19 Uhr: Archivpräsentation. Werner Heegewaldt (Direktor des Archivs der AdK). Lesung mit Erdmut Wizisla (Literaturwissenschaftler) und Mathias Bertram (Kurator). Galerie Pankow | Breite Str. 8 | 13187 Berlin
"Der Bau hat mich schon immer atemlos gemacht", sagte Jörg Immerdorff und bezieht sich dabei auf die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe, in der ihm anlässlich seines 60. Geburtstag eine umfangreiche Ausstellung mit über 100 Arbeiten gewidmet ist. "Atemlos" ist beim Anblick der Ausstellung auch der Betrachter: Wer brav gehängte Bilder oder eine Retrospektivausstellung erwartet, die das Lebenswerk Immendorffs ordentlich chronologisch zusammengestellt zeigt, wird enttäuscht. Stattdessen überwältigt der spektakuläre Ausstellungsaufbau: In leuchtend roter Farbe fügt sich eine spielerisch angelegte Architektur zu einem Stadtgebilde zusammen: eine freistehende Wand und sechs begehbare Pavillons, verbunden durch unförmig verlaufende Wege, beherbergen thematisch die verschiedenen Werkgruppen, die der Künstler im Laufe seines Lebens bis in die neueste Zeit schuf. Zwei der Kuben lassen sich außerdem besteigen, so dass der Blick von oben auch an einen überdimensionierten Blutkreislauf erinnern könnte, durch dessen Arterien (Immendorff) die Besucher pulsieren. Der Stadtgedanke knüpft jedoch an ein früheres Konzept des Künstlers an: das LIDL-Projekt (LIDL ist übrigens nicht mit der Supermarktkette zu verwechseln, vielmehr beruft sich Immedorff bei der Worterfindung auf das Geräusch einer Kinderrassel). Das LIDL-Projekt aus den 60er Jahren, zu dem es auch einen LIDL-Raum, eine LIDL-Stadt, LIDL-Akademie, etc. gab, charakterisiert in der politischen und künstlerischen Auseinandersetzung Immendorffs seine Infragestellung von Kunst und demonstrierte gleichzeitig gegen eine geistlose und unschöpferische Politik in Deutschland. Nichts selten wurden LIDL-Aktionen, wie bspw. als Immendorff in Bonn vor Regierungsgebäuden mit einem schwarz-rot-gold bemalten Holzklotz auf und ab marschierte, mit einem Polizeieinsatz beendet.
So ist das Verhältnis zwischen Kunst und politischer Handlung ein verbindendes Element, das sich durch fast das gesamte Oevre des Künstlers zieht. Immer wieder stößt man auf die Vielfalt von Immendorffs Zeichen- und Symbolwelt, die politische und künstlerische Inhalte, Rückgriffe und Reflexionen in oft stark farbigen Bildern oder in seinen Figurengruppen aufgreift.
Immendorff studierte zunächst Anfang der 60er Jahre Bühnenkunst an der Kunstakademie Düsseldorf bei Theo Otto und trat dann 1964 in die Klasse Joseph Beuys ein, wo er u.a. Kommilitone von Sigmar Polke war und bis 1966 verschiedene Aktionen mit sozialen und politischen Inhalten veranstaltete. Sein politisches Engagement aus der Akademiezeit bestimmte - wenn auch zielgerichteter - sein späteres Werk, in dem Kunst und Politik als Einheit verstanden werden. Darüber hinaus thematisiert der zweimalige Documenta-Teilnehmer immer wieder sein eigenes Tun als Künstler, hinterfragt seine Rolle und setzt sich in den Kontext verschiedener Künstlerkollegen wie Marcel Duchamp oder Joseph Beuys.
Der ungewöhnliche Ausstellungstitel "Male Lago" bezieht sich übrigens auf einen Western aus den 60er Jahren, in dem Clint Eastwood als Rache für seinen ermordeten Bruder die Bewohner einer Kleinstadt zwingt, ihre Häuser rot anzustreichen. Wer also Immendorffs Kosmos durchdringen will, sollte den "unsichtbaren Beitrag" nicht vernachlässigen.
Zur Ausstellung ist ein 900 Seiten, davon 148 ganzseitige farbige Abbildungen auf Bilderdruckpapier, umfassender Katalog für 49,80 EUR erschienen.
Ausstellungsdauer: 23.9.05 - 22.1.06
Öffnungszeiten: Di, Mi 10-18Uhr, Do 10-22Uhr, Fr, Sa, So 10-20Uhr
Neue Nationalgalerie, obere Halle, Potsdamer Strasse 50, 10785 Berlin
Titel zum Thema Jörg Immendorff:
Jörg Immendorff. Male Lago - Unsichtbarer Beitrag
"Der Bau hat mich schon immer atemlos gemacht", sagte Jörg Immerdorff und bezieht sich dabei auf die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe, in der ihm anlässlich seines 60. Geburtstag eine umfangreiche Ausstellung mit über 100 Arbeiten gewidmet ist.
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