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Angst macht Angst - Uncanny Valleys of a Possible Future

von Olga Potschernina (22.03.2018)
vorher Abb. Angst macht Angst - Uncanny Valleys of a Possible Future

Teun Vonk, Foto: Camille Blake

Beitrag als Audio


Mit der Angst ist es so eine Sache, fast jeder kennt sie, keiner begegnet ihr gerne und egal, ob gesellschaftspolitisch oder individuell, verursacht Angst innerlichen Aufruhr. Das englische Wort Turmoil (Aufruhr) war auch das Thema des diesjährigen CTM - Festivals in Berlin: 10 Tage, die den unterschiedlichen künstlerischen Positionen der Sound und Club Kultur gewidmet waren und in dessen Rahmen die Ausstellung „Uncanny Valleys of a Possible Future“ (noch bis 2. April 2018) im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien stattfindet. Die Künstler untersuchen in der Ausstellung Probleme und Disharmonien der Gegenwart und nehmen sich einer beklemmenden Vision der Zukunft an.


Teun Vonk, Foto: Olga Potschernina

Momente der Angst bewusst wahrnehmen und in etwas Positives umwandeln, damit beschäftigt sich die Installation „The Physical Mind“ von Teun Vonk. „Wir sind uns unserer Körper im Alltag kaum mehr bewusst. Der Druck auf unseren Körpern erzeugt Stress und Ängste. Die Arbeit soll uns die Möglichkeit geben, uns wieder mit unserer Seele und unserer Umwelt zu verbinden.“, so Vonk.
Zwei schlaffe Kissen, die an aufblasbare, jedoch luftleere Boote erinnern, hängen in einer Apparatur, eines liegt auf dem Boden, das andere schwebt darüber. Besucher können sich mit ausgestreckten Armen und zur Seite gedrehtem Kopf auf das weiße Kissen legen und werden durch das Aufblasen innerhalb von Sekunden in die Höhe gehoben. Gleichzeitig wird das obere Kissen mit Luft befüllt, bis der Mensch sich eingeengt zwischen beiden wiederfindet. Durch die konvexe Form des Kissens drückt es besonders intensiv auf den Brustbereich. Ein Gefühl der Beklemmung wird ausgelöst, was sich nach kurzer Zeit schon entspannt und einer intensiven Umarmung gleicht. Sobald die Luft wieder rausgelassen wird, soll sich ein Gefühl der Erleichterung einstellen, das Bewusstwerden des eigenen Körpers und die gesteigerte Konzentration, lassen dieses Erlebnis im Positiven zurück.


Zorka Wollnys und Andrzejs Wasilewski, Foto: Camille Blake

Ein Überreizen der Empfindungen findet auch bei Zorka Wollnys und Andrzejs Wasilewskis Arbeit “Duel” statt. Politische Zerwürfnisse resultierend aus Terror, Protest, Kontroversen oder diktatorischen Tendenzen, interpretieren die Künstler mit dem Entladen von Stromblitzen aus einer installierten Teslaspule. Untermalt werden die Explosionen aus lilafarbenen Blitzen durch Aufnahmen von zwei widerstreitenden Vokalistinnen. Der auf der Bühne angebrachte Faradaysche Käfig wirkt erschreckend und gefährlich, die Laute aus Aufnahme und der Blitzentladung erzeugen ein fast unerträgliches Gefühl von Beklemmung - Erinnerungen an das unangenehme Kratzen von Fingernägeln auf der Schultafel werden wach, nur jetzt 10 Oktaven höher und 100 mal lauter. Lange kann man das Schauspiel nicht ertragen.


Peter Flemming, Foto: Camille Blake

Etwas ruhiger geht es im Wunderkabinett von Peter Flemmings “Spiderlogic” zu, der sich politischen Systemen widmet, die das normale Leben durchdringen und irritieren. Er setzt sich mit natürlichen und technologischen Ökologien auseinander, die hier intuitiv und experimentell betrachtet werden. Alltagsgegenstände wie Leitern oder Schubkarren hängen gleich erschöpften Lebewesen von der Decke, Deckel von Farbtöpfen an Holzstäben befestigt bewegen sich in einer automatisierten Installation wie Beile, die Fleisch in Stücke hauen wollen. Überall sind Apparaturen angebracht, die Geräusche erzeugen - ein Klingeln, ein Klopfen, ein Kratzen, plötzlich geht irgendwo ein Licht an. Langsam bewegt man sich zwischen den aus dem Leben gerissenen Gegenständen, aus Angst etwas versehentlich umzustoßen und ungewollt in die empfindliche Konstruktion einzugreifen.


ZULI, Foto: Camille Blake

Gegenüber befindet sich einer kleiner Raum, der mit einem Rundblick aufwartet. Eine Reihe aus audiovisuellen 360°- Vignetten von CTM 2018 Radio Lab Gewinner ZULI, zeigt den hektischen und überspannten Alltag in seiner Heimatstadt Kairo. Das Video gibt einen Einblick in die laute Metropole, der Zuschauer nimmt Gesprächsfetzen, die die Sorgen der Menschen wiedergeben, wahr. Die bewegten Bilder sowie eigene musikalische Kompositionen vermitteln ein Gefühl des Aufruhrs - eine Stadt, die von explosiver Spannung beherrscht scheint, unberechenbar, unkontrollierbar, chaotisch.

Die Möglichkeit zum entspannten Flanieren ist bei „Uncanny Valleys of a Possible Future“ nicht unbedingt gegeben. Wie aber auch die Arbeit „The Physical Mind“ von Teun Vonk die Veränderung von Empfindungen suggeriert, fühlt man sich nach dem Besuch der Ausstellung entspannter, konzentrierter und irgendwie auch gestärkt.

Künstler: Frédérick A. Belzile, Guy Ben-Ary, Jessica Ekomane, Peter Flemming, Lawrence Lek, Teun Vonk, Anne de Vries, Zorka Wollny & Andrzej Wasilewski, ZULI.

Ausstellungsdauer: 27. Januar bis 2. April 2018

Kunstraum Kreuzberg / Bethanien
mariannenplatz 2
10997 berlin
u-bahn kottbusser tor

tel.:030/90298-1455
kunstraumkreuzberg.de/start.html

öffnungszeiten:
täglich: 11 - 20 uhr

Olga Potschernina

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Titel zum Thema Kunstraum Kreuzberg / Bethanien:

Grenzenloses Berlin: Dokumentationen der Widersprüchlichkeit
letztes Wochenende: “Poröse Stadt: Grenzgänge des Urbanen” im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien mit den Phänomenen und Eigentümlichkeiten der Hauptstadt.

Angst macht Angst - Uncanny Valleys of a Possible Future
Nur noch bis morgen ...

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