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Wo es überall ein Zuhause gibt - Kommunale Galerie Berlin

von Urszula Usakowska-Wolff (20.04.2019)
vorher Abb. Wo es überall ein Zuhause gibt - Kommunale Galerie Berlin

David Brandt, Ausstellungsansichten, © Vonovia Award für Fotografie 2018

Eine Ausstellung zum Thema Zuhause hat jetzt ein temporäres Zuhause in der Kommunalen Galerie Berlin. Zu sehen sind Fotoserien, die mit den Hauptpreisen des Vonovia Awards für Fotografie 2018 prämiert wurden sowie etliche Fotoarbeiten, die es auf die Shortlist des Wettbewerbs geschafft haben. Nach der Station in Berlin wird die Schau im Kunstmuseum Bochum gezeigt.

Das Zuhause hat viele Namen. Es sind die eigenen vier Wände, in denen wir uns sicher und geborgen fühlen und wo wir gern verweilen. Viele Menschen verbinden den Begriff Zuhause auch mit ihrem Wohnviertel, ihrem Kiez, ihrer Stadt, ihrem Land, also Orten, wo sie tatsächlich leben oder um die ihre Erinnerungen kreisen. Das Zuhause hat eine multiple Bedeutung. Es ist faktisch und imaginär, es besteht wirklich und im übertragenen Sinn: als Gefühl, Sehnsuchtsbild, Ort der Zuflucht oder des Verlustes.

Die Ausstellung Zuhause in der Kommunalen Galerie Berlin hat vier Namen: Norman Hoppenheit (*1984), Paula Markert (*1982), Lara Wilde (*1988) und Nanna Heitmann (*1994). Sie haben die Hauptpreise des zum zweiten Mal ausgeschriebenen Vonovia Awards für Fotografie gewonnen und setzen sich in ihren Fotoserien mit dem Thema des Wettbewerbs auseinander. Unübersehbar ist ihr Interesse an der gesellschaftlichen Realität, wozu Überalterung, Rückzug ins Private, Einsamkeit, Verlust der Identität und des Lebensinhalts gehören. Was die vier Ausgezeichneten auch verbindet, ist ihre Sensibilität im Umgang mit den Fotografierten: Ohne Vertrauen, das sie ihnen schenkten, könnten diese bewegenden Werke nicht entstehen.


Norman Hoppenheit, Dreesch, 2016/17, © Norman Hoppenheit, courtesy Vonovia Award für Fotografie 2018, (1. Preis Kategorie „Beste Fotoserie“)

Dreesch in Grau und Grün
Norman Hoppenheit, der mit dem 1. Preis in der Kategorie „Beste Fotoserie“ bedacht wurde, kehrt in der Reportage Dreesch (2016-2017) in die Plattenbausiedlung am Rande von Schwerin zurück, wo er die Kindheit verbrachte. 1990 zog er mit seinen Eltern nach Kiel, studierte dann von 2013 bis 2017 Fotografie an der HAW Hamburg. Dreesch sollte eine Dokumentation über den Verfall des einstigen DDR-Vorzeigebauprojekts sein, doch es kam anders. Obwohl der Fotograf in Dreesch keine Verwandten mehr hatte, fühlte er sich dem Ort verbunden, denn dort war es im Sommer sehr schön und er konnte draußen mit anderen Kindern spielen. Bei der Arbeit an der Fotoserie fiel Norman Hoppenheit auf, dass die Leute auch heute in Dreesch viel Zeit im Freien verbringen. Draußen, vor ihren grauen Häusern und in deren unmittelbarer Umgebung, ist es grün, es gibt viele Bäume, Sträucher und wuchernde Wiesen, fast wie in einem naturbelassenen Park. Auch die Menschen, die der Künstler für seine Fotoserie gewinnen konnte, sehen vertraut aus: wie er selbst, wie seine Schwester, wie seine Großeltern. „Ich habe in diese Serie, an der ich zwei Jahre gearbeitet habe, sehr viel Herzblut gesteckt. Sie ist dokumentarisch-privat, denn ich gebe darin sehr viel von mir preis“, sagt Norman Hoppenheit.


Paula Markert, Ring/Halqa, 2018, © Paula Markert, courtesy Vonovia Award für Fotografie 2018, (2. Preis Kategorie „Beste Fotoserie“)

In Steilshoop hat Migration eine Chance
Auch die mit dem 2. Preis in der Kategorie „Beste Fotoserie“ gekürte Paula Markert widmet sich in ihrer dokumentarischen Fotoreportage Ring/Halqa (2018) einer Großbausiedlung, die ihre Glanzzeit schon lange hinter sich hat: dem ringförmig angelegten Wohnviertel Steilshoop im Hamburger Norden, in dem fast 20 000 Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Herkunftsländern leben. „Ich wollte unbedingt eine Arbeit über Migration machen, die als eine Chance zu sehen ist, also war es für mich eine politische Arbeit. Ich wollte zeigen, dass das Zuhause und die Grenzen eine Konstruktion sind“, so die Fotografin. Im Gegensatz zu Dreesch entstanden ihre Aufnahmen in Interieurs, in Gemeinschaftsräumen, wo sich Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder treffen, um generationsübergreifend zu kochen, zu spielen, zu lernen oder einfach zu plaudern. Ihre Fotoreportage gewährt Einblicke in ein Theater des Alltags, in dem die Fotografierten, darunter viele junge Migrantinnen und Migranten, wie auf einer Bühne (Halqa ist die marokkanische Bezeichnung für den Zuschauerkreis, der sich um Geschichtenerzähler oder Artisten bildet) agieren. Die multikulturelle Gesellschaft, so wie sie Paula Markert in Steilshoop angetroffen und fotografiert hat, ist ein Teil der deutschen Gesellschaft, die dadurch jünger, aktiver und offener wird.


Lara Wilde, Exposed Landscapes, 2016-2018, © Lara Wilde, courtesy Vonovia Award für Fotografie 2018, (3. Preis Kategorie „Beste Fotoserie“)

Unheimliche Bilder aus Berlin
„Durch die Intimität der Dunkelheit entblößte Seelenlandschaften“ nennt Lara Wilde ihre Fotoserie Exposed Landscapes (2016-2018), für die sie den 3. Preis des Wettbewerbs bekam. Die in ihren Wohnungen in der Nacht aufgenommenen jungen Berlinerinnen und Berliner, die die Fotografin in Cafés oder auf der Straße angesprochen hat, wirken seltsam entrückt, abwesend, in sich selbst gekehrt. Ihre unheimlichen und mysteriösen Bildnisse sind das Ergebnis der Langzeitbelichtung. Die Fotografien sind kleine Meisterwerke, die wie Gemälde aussehen; eine Affinität zu den Porträts von Georges de la Tour ist unübersehbar. „Die Inszenierung passiert eigentlich nur durchs Licht, alles andere ist im Kern dokumentarisch“, sagt Lara Wilde. Die Posen, in denen ihre „Models“ erstarren, sagen wenig über deren tatsächliche Probleme, Befindlichkeiten und Geschichten aus. Sie sind eine Möglichkeit, sich von der Welt und von sich selbst abzukapseln. Im Gegensatz dazu geben ihre Wohnungen Auskunft darüber, dass es temporäre Unterkünfte sind. Sie sehen aus, als seien die Menschen dort gerade eingezogen oder hätten vor, im nächsten Augenblick auszuziehen. Das sind wohl keine festen, sondern temporäre Bleiben.


Nanna Heitmann, Weg vom Fenster –Das Ende einer Ära, 2017, © Nanna Heitmann, courtesy Vonovia Award für Fotografie 2018, (Preisträger „Beste Nachwuchsarbeit“)

Das Ende einer Ära in Bottrop
Für die einen ein großer Gewinn, für die anderen ein großer Verlust: Nanna Heitmann, die Trägerin des Vonovia-Nachwuchspreises 2018, steuerte zur Ausstellung Zuhause mit der ergreifenden Fotoreportage Weg vom Fenster – das Ende einer Ära bei. Es geht darin um den Kohlebergbau im Ruhrgebiet, der nach der Stilllegung der Zeche Prosper Haniel in Bottrop im Dezember des vorigen Jahres Geschichte geworden ist. Das ist gut für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen, aber schlecht für die Kumpels, die damit einen Teil ihrer Identität verlieren. Die 2017 im Revier entstandene Fotoserie ist zugleich nüchtern und empathisch: Sie zeigt rauchende Schlote, einen an Lungenkrebs sterbenden Bergmann sowie Bergleute, die, obwohl bald überflüssig, weil ihre Arbeitsplätze geflutet wurden oder werden, trotzig und selbstbewusst in die Kamera blicken. Wer weiß: Vielleicht können sie in einer neuen strukturgewandelten Ära auch ihren Platz finden.

bis 21. April 2019

Di-Fr 10 bis 17 Uhr, Mi 10-19 Uhr, So 10-17 Uhr, Eintritt frei

Kommunale Galerie Berlin
Hohenzollerndamm 176, 10713 Berlin
www.kommunalegalerie-berlin.de

Urszula Usakowska-Wolff

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