet. Diese Nachfahren entflogener Käfigvögel haben sich rund um die Mode- und Flaniermeile Königsallee niedergelassen. Eine kuriose, für „Halsbandsittiche“ indes ganz passende ökologische Nische.
Allabendlich fliegen die nachtblinden Exoten vom Hofgarten aus zum Luxusboulevard, um dort in den Platanen zu nächtigen. Das Kunstlicht der Geschäfte und Straßenlaternen bietet dem Schwarm offenkundig Schutz und Sicherheit.
Es ist genau diese Grenze zwischen Natürlichem und Artifiziellen, die sich als roter Faden durch die Ausstellung zieht. Welche Deutungsansätze der Gegenwart bieten die Künstler in ihren Werken? Welche Klassifizierungssysteme machen sie sich zunutze?
Der Ausstellungstitel, übersetzt „Jaguare und Zitteraale“, ist einem Expeditionsbericht Alexander von Humboldts entliehen. Zwischen 1799 und 1804 hatte dieser den Orinoco in Venezuela flussaufwärts befahren, um die sagenumwobene Verbindung zwischen Amazonas und Orinoco zu finden. Humboldt richtet erstmals das Augenmerk darauf, wie belebte und unbelebte Naturkräfte zusammenwirken, welche sozialen Auswirkungen der Eingriff des Menschen in die Natur haben kann. Übrigens gerade bestens nachzulesen in der kürzlich erschienen Biografie "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur" von Andrea Wulf.
Einen starken inhaltlichen Bezug zu den Nachtschwärmern von der Kö bietet die Arbeit „Mimesis as Resistance“ (2013) von Kader Attia. Auch hier steht ein ganz besonders anpassungsfähiger Vogel im Fokus: der australische Prachtleierschwanz, der als wahrer Meister der Mimikry nicht nur die Biologen fasziniert. Dieses tierische Stimmwunder vermag sowohl die Laute seiner Konkurrenten als auch den Autofokus einer Kamera täuschend echt nachzuahmen. Für Attia ein Beweis, dass „die Natur der Zivilisation immer überlegen ist“.
Und während der Besucher fasziniert dem Repertoire an Tönen des Prachtleierschwanzes lauscht, kann er seinen Blick durch die Fenster des ehemaligen Projektionsraumes herab auf die Leinwand im Kinosaal schweifen lassen.
Installationsansicht / installation view, Julia Stoschek Collection, Düsseldorf STURTEVANT, FINITE/INFINITE, 2010, Vierkanal-Videoinstallation, 3’35’’, Farbe, Ton, Dimensionen variabel/ Four-channel video installation, 3’35’’, colour, sound, dimensions variableFoto/ photo: Simon Vogel, Köln/ Cologne, Courtesy of the Estate of STURTEVANT and Julia Stoschek Collection, Düsseldorf
Es ist ein spezieller Ausstellungsort, den die Berliner Dependance der in Düsseldorf ansässigen Julia Stoschek Collection mit Schwerpunkt auf zeitbasierter Medienkunst im Juni 2016 bezogen hat. Ein Standort, der Bestand haben soll. „Mindestens fünf Jahre möchten wir bleiben und hoffen, dass der Vermieter mitspielt“, so Julia Stoschek.
Zu diesem Zweck hat die Sammlerin umbauen lassen, Räume zusammengelegt, den Keller als Ausstellungsfläche hinzugewonnen. Der Architektin Johanna Meyer Grohbrügge ist es dabei gelungen, den spröden Charme des Ostberliner Gebäudes dezent zu betonen. Entstanden ist vor allem viel, viel Raum. Raum, in dem die Arbeiten ihre volle Kraft entfalten können.
Etwa Isaac Juliens Dreikanal-Videoinstallation „True North“ aus dem Jahr 2004, in der sich der Brite auf die erste Polarexpedition bezieht, die 1909 den Nordpol erreichte. Während der Anführer, der US-Amerikaner Robert Peary später als Held gefeiert wurde, fand sein Team - der Afroamerikaner Matthew Henson sowie vier Inuits – keinen Einzug in die Geschichtsbücher.
Auf poetische Weise und mit überwältigend schönen Bildern demontiert Julien nun diesen Mythos und evoziert Fragen nach der kulturellen, sexuellen, sozialen und ethnischen Differenz. Als Drehort wählte der Künstler Island und Schweden und stellte damit unmissverständlich klar, dass es nicht in seiner Absicht lag, einen Dokumentarfilm zu drehen. Die Person des in Vergessenheit geratenen Matthew Henson wird durch eine Frau, die schwarze Schauspielerin Vanessa Myrie, assoziiert. Den traumhaften Charakter der Bilder von überwältigend Eis-und Schneelandschaften betont Julien durch eine Komposition von Paul Schütze.
Zu den Sehenswürdigkeiten der niveauvollen Ausstellung zählen auch Arbeiten aus der Frühzeit der Videokunst, so etwa von Sturtevant, die sich erst im Alter von 70 Jahren den digitalen Medien zuwandte. Oder von Bill Viola, der in „The Reflecting Pool“ (1977-79) einen Moment einfror, in dem Individuum und Natur verschmelzen.
Videostill / video still, GUAN XIAOWEATHER FORECAST, 2016Dreikanal-HD-Videoinstallation, 12’48”, Farbe, Ton/Three-channel HD video installation, 12’48”, colour, soundCourtesy of the artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin and Antenna Space, Shanghai
Ein Triptychon unser mediengeprägten Gegenwart hat der Chinese Guan Xiao geschaffen. Auf drei Bildschirmen wechseln sich Bilder aus zusammenhanglosen Kontexten, Zeiten und Kulturen rhythmisch ab. So scheint ein eigener ästhetischer Zusammenhang zu entstehen. Oder wie der Künstler es ausdrückt: „The Mirror World. The Real World. Same Impressions.“ Es könnte als Motto der gesamten Ausstellung durchgehen.
KünstlerInnen
Doug Aitken, Kader Attia, Heike Baranowsky, Trisha Donnelly, Juan Downey, Encyclopedia Pictura/Björk, Cyprien Gaillard, Ryan Gander, Manuel Graf, Cao Guimarães, Nancy Holt/ Robert Smithson, Martin Honert, Donna Huanca, Isaac Julien, Simon Martin, Nandipha Mntambo, Ana Mendieta, Paul Pfeiffer, Ben Rivers, Natascha Sadr Haghighian, STURTEVANT, Bill Viola, Guan Xiao, Anicka Yi, Aaron Young
Ausstellung JAGUARS AND ELECTRIC EELS
Laufzeit: 5. Februar bis 26. November 2017
Öffnungszeiten: Donnerstag–Sonntag, 14–20 Uhr
Julia Stoschek Collection
Leipziger Str. 60
10117 Berlin
julia-stoschek-collection.net
Titel zum Thema Julia Stoschek Collection:
Lass uns vor einem Protestvideo Fotos schießen. Ausstellung in der Julia Stoschek Collection
Dieses Wochenende letzte Gelegenheit --> Besprechung
MOCA - Museum of Contemporary Art in Los Angeles
Personalien: Julia Stoschek wird Mitglied des Board of Trustees MOCA- Museum of Contemporary Art in Los Angeles.
Seltsame Vögel – Julia Stoschek Collection eröffnet ihre zweite Ausstellung in Berlin
Ausstellungsbesprechung: Ein wundersamer Vogelzug bewegt sich in Zeitlupe über die riesige Leinwand im Kinosaal des ehemaligen Tschechischen Kulturzentrums in Berlin.
Die Julia Stoschek Collection hat neue Räume in Berlin eröffnet
Nur noch heute: WELT AM DRAHT ---> Ausstellungsbesprechung
Verein Berliner Künstler
Max Liebermann Haus
Kunsthochschule Berlin-Weißensee
a.i.p. project - artists in progress
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.