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Wer sind ich? Lynn Hershman Leeson auf Identitätssuche in den „KW on location“

von Anna Wegenschimmel (15.07.2018)
vorher Abb. Wer sind ich? Lynn Hershman Leeson auf Identitätssuche in den „KW on location“

Lynn Hershman Leeson, First Person Plural, the Electronic Diaries of Lynn Hershman, 1984–96 (in vier Teilen), Installationsansicht in der Ausstellung First Person Plural, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2018, Courtesy die Künstlerin und Bridget Donahue, New York, Foto: Frank Sperling



Drei Wochen vor Beginn der 10. Berlin Biennale eröffnen die KW Institute for Contemporary Art ihr Programm „KW on location“, um auch den Biennale-Sommer über sichtbar zu bleiben. Während die eigenen Räumlichkeiten in der Auguststraße ab 9. Juni ganz unter dem Motto „We don´t need another hero“ stehen, suchen die KW nach Ausweichorten und verlagern ihre Ausstellungen in den Stadtraum. Einen solchen Ort haben sie gefunden in The Shelf, einer bis vor Kurzem noch von Robben & Wientjes genutzten Lagerhalle in der Kreuzberger Prinzenstraße. Bis dort „in einer grünen und e-mobilen Welt moderne Gewerbehöfe mit Büro, Einzelhandel und Gastronomie“ entstehen, wird die Garage kulturell zwischengenutzt.

Seit Freitag präsentieren an diesem Ort die KW die Solo-Schau „First Person Plural“ der US-amerikanischen Künstlerin Lynn Hershman Leeson: In zwei Räumen zeigt die Kuratorin Anna Gritz acht Videoarbeiten und Installationen, von den 1970ern bis heute. Im Zentrum stehen Fragen der Identitätskonstruktion: Was definiert uns, wie werden wir wahrgenommen, wo verorten wir uns selbst? Hershman Leeson, deren Dokumentarfilm „Tania Libre“ auf der Berlinale 2017 vorgestellt wurde, splittet in ihren Filmen ihre Identität in unterschiedliche Charaktere. Sie erzählt Geschichten, bei denen Wahrheit und Fiktion oftmals nicht klar voneinander zu trennen sind. Für die titelgebende Arbeit „First Person Plural, the Electronic Diaries of Lynn Hershman“, die die Künstlerin im Zeitraum von 1984 bis 1996 realisiert hat, filmte sie sich – immer und immer wieder. Nur sie und die Kamera, frontal auf sie gerichtet, während Hershman Leeson drauf losspricht. In der Ausstellung sind vier Videos dieser Serie zu sehen, angeordnet auf vier Leinwänden hintereinander als sich überlagernde Schichten. Die Protagonistin referiert darin in unterschiedlichen Gemütslagen über Schönheitswahn, Krankheit oder Missbrauch und Gewalt in der Familie. Kurioserweise finden sich an den Wänden der Ausstellungsräumlichkeiten noch letzte Spuren der Vornutzer, wie etwa ein stark vergilbtes Poster der Fußball-WM mit der Aufschrift „Danke, ihr Helden!“. In der Halle haben bis vor wenigen Wochen, so betont der Leiter der KW Krist Gruijthuijsen, fast ausschließlich Männer gearbeitet. Das Testosteron sei förmlich noch riechbar. Die Videoarbeit wirkt dabei wie eine direkte Antwort auf diese Umgebung, der die Künstlerin Reflexionen über weibliche Identität gegenüberstellt.


Lynn Hershman Leeson, Lorna, 1979–82, Installationsansicht in der Ausstellung First Person Plural, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2018, Courtesy die Künstlerin und Bridget Donahue, New York, Foto: Frank Sperling

Hershman Leesons Arbeiten sind und waren technisch versiert, sie loten technologische Grenzen aus, um Themen wie Überwachung oder Artificial Intelligence zu untersuchen. Während die Videos aus den 70er- und 80er-Jahren mit ihren Splitscreens und Überblendungen heute unfreiwilligen Retro-Charme besitzen, arbeitet „Venus of the Anthropocene“ aus dem Jahr 2017 mit neuester Technologie. Hershman Leeson spielt darin mit dem vermeintlichen Blick in den Spiegel, der sich als Blick in eine Gesichterkennungs-Software entpuppt und ihrem Gegenüber Informationen über dessen Alter und aktuelle Stimmung verrät.

Der Körper als Datenträger steht auch in der ortsspezifischen Installation „The Novalis Hotel“ im Zentrum, das in Anlehnung an ihr Projekt „The Dante Hotel“ aus den 1970ern in dem gleichnamigen Hotel in Berlin-Mitte gezeigt wird. Wer an der Rezeption des Hotels eincheckt und sich den Schlüssel für das Zimmer Nr. 5 abholt, soll durch das Trinken aus einem Plastikbecher seine DNA abgeben, die anschließend von einem Forensiker untersucht und am 17. Juni, dem letzten Tag der Installation, öffentlich (dabei natürlich anonym) ausgewertet wird. Im Hotelzimmer finden die Besucher*innen schließlich Hinterlassenschaften der fiktiven Bewohnerin Roberta Lester, über deren Leben anhand von einem geöffneten Laptop samt Instagram-Account, ihrer Kleidung und zahlreichen Notizen an der Wand spekuliert werden darf. Ein Spiel zwischen Überwachung, Selbstinszenierung und Voyeurismus.


Lynn Hershman Leeson, The Novalis Hotel, 2018, Ortsspezifische Installation in einem Hotelzimmer, Berlin, Courtesy die Künstlerin und Bridget Donahue, New York, Foto: Frank Sperling

Die gezeigten Arbeiten sind allesamt zugänglich und erklären sich selbst. Während die beiden aktuellen Projekte vornehmlich durch die interaktive Technologie reizen (hier die Gesichtserkennungs-Software, dort die forensische DNA-Analyse), lohnen besonders Hershman Leesons frühere Videoabeiten mit ihren Überlegungen zu Identitätskonstruktion genaue Betrachtung.

KW on location: Lynn Hershman Leeson

„First Person Plural“
19. Mai bis 15. Juli 2018
The Shelf, Prinzenstraße 34, 10969 Berlin-Kreuzberg
Öffnungszeiten: Mi–So 11–19 Uhr, Do 11–21 Uhr
Eintrittspreis: 5 € / 3 € ermäßigt
Freier Eintritt am Donnerstagabend zwischen 18 und 21 Uhr

„The Novalis Hotel“
19. Mai bis 17. Juni 2018
Hotel Novalis, Novalisstraße 5, 10115 Berlin-Mitte
Öffnungszeiten: Mi–So 11–19 Uhr, Do 11–21 Uhr
Freier Eintritt
kw-berlin.de/

Anna Wegenschimmel

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Daten zu Lynn Hershman Leeson:


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- Biennale Venedig 2022
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