19 Uhr: mit Professorin für Medienkunst an der HGB Leipzig, Christin Lahr und den Künstler*innen der Ausstellung "Crimes of Carelessness (the deep and the foamy)" (engl.). VILLA HEIKE | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin
Seit Freitag ist im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien die Ausstellung „Born in the Purple“ zu sehen. Der Titel ist die Übersetzung des griechischen Wortes „Porphyrogennetos“ und verweist auf eine Tradition in der byzantinischen Dynastie, der zufolge jenes Kind das Recht auf die Thronfolge hat, das während der Herrschaft seines Vaters in der mit Porphyr verkleideten Kammer des Großen Palastes in Konstantinopel (heute Istanbul) geboren wurde. Das Thema der privilegierten Herkunft und die Hinterfragung von Machtstrukturen klingen damit bereits im Titel an.
In der Ausstellung sind zwölf neue Arbeiten des in Berlin und Istanbul lebenden Künstlers Viron Erol Vert (geb. 1975) zu sehen. Es ist die erste Einzelschau im Kunstraum Bethanien seit zehn Jahren, wie der Leiter Stéphane Bauer am Eröffnungsabend erklärte. Obwohl, eigentlich sei es durchaus ein Gruppenprojekt, wird die Ausstellung doch von dem umfangreichen Programm „Porphyra Club“ begleitet, das mit Konzerten, Screenings, Vorträgen und offenen Talks aufwartet. Die Idee ist es, brisante Fragen wie „Wer hat das Recht zu regieren?“, „Wer hat das Recht zu bleiben?“ und „Wer hat das Recht Zuflucht zu finden?“ mit den Besucher*innen demokratisch zu diskutieren.
Die von Melina Gerstemann und Didem Yazıcı ko-kuratierte Schau entführt in eine sehr sinnliche Welt voller Teppiche, Vorhänge und in grünes und purpurnes Licht getauchter Räume. Ausgangspunkt ist die Wohnung, in der Vert aufwuchs und die sich im Istanbuler Stadtteil Osmanbey befand – einem Viertel, das hauptsächlich von nicht-muslimischen Minderheiten bewohnt wurde. Die verwendeten Objekte stammen entweder direkt aus dieser Wohnung oder sind davon inspiriert. So bekommt die Ausstellung gleichzeitig einen heimeligen als auch sakralen Touch, wenn die Besucher*innen beim Betreten der Räume ihre Schuhe ausziehen müssen, um die Teppiche nicht zu beschmutzen. Inhaltlich beschäftigen sich die Installationen und Video-Arbeiten mit Kindheitserinnerungen und eröffnen Fragen nach Herkunft, Zugehörigkeit und Autorität. Als Teil der griechischen Minderheit war Vert immer wieder mit sprachlichen Verwirrungen und Missverständnissen konfrontiert, die häufig titelgebend für die Werke sind. Die Lichtinstallation „Limonu sık/ Limonu sik“ erzählt beispielsweise von dem Konflikt zwischen der griechischen Urgroßmutter des Künstlers und ihrem türkischen Dienstmädchen. Es rührt vom dem kleinen phonetischen Unterschied zwischen „i“ und „ı“ her, der die Bedeutung der Anweisung „Drück die Zitrone“ in „Fick die Zitrone“ umwandelt. Die Arbeit mit dem vielsagenden Titel „Entschuldigen Sie, sind Sie Türke?“ besteht aus einem mit Fußabtretern ausgelegten Raum, die allesamt mit Schwarz-Weiß-Bildern in kitschig-orientalisierenden Rahmen bedruckt sind. Auf diesem Fleckenteppich steht an zentraler Stelle eine zu einem Springbrunnen umfunktionierten Hocktoilette. Unweigerlich hat man die Assoziation einer Istanbuler Version von Marcel Duchamps "Fountain", auch wenn unklar bleibt, wie dieser Verweis zum Thema der Ausstellung passt.
Zu der Ausstellung liegt eine Zeitung als Guide aus, die zwar äußerst unhandlich daherkommt, aber einen Blick hinein lohnt. Neben einem das Konzept der Ausstellung erklärenden Einführungstext von Yazıcı finden sich darin auch persönliche Anekdoten des Künstlers zu den jeweiligen Werken, die seine Familiengeschichte auf sprachlicher Ebene verhandeln. Diese Texte lenken und ergänzen die Wahrnehmung der Arbeiten, auch wenn sich ihre Verbindung zu den Installationen nicht immer erschließt und diese dadurch in einigen Fällen rätselhaft bleiben. Neben humoristischen Erzählungen gibt es unter diesen Anekdoten auch Informationen über die Unterdrückung von Minderheiten, Zwangsemigration oder Erniedrigungen wie etwa die Vermögenssteuer (wörtlich übersetzt: „Existenzsteuer“), die nicht-muslimische Bürger*innen in Istanbul verrichten mussten. Viron Erol Vert als Geschichte(n)erzähler also.
„Born in the Purple“ und das dazugehörige offene Forum „Porphyra Club“ sind noch bis 27. August zu besuchen. Auf Basis von persönlichen Erinnerungen - übersetzt in Installationen, die mehrere Sinne ansprechen - werden hier hochaktuelle und politische Themen verhandelt, die weit über Lebensverhältnisse nicht-muslimischer Minderheiten in Istanbul im 20. Jahrhundert hinausreichen.
„Born in the Purple. Ausstellungsprojekt von Viron Erol Vert“
24. Juni bis 27. August 2017
Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin-Kreuzberg
tägl. von 11 – 20 Uhr, Eintritt frei
Infos zur Ausstellung und zum Programm von „Porphyra Club“ unter:
kunstraumkreuzberg.de/programm.html
Titel zum Thema Viron Erol Vert :
Wer hat das Recht zu regieren? Wer hat das Recht zu bleiben? Wer hat das Recht Zuflucht zu finden?
Ausstellungsbesprechung: Viron Erol Vert geht in seiner Ausstellung „Born in the Purple“ Fragen nach Zugehörigkeit und Machtverhältnissen auf den Grund.
Kommunale Galerie Berlin
Haus am Lützowplatz
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
ifa-Galerie Berlin
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf