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Von Robotern, Avataren und inneren Organen – „Blind Faith“ im Münchner Haus der Kunst

von Anna Wegenschimmel (17.08.2018)
vorher Abb. Von Robotern, Avataren und inneren Organen – „Blind Faith“ im Münchner Haus der Kunst

Installationsansicht/ Installation view,
Cécile B. Evans, Sprung a Leak, 2016,
Haus der Kunst, 2018, Foto: Maximilian Geuter


Im Münchner Haus der Kunst geht derzeit eine Ausstellung der Frage nach, wie der Körper, seine subjektiven Empfindungen sowie digital konstruierte Körperlichkeit in zeitgenössischen Werken zum Protagonisten avancieren. In zwölf Räumen des monumentalen Gebäudes aus der NS-Zeit versammelt die Schau „Blind Faith: Zeitgenössische Kunst zwischen Intuition und Reflexion“ Werke von 28 Künstler*innen. Die Liste der Beteiligten liest sich dabei wie ein Who is Who der Gegenwartskunst, deren Namen großteils durch internationale Großausstellungen bekannt sind.


Mariechen Danz, Knot in Arrow: Ore Oral Orientation, 2017,
Performance, Viva Arte Viva, curated by Christine Macel, 57. Biennale di Venezia,
(film still), Courtesy Mariechen Danz


Die in Berlin lebende irische Künstlerin Mariechen Danz eröffnet die Schau mit ihrer Rauminstallation „Womb Tomb“, deren Zentrum ein wie auf dem Seziertisch aufbereiteter Körper mit freigelegten Organen bildet: Wissensaneignung durch und am Menschen. Eingetaucht in warmes orange-rotes Licht vermittelt der Raum eine Atmosphäre, die an den embryonalen Zustand in der Gebärmutter sowie an das Sakrale bei Grabstätten denken lässt. Der Mensch als Untersuchungsgegenstand steht auch im Zentrum von Mary Reid Kelleys Videoarbeit „This is Offal“ aus dem Jahr 2016. Die Betrachter*innen werden zu Zeug*innen einer surreal anmutenden, in schwarz-weiß gezeigten Szene: der Körper eines weiblichen Selbstmordopfers wird für die Autopsie vorbereitet, während ihre Organe darüber debattieren, wie es zu diesem tragischen Ende kommen konnte. Suizid ist auch Ausgangspunkt für Raphael Sbrzesnys Installation „Principal Boy“. Der deutsche Komponist und Performer verhandelt mittels Videos und Stahlskulpturen die Pariser Terroranschläge vom 13. November 2015 aus der Perspektive der Selbstmordattentäter. Er geht der Frage nach, welcher soziale Druck einen Menschen dazu bewegt, nicht nur sich selbst, sondern auch ihn umgebende Menschen zu töten. Darüber hinaus thematisieren die Beiträge körperliche Erfahrungen in der Musik (David Zink Yi), alternative Lebens- und Heilmethoden (Melanie Bonajo), den Körper in Ekstase (Jeremy Shaw), den psychisch kranken Körper (Kader Attia) oder Masturbation als Selbsttherapie (Andrea Éva Györi).

Das mediale Spektrum der Ausstellung reicht von Gemälden über Skulpturen, Installationen, Performances, Videoarbeiten zu Collagen und Wandteppichen; von Hanne Lippards Sound-Installation mit Tipps zur körperlichen Selbstoptimierung, wie sie nur die Tiefen des Internets bieten kann, bis zu Cécile B. Evans´ automatisiertem Science-Fiction-Theaterstück „Sprung a Leak“ rund um die Beauty-Bloggerin Liberty und die beiden humanoiden Roboter Plot A und Plot B.


Ed Atkins, Safe Conduct, 2016,
3 channel HD video with sound, film still, 9:05 min,
Courtesy the artist, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin, Cabinet Gallery, London, Gavin Brown’s Enterprise, New York, Rome and dépendance, Brussels


Die Ausstellung endet, ebenso technisch versiert, mit Computeranimationen von Jon Rafman und Ed Atkins, die wie gewohnt verstörend daherkommen. Während Rafman in „Poor Magic“ sein Publikum auf Stühlen in Fleischoptik Platz nehmen, während er sie Gewalthandlungen an computergenerierten Menschenmassen ansehen lässt, kreiert Atkins einen Avatar, der bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nicht nur seine Waffe, sondern auch Körperteile wie Hände und Gesicht abnimmt und in die Plastikbehälter legt. Zur 3-Kanal-Installation ertönt laut Maurice Ravels Orchesterstück „Bolero“, das die Besucher*innen akustisch noch bis hinaus in die Mittelhalle des Museums begleitet.

Einmal draußen, fragt man sich, inwiefern die gesehenen Werke mit ihrem offensichtlichen Körper-Schwerpunkt nun in Beziehung mit dem betitelten „Blinden Vertrauen“ gebracht werden können. Auch der Einführungstext wird einem dabei nicht wirklich weiterhelfen, vielmehr führt er mit seinem Hinweis „Die Welt wird digital vermittelt.“ noch weiter in die Irre: Wer sich aufgrund dessen eine Aufarbeitung von Themen wie etwa Fake News oder Gesichts- und Kontrollverlust im Internet erwartet, wird sich wundern – diese Verknüpfung ist nur recht lose an wenigen Beispielen nachzuvollziehen. Wer den Titel allerdings nicht allzu ernst nimmt und sich unabhängig davon auf die einzelnen Werke einlässt, hat einen erkenntnisreichen Museumsbesuch vor sich.

„Blind Faith. Zeitgenössische Kunst zwischen Intuition und Reflexion“
kuratiert von Julienne Lorz, Daniel Milnes und Anna Schneider
02.03. bis 19.08.18
Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1, 80538 München
https://hausderkunst.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag 10 Uhr bis 20 Uhr
Donnerstag 10 Uhr bis 22 Uhr

Eintritt: 14€ / erm. 12 €

Zur Ausstellung erscheint im Mai 2018 ein Katalog.

Anna Wegenschimmel

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