Als hätten sie sich aufeinander bezogen, korrespondieren ihre Arbeiten in der Ausstellung „Playback“ im Autocenter Berlin: Die der kalifornischen „Altmeisterin“ Lynn Hershman Leeson und der jungen in Las Palmas geborenen Spanierin Eli Cortiñas, die derzeit Stipendiatin an der Villa Massimo in Rom ist.
Bereits seit den 70er-Jahren zählt Lynn Hershman Leeson zu den Pionierinnen der Medienkunst. Und ist gleichzeitig eine der konsequentesten Vorreiterinnen im Erschaffen künstlicher Persönlichkeiten. Obwohl 35 Jahre die beiden Künstlerinnen trennen und Cortiñas sich nicht bewusst mit dem Werk Hershman Leesons auseinandergesetzt hat, sind die inhaltlichen und stilistischen Parallelen frappierend.
Im Jahr 1971 entwickelte Hershman Leeson die Figur der Roberta Breitmore, in deren Rolle sie sieben Jahre lang schlüpfte, bis sie diese offiziell beerdigen ließ. Das Video „Lynn becoming Roberta“ demonstriert diese Verwandlung. Die Handgriffe sind geübt – vom Formen der künstlichen Wimpern bis hin zum Lippenstift und dem Aufsetzen der blonden Haarmähne – und auch der Gesichtsausdruck ist entschlossen. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Als Roberta Breitmore, die jüdischer Religion ist und einen Sprachfehler hat, macht die Künstlerin den Führerschein, gibt Kontaktanzeigen auf und konsultiert einen Psychiater. Den „Body Language Chat“ während einer Sitzung analysiert sie genauso wie sie auf Papier Schönheitskorrekturen für Roberta Breitmore entwickelt. Roberta sei für sie „ein interaktives Werkzeug“ gewesen, mit dem man die Kultur analysieren könne, erklärt die Künstlerin.
Ihre eigene Persönlichkeit hingegen präsentiert sie scheinbar schonungslos in den Electronic Diaries von 1969 - 1994: Übergewicht, Selbstzweifel, ein Gehirntumor, Familienprobleme. Hershman Leeson wendet sich unmittelbar an ihr Publikum. Doch wie bei Roberta Breitmore ist die Grenze zwischen Identität und Fiktion verschwommen. Ist das tatsächlich Lynn? Sind es ihre Emotionen, Zweifel, Ängste, handelt es sich um ihre Biografie? Der Betrachter wird es nicht erfahren.
Auch heute – über vierzig Jahre nach der Schaffung der Roberta – ist die Aktion in ihrer Radikalität atemberaubend. Und erst im reiferen Alter – vergleichbar etwa mit der späten Entdeckung von Louise Bourgeois – wird die Künstlerin zunehmend international gewürdigt. Alleine in Berlin ist es – nach einer Einzelausstellung bei Aanant & Zoo - die zweite Schau der Künstlerin in diesem Kunstherbst. Im Dezember wird das ZKM Karlsruhe ihr die erste große Retrospektive weltweit widmen.
Eine lockige Frisur spielt auch eine zentrale Rolle in dem Video „Confessions with an Open Curtain“ von Cortiñas aus dem Jahr 2011. Eine blond ondulierte Frau im lila Morgenmantel wendet dem Besucher den Rücken zu. Theatervorhänge spielen eine zentrale Rolle in dem atmosphärisch verdichten Film, der eine klaustrophobische Wirkung erzeugt, einen Seelenzustand transportiert. In leuchtenden Farben und hergestellt aus schwingenden Materialien entwickeln sie ein sinnliches Eigenleben. Irgendwann beginnt der Vorhang zu brennen – auch für Hershman Leeson ist Feuer ein zentrales Motiv, das ihr gesamtes Werk durchzieht.
Die Kuratorin Gesine Borcherdt hat in dem Projektraum zwei Positionen von Künstlerinnen zusammengeführt, die besser kaum harmonieren können. Es sind große Fußspuren, die Eli Cortiñas da auszufüllen hat. Es gelingt ihr mit Bravour.
Autocenter
Space for Contemporary Art
Maik Schierloh + Joep van Liefland
Leipziger Strasse 56, 10117 Berlin
autocenterart.de
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Die amerikanische Künstlerin und Filmemacherin Lynn Hershman Leeson gewinnt den mit 20.000 € dotierten d.velop digital art award [ddaa] 2010. Mit dem Preisgeld ist außerdem eine Retrospektive in der Kunsthalle Bremen sowie ein Katalog verbunden.
Galerie 15
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
Galerie Beyond.Reality.
ifa-Galerie Berlin
Kommunale Galerie Berlin