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Berlin Daily 10.12.2024
Künstler*innengespräch

19 Uhr: mit Professorin für Medienkunst an der HGB Leipzig, Christin Lahr und den Künstler*innen der Ausstellung "Crimes of Carelessness (the deep and the foamy)" (engl.). VILLA HEIKE | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin

Von Marzahn-Hellersdorf lernen

von Olga Potschernina (13.10.2017)
vorher Abb. Von Marzahn-Hellersdorf lernen

Detailansicht: Jeppe Hein, „Reflecting Gardens“, Foto: Olga Potschernina

Verwinkelte Wege zwischen Blumen, Wiesen und Pavillons bieten die Gärten der Welt mit der diesjährigen Internationalen Gartenausstellung Berlin 2017 (IGA). Bei einem Spaziergang durch die blühende Szenerie stoßen Besucher auf neun künstlerische Positionen, die Teil des Projektes „Sichten einer Landschaft“ (13.04. - 15.10.2017) sind. „Was verbindet ihr mit dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf? “ fragte die Kuratorin Katja Aßmann die ausgewählten Künstler. Das Ergebnis ist die Ausstellung, welche bei einem entspannten Spaziergang zwischen Natur und Kunst gesehen werden kann.

Es geht über kleine Pfade, zwischen einem langsam wachsenden Blütenmeer und verzierten Pavillons zu der Installation „Reflecting Gardens“. Der Künstler Jeppe Hein (*1974 Kopenhagen) beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Individuum an sich und seinem Verhältnis zur Umwelt. Ein glitzerndes, reflektierendes Labyrinth leuchtet dem Fußgänger entgegen. „Wie oft reflektieren wir über uns? Fragen uns selbst: wie geht’s dir? Man muss lernen auf sich zu hören, mit sich umgehen zu können. Erst dann kann man andere Menschen, andere Kulturen verstehen.“ Der Künstler fordert auf, sich Zeit zu nehmen, durch das runde Labyrinth aus Spiegeln hindurchzugehen, das Handy auszulassen und den Moment zu genießen. „Der Duft der Pflanzen, bei jedem Schritt anders“ - sagt Jeppe Hein. Die Spiegel reflektieren unvermutete Winkel, oft erblickt man jemand Fremden statt der zu erwartenden eigenen Reflexion - der überraschende Moment, von dem der Künstler spricht.


Detailansicht: Martin Kaltwasser, „Los Angeles Garden“, Foto: Olga Potschernina

Auf einem weiteren Fußweg erreicht man die Arbeit von Martin Kaltwasser (*1965 Münster). Seine Werke sind im Bereich der Bildhauerei, Design und Performance angesiedelt. Für die IGA schuf er einen „klassischen Sehnsuchtsort“ und stellte sich dabei die Frage „Wie werden Sehnsüchte generiert?“. Heraus kam eine getreue Nachbildung eines Parkplatzes in Los Angeles. Drei Autos parken hier, auch der Mensch findet seinen Rückzugsort: Eine Oase mitten in der Asphaltwüste - der „Los Angeles Garden“. Es ist eine Grünfläche mit künstlichen Palmen und Bänken - eingegrenzt von einem amerikanischen Zaun, den der Künstler selber nachbauen musste, weil in Deutschland andere Zäune Grenzen markieren. Das entstandene Werk ist ein verschachteltes Bild im Bild - ein kleiner Garten inmitten eines Parkplatzes, inmitten eines riesigen Gartens, umringt von Besucherparkplätzen. Martin Kaltwassers Arbeit steht für menschliche Bedürfnisse. Der eine sucht einen ruhigen Rückzugsort inmitten der Stadt, der andere will die Berühmtheiten von Santa Barbara nah erleben - Marzahn will nicht nur auf seine Neubauten reduziert werden.

Angrenzend an diesen Rückzugsort befindet sich die Station der IGA-Seilbahn - die erste in Berlin seit 50 Jahren nach der IBA-Seilbahn im Hansaviertel. Sie bietet eine einmalige Gelegenheit nach der Eröffnung der IGA, am 13.4., den erblühten Park von oben zu sehen und dabei in einer der Gondeln in die Höhe auf bis zu 25 - 30 Meter zu steigen.

Zunächst geht es aber weiter. Um zu der Arbeit von Janet Laurence (*1947 Sydney) zu gelangen, kommt man an dem Sonderausstellungsbereich “Horizonte” vorbei, welche in Zusammenarbeit mit Partnern der Bereiche Ernährung, Urban Tech, Experimentierfelder und Well-Being entstanden sind. Hierbei geht es um die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen.


Detailansicht: Janet Laurence, „Inside the Flower“, Foto: Olga Potschernina

Janet Laurence zählt zu den wichtigsten australischen Bildhauerinnen. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Themen der Naturkunde. Für die IGA baute sie als einen Ort des Schaffens und Erklärens, einen begehbaren Glaspavillon. „Deutschland hat in meinen Augen ein enges Verhältnis zu Pflanzen und deren Nutzung für medizinische Zwecke.“ - sagt Janet Laurence. Es steckt viel Recherche, eine Reihe von Interviews und eine Kooperation mit dem Botanischen Museum der Freien Universität Berlin hinter der Arbeit „Inside the Flower“. Die Künstlerin möchte: „ … im riesigen Park der IGA einen kleinen, fragilen Ort mit vielen Elementen zum Anschauen schaffen.“ Im Inneren des Glaspavillons finden sich wie in einem Labor, Pflanzenteile wie zum Beispiel Samen - von der Decke tropft Wasser, welches über durchsichtige Schläuche an die Pflanzen verteilt wird. Draußen kann man den Pflanzen beim Wachsen zusehen. Es sind viele gefährliche dabei, sie wirken toxisch und sind aufgrund ihrer Pracht oft in privaten Gärten zu finden - wie jeder Kleingärtner weiß.

Aus dem Bereich der Kleingärtner sind Gartenzwerge nicht wegzudenken, und figürliche Skulpturen aus der Märchenwelt sind auch ein Thema bei Anna Rispolis (*1975 Bassano del Grappa) Arbeiten, die sich im Rahmen der darstellenden und bildenden Kunst bewegen. Die Künstlerin beschäftigt sich in ihrer Installation „Nicht alle Geschichten sind erzählt...“ mit den bekannten Märchenfiguren des Bildhauers Gorch Wenske. Die Figuren sind seit Jahren Teil der Gärten der Welt und für viele Besucher dieses Ortes symbolträchtig. Die Künstlerin verliebte sich in sie und installierte einen eigenen Märchenwald für Schneewittchen, den kleinen Muck und viele andere. Doch bevor das geschah, ließ sie die Figuren noch an Lebenserfahrung sammeln - sie überreichte sie an Paten aus dem Bezirk, welche ihnen den Winter über ein Zuhause gaben. Dabei interessierte sich Rispoli für die Geschichten der Paten - seien es Privathaushalte oder öffentliche Schauplätze, an denen die Märchenfiguren einen Platz fanden. Die Erzählungen verarbeitete sie in Songs - Gesang, Klang, Instrumente. Entstanden ist ein verwunschener kleiner Fleck, ein Märchenwald, mit Figuren, die von einem Klangteppich umhüllt werden.

Zur Eröffnung installierte außerdem Michael Sailstorfer (*1979 Velden) sein Werk “Factories” am Fuße des Kienbergs: drei Bienenkästen aus Beton, jeder innen ausgestattet mit einem Skulpturenmodell. Der Verein Wuhletahl 1864 e.V. Brandenburger Imker lieh dem Künstler Bienenvölker, welche mit äußerster Vorsicht in ihr ungewöhnliches Zuhause Einzug fanden. Über Monate hinweg veränderte sich das Modell im Inneren durch den natürlichen Arbeitsprozess der Bienen, die ihre Waben um das Objekt bauten - Ende Juli wurden die Modelle aus den Bienenkästen genommen. Langsam kamen die einzigartigen Werke hervor - erste Formen zeigten sich, wie die Skulptur, die einem riesigen Handschuh ähnelt. Die Bienen haben offensichtlich Besitz von dem Skulpturenmodell ergriffen und es verformt. Als finaler Schritt werden die Ergebnisse vom Künstler übrigens in Bronze gegossen.

„Herzlich Willkommen bei unserer Mini-documenta“ begrüßte die IGA-Geschäftsführerin Katharina Lausch zum Anfang lachend das Pressepublikum. Internationale Künstler treffen sich hier und schaffen durch ihre Kunst ein gemeinsames Kunstwerk: begehbar, haptisch, erfahrbar. In diesem Sinne: Von Marzahn-Hellersdorf lernen.

Künstlerliste:

Erik Göngrich
Jeanne van Heeswijk
Jeppe Hein
Martin Kaltwasser
Georg Klein
Janet Laurence
Seraphina Lenz
Anna Rispoli
Michael Sailstorfer

Öffnungszeiten:
täglich: 9.00 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit

Gärten der Welt
Eisenacher Str. 99
12685 Berlin
https://iga-berlin-2017.de/kunst

Olga Potschernina

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Titel zum Thema IGA Berlin 2017:

Von Marzahn-Hellersdorf lernen
Am Sonntag, 15. Oktober 2017, schließt die IGA Berlin 2017 ihre Pforten. Über das in diesem Rahmen stattfindende Ausstellungsprojekt "Sichten einer Landschaft" berichteten wir Folgendes:

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