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Eine Frage der Sichtweise. Point of view(s) – Blick und Richtung im Schloss Biesdorf

von Katja Hock (09.06.2023)
vorher Abb. Eine Frage der Sichtweise. Point of view(s) – Blick und Richtung im Schloss Biesdorf

Yvon Chabrowski, HORIZONTAL, Video-Skulptur, 4K-Loop, 50 min, Farbe, Ton, lebensgroß auf einem horizontal hängenden 50-Zoll-Monitor, 2019, © Yvon Cahbrowski

In der aktuellen Gruppenausstellung Point of view(s) – Blick und Richtung im Schloss Biesdorf werden Auge, Körper und Geist in Sachen Perspektive trainiert. Mit herrlich verwirrender Mehrdeutigkeit bespielen 14 Künstler*innen unter kuratorischer Leitung von Katia Hermann und Karin Scheel das obere Geschoss des Schlosses.

Schloss Biesdorf – kommunale Galerie und kulturelles Kleinod - grenzt hinter seinem Park an Wohnsiedlung, S-Bahnschienen und Autobahn. Doch die Räumlichkeiten der Villa schirmen den umgebenden Geräuschpegel ab. Mit hellem Parkettboden, weißen Wänden, Wendeltreppen und großen Fenstern strahlt der Ort eine gediegene Ruhe aus, die völlig gegensätzlich und genau richtig für die ausgestellten Werke ist. Point of view(s) – Blick und Richtung bringt trotz zum Teil gesellschaftskritischer Themen eine humorvolle und bunte Vielfalt, die zu einer spielerischen Auseinandersetzung mit den Werken anregt.


Miriam Lenk, Fragile Wucht, 2023, Epoxidharz, Keramik und Stahl, 320 x 100 x 100 cm, Foto: Katia Hermann

Ein eindrucksvolles, drei Meter hohes Skulpturenensemble mit kugeligen, verzerrten Frauenakten aus weißem Marmor (zumindest auf den ersten Blick) eröffnet die Ausstellung. Die Skulptur mit dem Titel Fragile Wucht, bestehend aus Epoxidharz, steht frei im Raum. Ihre einzelnen Figuren sind in massives Blattlwerk eingebettet und winden sich in einer spiralförmigen Drehung expressiv und mit ganzer Kraft nach oben. Mal wirken sie surreal, mal dominiert eine barocke Formensprache. Die Gesichter bestehen aus riesigen Lippen. Üppige Brüste und runde Körper sind zu sehen, denen statt Arme Flügel aus ihren Schultern wachsen. Miriam Lenk (*1975) hinterfragt in der Arbeit die Ambivalenz ihres Frauenbildes und öffnet zugleich den Blick auf eine Form von Weiblichkeit, die jenseits der normierten Vorstellung eines weiblichen Körperbildes unserer Zeit liegt.


Michael H. Rohde, im wahrsten sinne, 2020, pigmentierter Ink-Jet-Print auf Hochglanz Fotopapier auf Alu-Dibond, 28 x 40 cm, © Michael H. Rhode

Eine veränderte Blickrichtung erfordern auch die Arbeiten von Michael H. Rohde (*1960). Der Künstler zeigt großformatige, leuchtende Fotografien von möblierten Wohnräumen. Ungewohnt ist die Wahl der Perspektive: Als lägen wir unter dem Zimmerboden oder - morbide gedacht - unter der Erde, so betrachten die Besucher*innen den Raum von unten wie durch eine gläserne Decke. Im Querschnitt ist jede Wandschicht erkennbar, das knallig bunte Mobiliar scheint zu schweben. Etwas stimmt hier nicht … Rohde spielt mit der Irritation der Besucher*innen. Der Blick sucht vergebens nach Vertrautem und Bekanntem, das Ausschnitthafte verhindert die Zuordnung zu einem bestimmten Ort. Durch die Fotomontage erinnert der Einblick in einen privaten Bereich an einen Traumzustand, nicht greifbar, flüchtig, verschwommen und verzerrt.

Der veränderte Blick nach oben findet sich auch in der Videoarbeit Horizontal von Yvon Chabrowski wieder. Dieses Mal ganz wortwörtlich. Wie der Titel verrät, müssen sich die Besucher*innen in die Horizontale begeben, um die Arbeit sehen zu können. Körpereinsatz ist gefragt! Auf einem schwarzen kleinen Sockel, in Rückenlage, schwebt mit geringem Abstand ein großer, flacher Monitor über den Betrachtenden. Die Arbeit von 2019 zeigt die Performance von Maria Wollny, einer Frau mit langem grauem Haar und einprägsamer Mimik. Ihre faltige Haut an den Armen drückt sich langsam an der Bildschirmoberfläche ab, hinterlässt Fingerabdrücke. Es entsteht eine intime Korrespondenz und eine fast körperliche Nähe. Der geringe Abstand des Bildschirms, die Anspannung in Gestik der Performerin sowie ihr durchdringender Blick lösen Unbehagen aus. So sehr, dass man am liebsten wegschauen würde, um sich ihrem Blick zu entziehen. Es drängt sich die Frage auf, wer hier wen beobachtet.

Point of View(s) – Blick und Richtung präsentiert vielfältige Perspektiven auf die Kunst und aus der Kunst heraus. Nirgendwo in der Ausstellung ist der Blick oder die Richtung vorgegeben. Immer wieder stößt man auf andere künstlerische Sichtweisen, wie bspw. auch in den Bildern von Bodo Rott mit ihrer rätselhaften Atmosphäre oder in der überzeugenden Neuinterpretation einer Tapisserie von Margret Eicher. So lädt die Ausstellung zum lustvollen Flanieren ein und unterzieht auch den Blick selbst einem ständigen Wandel.

Beteiligte Künstler*innen:
Clemens Behr, Yvon Chabrowski, Margret Eicher, Andreas Fasbender, Jürgen Gerhard, Thomas Heidolph, Isabel Kerkermeier, Mischa Leinkauf, Miriam Lenk, Michael H. Rohde, Bodo Rott, Hansjörg Schneider, Julia Ziegler und Rolf Xago Schröder

Point of view(s) – Blick und Richtung
26.02.2023 bis 09.06.2023

Öffnungszeiten: täglich von 10 – 18 Uhr, Fr 12 – 21 Uhr, Di geschlossen
Eintritt frei

Schloss Biesdorf
Alt-Biesdorf 55
12683 Berlin
schlossbiesdorf.de

Katja Hock

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