14 Uhr: im Rahmen von MaerzMusik 2025 und der Klangkunstausstellung "Here on the Edge of the Sea We Sit" der Künstlerin Ting-Jung Chen. daadgalerie, Oranienstraße 161, 10967 Berlin
Im Spreepark, zu DDR-Zeiten noch Kulturpark Plänterwald genannt, drehten sich bis 2001 Karussells, ein Riesenrad, Gondeln fuhren steile Abhänge hinauf und hinab in den Schlund einer bunten Katze. Für viele Berliner*innen verband sich mit dem Ort, Familienspaß, Erholung und Freizeitvergnügen. Doch ab 2001 ging es mit dem Park steil bergab: Erst Insolvenz, dann ein Großbrand und schließlich musste das Gelände auch noch von Arsen befreit werden.
Nun hat die Stadt Berlin den Ort neu für sich entdeckt, jetzt entsteht an dieser Stelle ein moderner, neuer Vergnügungspark. Das so genannte Eierhäuschen, ein großer Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert, ist bereits saniert. Das Haus vereint ein Restaurant und den Kunstraum Spreepark Art Space mit einem kostenfreien Ausstellungsbereich sowie Residenzen für Künstlerinnen und Künstler mit Wohn- und Arbeitsräumen. Aktuell findet hier die Ausstellung „Verborgene Wirklichkeiten“ statt, in der drei Kollektive – Animal Architecture Collective, Imperfect Futures und MOTHS – die künstlerischen Ergebnisse nach einem Residenz-Programm von 2024 zeigen.
Spaß zu haben – Schaukel, Rutsche, Wasserbahn, Essen und Trinken – kostet im Vergnügungspark Geld. Es wird konsumiert. Das Kollektiv MOTHS - bestehend aus dem Installationskünstler Niel de Vries, der Designforscherin Xiaolu Yan und dem Filmemacher Hanwen Zhang - thematisiert dies auf besonders humorvolle Weise. In der Mitte eines Raumes dreht sich ein runder Tisch. Gedeckt mit Tellern und handbemalten, bunten Porzellandingen: ein kleiner Schwan, ein gedrungenes Auto, ein stechend blauer Pudding mit roter Kirsche oben drauf, Hummersuppe, kleine grüne Brokkoli-Scheibchen. Eine Speisekarte kommentiert die Gerichte: „Ballast-Suppe“ oder „3-Uhr-nachts-Sandwich“. Das bunte Spektakel zieht die Blicke sofort auf sich. Selbst die Teller sind kunstvoll verziert und zeigen invasive Pflanzenarten, die sich im Park ausbreiten und nun mitten im Kampf gegen die anrollenden Bagger und abgestellten Baucontainer stehen.
Die Maschinen sind die Vorboten für das, was kommen soll. Der Vergnügungspark ist Sinnbild für Hoffnung und Erwartung. Die Gruppe Imperfect Futures (Naadira Patel, Sarah de Villiers, Manijeh Verghese und Zen Marie) porträtiert diese Projektionen in Fotografien und einer Zweikanal-Videoarbeit. Zu sehen sind Pavillons im Park und architektonische Elemente, die mit Zeichen und Stilen anderer Kulturen spielen und Abenteuerlust, eine gewisse Exotik und Wildheit suggerieren. Nach der Schließung verwilderte das Gelände, Bäume wuchsen, Vögel nisteten. Tourist*innen wurden von den Ruinen angezogen. Also wurde ein Zaun errichtet - in den Fotografien des Kollektivs die symbolische Trennlinie zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Ein Heute scheint es wohl nicht zu geben? Alle werben mit neuen Versprechen. Auf Renderings sind große Szenerien zu sehen: Das Riesenrad schwebt abenteuerlich über einem künstlichen See. Häuschen schauen wie bunte Zelte aus, eine riesige Halle und andere Orte voll mit Menschen, die sich amüsieren möchten. Die neuen Eventlocations orientieren sich leider nicht an den in den letzten Jahren entstandenen, natürlichen Architekturen der Tiere. Einige dieser Behausungen hat Animal Architecture Collective (Cardoso Studio, Jennifer Turpin and Feral Partnerships) unter die Lupe genommen. Eine Videoarbeit sowie didaktisch anmutende Illustrationen zeigen wie ein Fisch in einem passgenau geschnittenen Loch unter der Erde lebt, ein Vogelnest aus einem zusammengenähten Blatt konstruiert ist. Auch ganze Infrastrukturen sind zu sehen, wie Wespennester und Ameisenbauten. Die organisch wachsenden Komplexe könnten Vorbild für eine lebenswerte Stadt sein, Sinnbild eines Wachstums fernab von Reißbrett und Kartierung. Eine KI, gefüttert mit menschengemachten Bildern und Vorstellungen, sollte Abbildungen von den Tierbehausungen generieren. Doch was wir sehen, sind etwas unheimlich pulsierende Gebilde, deren Konturen so sauber geschnitten sind wie die Bleche eines Frank-Gehry-Gebäudes.
Die naturnahe Oase und den Rummel stimmig miteinander verbinden, wird nicht einfach. Bleibt zu hoffen, dass hier wirklich ein Kleinod entsteht, das allen Lebewesen so viel Freude macht wie der Kreiseltisch mit bunten Lebensmitteln. In jedem Fall macht die kleine, aber sehenswerte Ausstellung einen Anfang einer kritischen Befragung dieser sagenhaften Zukunft.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Jeder dritte Donnerstag im Monat: 11 bis 21 Uhr
Verborgene Wirklichkeiten
Künstlerische Erkundungen im Kollektiv
16. März 2025 - 15. Juni 2025
Eierhäuschen/Spreepark
Kiehnwerder Allee 2, 12437 Berlin
Eintritt: frei
www.spreepark.berlin
Titel zum Thema Spreepark Art Space:
Karussellfahrten ins Glück. Verborgene Wirklichkeiten im Spreepark Art Space
Ausstellungsbesprechung
Der Spreepark Art Space hat im Eierhäuschen eröffnet
Zum Auftakt stellt die Ausstellung Park Einsichten vom 23. März bis 20. Mai 2024 die künstlerische Forschung der vergangenen Jahre im Spreepark vor mit ortsspezifischen Arbeiten von Marcus Maeder, Sabine Scho, Sissel Tolaas und Annett Zinsmeister. (sponsored content)
Haus am Kleistpark
GEDOK-Berlin e.V.
Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank
Galerie Beyond.Reality.
Akademie der Künste