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18 Uhr: Dialogische Bildbetrachtung mit Friederike Proksch und Claudia Wasow-Kania. Museum Reinickendorf | Hannah Höch Raum | Alt-Hermsdorf 35, 13467 Berlin

Zuhören macht schlau. v01ces in der Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten

von Maximilian Wahlich (28.11.2023)
vorher Abb. Zuhören macht schlau. v01ces in der Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten

Erik Bünger, A lecture on schizophonia, 2008-2009

VOICE:over ist eine neunteilige Reihe der Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, die kommendes Jahr mit einer Publikation abgeschlossen sein wird. Vor ein paar Tagen eröffnete die letzte Ausstellung v01ces. Die menschliche Stimme im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Schon der Titel gibt das Thema vor: Die menschliche Stimme im Zeitalter sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI). Sogenannt, weil es sich bei KI im Grunde um eine Mustererkennung innerhalb eines riesengroßen Datenpools handelt. Im Endeffekt ist diese KI also nicht intelligent oder aus sich heraus kreativ – in erster Linie sind diese Systeme von Menschen gemacht und somit auch nicht neutral oder objektiv. Sie sind zu bestimmten Zwecken entwickelt worden.
Im Fall der Ausstellung geht es vor allem um Systeme, die auf Stimmen trainiert sind. Sie können nicht nur Sprachen und Akzente erkennen, sondern auch den Klang von Stimmen nachahmen. Dabei suchen sie nach Mustern innerhalb der Datenmasse, klassifizieren sie anhand verschiedener Kriterien wie Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder wirtschaftlichem Status.

Gleich im Eingangsraum befindet sich eine wandübergreifende Mindmap des Künstlers und Forschers Pedro Oliveira - eine von insgesamt 10 Arbeiten in der Ausstellung. Sie veranschaulicht die Entwicklung eines KI-Systems, das Dialekte und Akzente lokalisieren kann. Genutzt wird sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit dem Zweck falsch angegebene Herkunftsländer zu entlarven, um den Asylstatus von Antragsteller*innen zu prüfen. Das System ist jedoch selbst fehleranfällig und kann für die Antragssteller*innen fatale Folgen haben.


Libby Heaney, Classes, Videostill, 2021

Ebenso politisch ist eine zweite Arbeit von Libby Heaney im gleichen Raum. Auch hier werden die Faktoren Sprache und Klasse zusammengebracht. Über Soziolekte, also sprachliche Notationen, die einer bestimmten sozialen Schicht angehören, lassen sich Menschen Wohngegenden zugeordnen. Die KI entdeckt jedoch nichts, wonach nicht ohnehin gesucht wurde. Menschen haben ein System gebaut, das aus einer großen Datenmenge ein Merkmal sucht und dieses dann durch einen millionenfachen und sekundenschnellen Abgleich und Vergleich findet – qua Datenmasse wird suggeriert nicht subjektiv, sondern sachbezogen Ergebnisse zu liefern.
Modernste Technik spielt mit Leichtigkeit und gaukelt Menschlichkeit vor: eine (Daten)Cloud schwebt über uns, ChatGPT tut so, als müsste es nachdenken – Kunstpausen. Dabei handelt es sich um ganz greifbare Materie in Form von kiloschweren Servertürmen, Tausende von ihnen brummen, blinken, leuchten in riesigen Kühlzentralen irgendwo auf der Welt. Es sind gigantische Vorkommen – sehr materiell, sehr da. Alles andere als eine flüchtige Wolke. Moderne Technik ist eine dingliche Entität, die Ton erzeugen kann.
Dagegen vermag sie Leib von Stimme zu trennen. Sie muss spätestens mit Tonaufnahmegeräten nicht mehr unmittelbar aus einem Körper kommen. Sie kann von einem Kassettenrekorder oder einem Lautsprecher vermittelt werden. Das Kunstkollektiv Machine Listening schafft einen isolierten Raum, wo wir unterschiedliche Menschen immer die gleichen Sätze sagen hören. Durch Wiederholung erfasst das System (KI) Muster und ihre Abweichungen. So wird es trainiert, um Stimmen nachzuahmen.
Mit diesem Phänomen befasst sich auch Erik Bünger im letzten Ausstellungsraum mit seiner Videoarbeit. A lecture on schizophonia skizziert die historische Entwicklung der Loslösung Stimme/Körper. Ihre Anfänge liegen beim ersten Tonaufnahmegerät. Ikonen werden gezeigt, wie der Hund, der dem aufgenommenen Ruf seines Besitzers in den Lautsprecher folgen möchte oder ein „live“ Auftritt des toten Frank Sinatra.


Kyriaki Goni, Not Allowed for Algorithmic Audiences, 2021, 4K CGI Video, 30:00 Min., 3D Model, Voice Over, Originaltext, Drucke auf Aluminium, Vinylbuchstaben, Soundscape

Kyriaki Gonis Arbeit, gleich links vom Foyer, ist eine thematische Klammer. Hier wurde einem Sprachassistenten schließlich doch ein Körper gegeben – ein Avatar. Eine Person ohne Haare, mit perfektem Hautbild, weißer Hautfarbe und großen Augen gibt wieder, was sie gelernt hat. In der Ecke hängt ein unheimliches Totentuch mit dem Gesichtsabdruck. Die fiktive Geschichte ist, dass der Avatar in den kommenden sieben Tagen sterben bzw. vom Programm nicht mehr geupdatet wird. Doch jetzt kann sie uns noch all ihr Wissen vermitteln und sagt uns, wie wir uns vor ihr schützen können. Die benötigten Daten für ihre Mustererkennung erhält sie nämlich durch das stete Mithören im Alltag. Alles was wir sagen, wird aufgezeichnet und gespeichert, über Algorithmen ausgewertet. Über Wahrscheinlichkeitsrechnungen wird dann der am passendste erscheinende Satz wieder ausgespuckt. Je größer die Datenmengen, desto treffsicherer die Aussagen. Dieses System (KI) interessiert jedoch nicht alles. Verstanden und bewertet wird nur, was dem System vorab als relevant mitgegeben wurde. Und genau darin verbirgt sich ihr Gefahrenpotenzial und ihre maximale Beeinflussbarkeit. Ihre Spracherkennungen- und filter auszutricksen ist so gesehen eine Strategie zum Schutz.
Sidekick: Dieser Beitrag wurde mit Hilfe eines solchen Systems (ChatGPT) geschrieben – Sprache und Ausdruck wurden über die sprachlichen Filter normiert, eine persönliche Note musste nachträglich ergänzt werden.

Künstler*innen: aLifveForms (umsorgt von JP Raether), Erik Bünger, Sean Dockray, Kyriaki Goni, Libby Heaney, Machine Listening (Sean Dockray, James Parker, Joel Stern), Jesse McLean, Pedro Oliveira

Ausstellungsdauer: 11.11.2023 – 13.01.2024

Öffnungszeiten: Di–Sa 12–19 Uhr

Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten
Turmstraße 75, 10551 Berlin

Maximilian Wahlich

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