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Kunstbetrachtung im Kollektiv – Das Phänomen „Junger Freundeskreise“

von Anna Wegenschimmel (26.07.2018)
vorher Abb. Kunstbetrachtung im Kollektiv – Das Phänomen „Junger Freundeskreise“

Foto: kuag

Museen werden immer mehr zu Eventmaschinen, das ist kein Geheimnis. Seit einigen Jahren steigt die Tendenz, sich Ausstellungen nicht mehr alleine beim privaten Museumsbesuch anzusehen, sondern im Rahmen unterschiedlichster Arten von Veranstaltungen. Kunst als Kollektiverfahrung. Fraglich ist dabei, was zuerst da war: die Nachfrage seitens der Besucher*innen oder das Angebot seitens der Ausstellungshäuser. Zu dem traditionellen Format der Vernissage gesellen sich zunehmend Parties, Dinner in Museen, oder auch höchst kuriose Auswüchse dieser Entwicklung, wie etwa Yoga oder Speed-Dating in den Hallen – worauf die Menschheit wohl getrost verzichten könnte.

Vielfältige Kunstvermittlungsangebote, bei denen Kunstbetrachtung und Austausch darüber im Vordergrund stehen, sind dagegen richtig und wichtig. Dialoge auf Augenhöhe, um das Klischee vom Museum als elitären, verstaubten Ort aufzubrechen. Erfreulicherweise wird auch hier das Angebot immer zielgruppenspezifischer, was meist zur Qualität dieser Vermittlungsprojekte beiträgt. Know your audience! Auf die Lücke zwischen Angeboten für Kinder einerseits und Senior*innen andererseits reagieren beispielsweise zahlreiche Junge Freundeskreise, die sich explizit dem kunstinteressierten Publikum zwischen 18 und 35 Jahren verschreiben. Nach einem regelrechten Gründungsboom in den 2000er-Jahren führt der bundesweite Zusammenschluss „Junge Freunde Kunstmuseen“ mittlerweile 28 Einrichtungen, die einen Jungen Freundeskreis etabliert haben. In Berlin bilden fünf an Museen gekoppelte Junge Freundeskreise Teil des 2017 gegründeten „Netzwerks Junger Kulturvereine Berlin“: Jung und Artig (Berlinische Galerie), Junge Kaiser (Gemäldegalerie & Bode-Museum), Stoberkreis (Nationalgalerie), Junge Freunde des Jüdischen Museums und Die Fritzen (Preußische Schlösser & Gärten). Für Museen stellt genau diese Altersgruppe naturgemäß eine wichtige Zielgruppe dar, handelt es sich dabei doch um potentielle zukünftige Fördermitglieder, deren persönliche Verbindung zur Institution es aufzubauen gilt. Der jährliche Mitgliedsbeitrag reicht dabei von recht erschwinglichen 25/30€ (Jung und Artig, Die Fritzen) bis hin zu sehr exklusiven 325€ (Stoberkreis). Mitunter spielen selbst die Jungen Freundeskreise bereits eine mäzenatische Rolle – die Mitglieder von PIN. Young Circle (Pinakothek der Moderne) etwa kaufen einmal jährlich ein Kunstwerk einer jungen Künstlerin oder eines jungen Künstlers und prägen so die Sammlung ihres Stammhauses nachhaltig mit.

Daneben gibt es aber auch Vereine, die nicht an eine bestimmte Institution gebunden sind, sondern sich ausschließlich der Vermittlung von Kunst verschreiben. So etwa die 2007 gegründete, gemeinnützige Organisation der Jungen Meister, die mit nur 10€ Mitgliedsbeitrag die finanzielle Schwelle besonders niedrig hält. Ein bis zwei Mal pro Monat laden die ehrenamtlichen Teammitglieder zu Veranstaltungen rund um die zeitgenössische Kunst in Berlin ein. Kurator*innen erklären das Konzept ihrer Ausstellungen, Sammler*innen öffnen ihre Türen, Leiter*innen führen durch ihre Institution und Künstler*innen stehen Rede und Antwort zu ihren Arbeiten. So ermöglichten die Jungen Meister in den letzten Jahren Studio Visits bei Alicja Kwade, Karin Sander, Christian Jankowski, Nasan Tur oder zuletzt Tomás Saraceno, führten durch das Gallery Weekend oder die Berlin Biennale und organisierten Mitgliederfahrten nach Hamburg, Warschau, Kassel oder Leipzig. Neben den internationalen Großausstellungen und den genannten namhaften Künstler*innen kommen auch kleine, weniger bekannte Positionen und Projekte zum Zug. Wichtig ist den Organisator*innen dabei die Teilnehmer-Beschränkung auf maximal 15 Leute, um den intimen Rahmen zu wahren.

Das Interesse an der Auseinandersetzung mit Kunst ist offenkundig groß, Ausstellungen formen im Leben zahlreicher junger Erwachsener einen selbstverständlichen Teil der individuellen Freizeitgestaltung. Die relativ hohe Dichte an Jungen Freundeskreisen und der hohe Zuspruch, den diese Vereine erfahren, zeigen aber vor allem, dass über das bloße Interesse hinaus auch ein Bedürfnis besteht, Raum für gemeinsame Kunstbetrachtung abseits der üblichen Vermittlungsangebote zu schaffen.

Junge Freunde Kunstmuseen. Die Bundesinitiative:
bundesverband-der-foerdervereine.de

Netzwerk Junge Kulturvereine Berlin:
jungekulturvereineberlin.de

Anna Wegenschimmel

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