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Berlin Daily 28.04.2024
Künstlerinnengespräch + Performance

14 Uhr: mit Yalda Afsah und Sati Zech. Mod.: Julia Meyer-Brehm. Performance von Rozhina Rastgoo im Rahmen der Ausstellung "A Home for Something Unknown"(Kooperation: Haus am Lützowplatz / n.b.k.) Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin

Lass uns vor einem Protestvideo Fotos schießen. Neue Ausstellung in der Julia Stoschek Collection

von Maximilian Wahlich (19.09.2023)


Lass uns vor einem Protestvideo Fotos schießen. Neue Ausstellung in der Julia Stoschek Collection

mandla & Graham Clayton-Chance, as british as a watermelon, 2019, HD Video, 28′30″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artists.

Ich bin bei der Eröffnung der Ausstellung UNBOUND: PERFORMANCE AS RUPTURE in der Stoschek-Collection, - eine der größten Privatsammlungen für zeitbasierte Medien -, und frage mich, was das für ein Ort ist, für wen schreibe ich diesen Text. Ist er für die Künstler*innen? Sollte ich von den über 30 hervorragenden Positionen drei, vier Arbeiten (willkürlich) herauspicken? Ich kann die Werke und ihre gelungene Platzierung in den tollen Räumen hervorheben, die gute Ausstellung loben? Für Interessierte halte ich fest: Der Besuch lohnt sich. Die Positionen sind allesamt sehenswert und spannend. Allerdings sollte viel Zeit eingeplant werden. Während des Abends hat mich die Frage nach den Motiven hinter dieser Ausstellung nicht mehr losgelassen.

Mit UNBOUND: PERFORMANCE AS RUPTURE (dt.: Entfesselt: Performance als Bruch / Unterbrechung) dreht sich alles um Widerstand, Körper und Identität. Die Arbeiten der insgesamt 36 Künstler*innen sind meist direkt politisch und befassen sich mit Menschenrechten, Meinungsfreiheit und gesellschaftlichen Missständen. Themen sind Protest, Revolte und das Befremdliche (z.B. Peter Campus, Pipilotti Rist, Lutz Mommartz oder P. Staff). Viele sind empowernd, andere verstörend (z.B. VALIE EXPORT, Eleanor Antin, Sanja Iveković, mandla und Graham Clayton-Chance). Manche Arbeiten zeigen postkoloniale und queerfeministische Sichtweisen (z.B. Senga Nengudi, Ulysses Jenkins, Patty Chang, Nao Bustamante). Trotz Heterogenität und Menge soll der Eindruck einer Community entstehen, schließlich umkreisen alle mit ihren Werken eine bessere, lebenswertere Welt. Das zugehörige Schlagwort ist „Mitverschwörer*innen“ – sind die Besuchenden mit eingeschlossen? Macht mich dieser Ausstellungsbesuch jetzt politisch aktiv?


Pope.L, A.T.M. Piece, 1997, Video, 1′52″, Farbe, Ton. Videostill. Courtesy of the artist and Mitchell Innes & Nash, New York.

Diese Ausstellung will viel und verliert sich am Ende in einem riesigen show-off der umfassenden eigenen Sammlung. Einzelne – und vielleicht sogar alle Werke – weisen eine hohe künstlerische Qualität aus (z.B. Sondra Perry, Manfred Pernice, Klara Lidén, Cao Guimarães). Sie sind eigensinnig, spannend gemacht und zeigen gesellschaftliche Missverhältnisse (z.B. Mame-Diarra Niang, Panteha Abareshi, Pope.L, Lydia Ourahmane). So ist es schon einmal gut, dass mit dem Erwerb der Eintrittskarte für die gesamte Ausstellungsdauer Zutritt möglich ist. Doch im Gesamten buhlen die Werke um Aufmerksamkeit und die Themen geraten in Konkurrenz. Je Kabinett eine Arbeit und manchmal auch zwei oder drei. Doch sind die Räume gestalterisch sehr ähnlich. In der Gemengelage wird die politische Aussage undifferenziert. Sichtbar wird, gnädig interpretiert, eine Überforderung – mit den globalen Katastrophen, den Ungerechtigkeiten, den eigenen Privilegien. Scharf spekuliert, es geht gerade nicht um eine politische Haltung. Wie sollte auch die Unternehmerin (nach öffentlichen Auftritten zu urteilen, eher wirtschaftsliberal/konservativ), eine wiederum linke Subversion ehrlich vertreten können?
Heißt es nicht immer, man solle seine Ressourcen und Privilegien nutzen? Zweifelsfrei, es ist toll, wenn Kunstsammler*innen von ihrem Geld nicht nur etablierte künstlerische Positionen erwerben. Gerade die Performance- und Videokunst ist tendenziell unterfinanziert. Da also ein dickes Danke an Sammler*innen wie Julia Stoschek!
Da ließe sich mehr rausholen – auch für Stoscheks Image. Sie könnte die Ressource Raum teilen und einen der Ausstellungsräume Aktivist*innen zur Verfügung stellen. Immerhin herrscht in Berlin akuter Raumbedarf. Das wäre politisch wirkmächtig, ein starkes Statement und würde Empowerment real werden lassen. Follower*innen - Zuwachs garantiert ;)


Sondra Perry, Double Quadruple Etcetera Etcetera I & II, 2013, Zwei-Kanal-Videoinstallation, 9′, Farbe, kein Ton. Performer*innen: Danny Giles und Joiri Minaya. Videostill. Courtesy of the artist and Bridget Donahue.

Sicherlich, so eine Kooperation wäre sehr aufwändig. Stoschek müsste vermutlich an ihrem Image feilen, als Brose-Erbin ist sie nicht gerade attraktiv für linksaktivistische Gruppierungen. Eine zweite Ressource wäre Stoscheks Instagram-Account. Dort könnte sie den Künstler*innen ihrer eigenen Ausstellung eine Plattform geben.
Doch scheint ihr Account wie eine Parallelwelt, wo sie in einem schicken, ultra-poschen reichen und übersättigen Umfeld porträtiert ist. Sie braucht ein Gegengewicht in der Realität und macht eine Ausstellung in Berlin-Mitte.
Geht es bei einer solchen Ausstellung vielleicht ums Reinwaschen oder um eine simple Ökonomie: Wertsteigerung durch öffentliche Sichtbarkeit? Tatsächlich weiß ich es nicht. Julia Stoschek ist zur Eröffnung da und scheint über ihrem Event zu schweben. Die Arbeiten und ihre Aussage sind Nebensache. Was ist Widerstand für Stoschek – eine ganz private und doch für alle sichtbare Charity-Party? Ein instagramabler Abend?

Künstler*innen: Panteha Abareshi, Eleanor Antin, Salim Bayri, Nao Bustamante, Matt Calderwood, Peter Campus, Patty Chang, Julien Creuzet, Vaginal Davis, Ufuoma Essi, VALIE EXPORT, Cao Guimarães, Shuruq Harb, Sanja Iveković, Ulysses Jenkins, Joan Jonas, Stanya Kahn, Verena Kyselka, Tarek Lakhrissi, Klara Lidén, mandla, Graham Clayton-Chance, Lutz Mommartz, Senga Nengudi, Mame-Diarra Niang, Lydia Ourahmane, Christelle Oyiri, P. Staff, Manfred Pernice, Sondra Perry, Howardena Pindell, Pope.L, Pipilotti Rist, Katharina Sieverding, Akeem Smith, Gwenn Thomas

Öffnungszeiten
Samstag und Sonntag, 12–18 Uhr

UNBOUND: PERFORMANCE AS RUPTURE
14. SEPTEMBER 2023 – 28. JULI 2024

JSF Berlin
Leipziger Straße 60 (Eingang über Jerusalemer Straße)
10117 Berlin

jsfoundation.art

Maximilian Wahlich

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