18 Uhr: Dialogische Bildbetrachtung mit Friederike Proksch und Claudia Wasow-Kania. Museum Reinickendorf | Hannah Höch Raum | Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin
Die Ausstellung Hot im August erscheint wie eine Widmung an den heißen Sommermonat, ausgerichtet von der Fotogalerie Friedrichshain. Der Ausstellungsraum ist Teil des Kulturring in Berlin e.V., der in Berlin fast 20 Standorte betreibt. In der Ausstellung sind über 20 Positionen vertreten, die sich mit dem „schönen“ Wetter auseinandersetzen. Mit dieser Phrase meinen die Menschen hierzulande Temperaturen über 25 Grad und hellem, klaren Himmel. Viele denken daran, wie die Sonne das Wasser anleckt, alle mehr Haut zeigen und Cafés in der lauen Sommernacht noch spät geöffnet haben. Womöglich liegt diese rundum positive Wertung von Sommersonne am westlichen Urlaubstaumel, Beginn 1950er-Jahre. Wirtschaftswunder, mehr Geld und erste Reisen mit dem VW-Käfer Richtung Italien. Heute geht’s mit dem Flugzeug an Poollandschaften und Strandbäder. Diese Camping- und all-inclusive-Resorts sind besondere Orte. Soziale Differenzen scheinen zu verschwimmen, eine eigene Realität wird aufgebaut. Geflieste Böden und türkisfarbene Becken treten der prallen Sonne entgegen, süßlicher sex on the beach wird für das Feeling serviert. Ugo del Corso und David Kirchmann machen diese Urlaubsorte zu ihrem fotografischen Gegenstand. Ihre Bildreportage erinnert in ihrer Farbigkeit an Fotografien der 1970er-Jahre. Die Bilder fallen in eine andere Zeitlichkeit, die Motive sind entrückt in eine Dekade, wo Menschen noch Spiegel unter das Kinn hielten, um ja keine ungebräunten Körperstellen zu haben.
Dagegen bannt Nancy Göring mit ihren großformatigen Arbeiten wieMechow, Katja im Sabinensee die Romantik eines inländischen Seentrips. Zu sehen ist eine Nackte, die im ruhigen Gewässer taucht. Wir schauen von oben zu, die Wasseroberfläche spiegelt die Sonne. Die Bildsprache, poetisch und zugleich sachlich, vermittelt das Gefühl kühlen Wassers, rauschender Bäume und dumpfer Wärme.
In dem Lied Ab in den Süden reisen Buddy und seine Clique dahin, wo es so richtig heiß ist. Dort wollen sie „Bikinis erleben“. Buddy ist, so stelle ich ihn mir vor, ein hitzköpfiger Mann mit Anfang 20. Er sitzt in seinem Cabrio und fährt der Sonne „hinterher“ – auf direkter Tour zum nächsten Sonnenbrand. Hotttt wird es ja erst, wenn´s rot leuchtet und brennt. Dann kippen wir Bier drüber und tanzen mit Ibiza-Techno durch die laue Sommernacht... Eine fast schon lachsfarben verbrannte Brust porträtiert Maximilian Gödecke. Das Motiv nimmt das komplette Bildformat ein, ist geschmückt mit Goldkette. Die Brust wirkt stolz, Sonne ist Luxus und der Urlaub wohlverdient.
Tja, Buddy und friends. Der Traum ist... wohl verbrannt? Vor lauter Flug- und Cabriocapriolen – immer weiter – von Malle bis Malta. Kein Sonnenschein verpasst, du nahmst sie alle mit und jetzt ist Sonne – überall und andernorts ertrinken Landstriche. Die Sommer sind stechend geworden, die Sonne knallt. Wir brennen aus. Dürre. Trockene Zeiten. Die Sonne leckt kein Wasser mehr – das Wasser ist ausgetrunken. Laura Fiorio hält mit ihren beiden Fotografien Benidorm, 2010, die schauerliche Realität fest, wenn am Ende nur noch eine vernachlässigte Pfütze in der Wüste verbleibt oder hellblaue Wassertümpel in Asphalt und Beton eingehegt werden.
Raisa Galofre vermittelt mit ihren Fotoarbeiten Unbequeme Gedankenwelten, die in Kolumbien aufgenommen worden sind, entsetzlich zugemüllte Kakteen – Überreste unseres menschlichen Lebens. Der Müll, bevorzugt Plastik, schwimmt an der Wasseroberfläche und flattert mit dem Wind in alle Regionen der Welt. Solch ausgedörrte Zonen entstehen durch unser Einwirken in natürliche Verläufe und Prozesse: Wir leiten Flüsse um und zonieren Grünflächen – wir wollen die Natur steuern, sie in den Griff bekommen und für unser Überleben retten.
Auf humorvolle Weise könnten Marvin Systermans Fotos Human Machine als passender Kommentar interpretiert werden: Auf einer minimalistisch-stilvollen Terrasse stehen unter einem Sonnenschirm zwei Liegestühle. Sie blicken auf einen Braunkohle-Tagebau - einen leeren trockenen Graben, der wie ein Wüstenkrater wirkt. Größenwahn und Blindheit vor dem eigenen (hoffnungslosen) Irrsinn. Wir können nichts abgrenzen und steuern, zu dem wir selbst gehören und dessen Grenzen wir laufend überschreiten... Wir wollen die Natur regulieren. Aber wir erlauben uns endloses Wachstum. Bleibt unsere (natürliche) Existenz etwa außen vor?
Tenzin Heatherbell zeigt auf seinen Bildern die aktuellen Klimaproteste, die eine Eingrenzung unseres absurden Wohlstandes und massiven Verbrauchs fordern. Lakonisch, etwas verbittert liest sich da der Titel Bitte entschuldigen Sie die Störung.
Künstler:innen: Laura Fiorio I Michael Abramson I Susanne Leibold I Naomi Chillet I Fabrizio Bilello I Raisa Galofre I Andreas Urban I Nancy Göring I Adriano Redoglia I David Kirchmann I Stefanie Kulisch I Philipp Czampiel I Maximilian Goedecke I Daniel Montenegro I Tenzin Heatherbell I Ugo del Corso I Marvin Systermans I Ghadir Abshenas I Zahra Shahcheraghi I Hossein Taghia I Fatemeh Pazoki Dehghaniyanfard I Kavoos Hosseinpour I Masoud Momenha
Ausstellungsdauer: 4. - 25. August 2023
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa 14.00 bis 18.00 Uhr, Do 10.00 bis 20.00 Uhr
Fotogalerie Friedrichshain
Helsingforser Platz 1
10243 Berlin
+49 30 2961684
fotogalerie.berlin
Titel zum Thema Fotogalerie Friedrichshain:
Der Sonne hinterher („Ab in den Süden“, Buddy 2001)
Besprechung: Tja, Buddy und friends. Der Traum ist... wohl verbrannt? Vor lauter Flug- und Cabriocapriolen – immer weiter – von Malle bis Malta. Kein Sonnenschein verpasst, ... Die Ausstellung Hot in der Fotogalerie Friedrichshain.
Hauswald im Ausland: Unbekannte Reisebilder in der Fotogalerie Friedrichshain
noch bis 30.6.2019 zu sehen, --> Ausstellungsbesprechung
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