19 Uhr: Archivpräsentation. Werner Heegewaldt (Direktor des Archivs der AdK). Lesung mit Erdmut Wizisla (Literaturwissenschaftler) und Mathias Bertram (Kurator). Galerie Pankow | Breite Str. 8 | 13187 Berlin
Ein Gedicht über einen Tauchgang. Der Israel-Palästina-Konflikt. 9.000 Jahre alte Masken aus dem 3D-Drucker. Die Suche nach zerstörten Dörfern. Pinien und Kakteen als Wegweiser. Für ihre außergewöhnlich dichte und tiefgehende Arbeit „And Yet My Mask is Powerful“, die der Kunstverein in Hamburg seit Freitag zeigt, betreiben Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme künstlerische Forschung, besuchen Original-Schauplätze und dokumentieren ihre Ergebnisse in unterschiedlichen Medien. Das Resultat sind zwei Ausstellungsräume. Der eine Raum umfasst ein immersives 5-Kanal-Video, das eine Gruppe junger Menschen zeigt, die sich durchs Dickicht bewegen und überwucherte Gebäudereste aufsuchen. Schnelle Schnitte und das Filmen mit Handkameras machen es den Betrachter*innen schwer, sich zu orientieren. Dröhnender Electronic-Sound überträgt das Gefühl der heimlichen (und wie wir später erfahren meist illegalen) Erkundungstouren auf das Publikum. Die Menschen in dem Video bleiben anonym, sie sind entweder nur von hinten zu sehen oder tragen schwarze Masken, die dem Geschehen den Anschein eines Rituals geben. Dazu werden englische und arabische Textfragmente in roter Schrift eingeblendet: „I came to explore the wreck and not the story of the wreck. The thing itself and not the myth.“ Die Zitate finden sich in dem Gedicht „Diving into the Wreck“ der feministischen Autorin Adrienne Rich aus den 1970er-Jahren, in dem sie das Eintauchen unter die Meeresoberfläche und Erkundung eines Schiffwracks beschreibt. Das Gedicht als Metapher für Erkundung, Aneignung und Wiederbelebung war Ausgangspunkt für das Projekt von Abbas und Abou-Rahme, aus dem auch der Titel stammt: „First the air is blue and then it is bluer and then green and then black. I am blacking out and yet my mask is powerful“.
Der zweite Raum der Ausstellung, der nach dieser Passage des Gedichtes farblich in sattem Dunkelblau gehalten ist, bringt Orientierung in die Arbeit: Ähnlich einem Archiv präsentieren Abbas und Abou-Rahme, die beide in New York und Ramallah leben, die in dem Video gezeigten Masken sowie zahllose Notizen, Fotos, Screenshots, Assemblagen und getrocknete Pflanzen. Wir begeben uns analog zur Vorgehensweise des Künstler-Duos auf Spurensuche und erfahren, dass es sich bei den Ruinen um die Überreste einiger von insgesamt mehr als 400 palästinensischen Dörfern handelt, die von der israelischen Armee 1948 zerstört wurden. Die Masken sind 3D-gedruckte Nachbildungen von 9.000 Jahre alten Artefakten, die 2015 in einer Ausstellung im Israel Museum zu sehen waren. Abbas und Abou-Rahme vervielfältigen diese neolithischen Masken und entheben sie dem musealen Kontext, um damit die ehemaligen Dörfer von jungen Palästinenser*innen wiederzubeleben. Die Pflanzen als zweite Protagonisten der Videoarbeit zeugen ebenso von dem ambivalenten Zustand der Dörfer zwischen tot und lebendig. Für die Suche nach den versteckten Orten war die Vegetation ein wichtiger Marker, weil Kakteen als Ortsgrenzen und Pinien nach der Zerstörung zur Verdeckung der Wege gepflanzt wurden. So hält eine handgeschriebene Notiz etwa fest: „Seeing cactus is the most trusted sign that we are approaching“.
Neben ihrer offensiv politischen Positionierung im Israel-Palästina-Konflikt geht die vielteilige Arbeit auf poetische Weise sowohl museologischen als auch ethno-historischen Fragestellungen nach. Was bedeutet die Präsentation von neolithischen Masken im israelischen Nationalmuseum vor dem Hintergrund des Konfliktes? Was passiert, wenn sie ihrem prähistorischen Kontext enthoben und Teil einer zeitgenössischen Auseinandersetzung werden? Wem gehören diese Masken und wessen Geschichte erzählen sie? Analog zu Richs Gedicht verhandeln Abbas und Abou-Rahme äußerst eindrucksvoll Themen rund um Zerstörung und Wiederbelebung, wobei sämtliche Komponenten ein verwobenes Netz bilden und Assoziationen anstoßen.
Die Ausstellung kann bis 29.4. besucht werden. Bis 18.02. ist im Obergeschoss des Kunstvereines außerdem die Arbeit „Bruckstücke/Fragments“ von Rayyane Tabet zu sehen, die ebenfalls auf Basis von künstlerischer Forschung die Geschichte von Tabets Großvaters vor dem Hintergrund der Provenienzgeschichte von syrischen Kulturgütern aufarbeitet.
„And Yet My Mask is Powerful“
3.2. – 29.4.2018
Kunstverein in Hamburg
Klosterwall 23, 20095 Hamburg
T +49 40 32 21 57
F +49 40 32 21 59
kunstverein.de
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag und an Feiertagen 12 – 18 Uhr
Eintritt: 5€, ermäßigt 3€
Titel zum Thema Kunstverein in Hamburg:
Eine Spurensuche auf vielen Wegen – Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme im Kunstverein in Hamburg
Nur noch heute: Von einem Ausflug nach Hamburg: Ein Gedicht über einen Tauchgang. Der Israel-Palästina-Konflikt. 9.000 Jahre alte Masken aus dem 3D-Drucker. Die Suche nach zerstörten Dörfern. Pinien und Kakteen als Wegweiser.
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