11 Uhr: Rundgang durch das temporäre Restaurierungsstudio in den Rieckhallen mit Christiane von Pannwitz, Die Restauratorinnen, freie Restauratorin, Berlin. Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50, 10557 Berlin
Haben Sie eine Idee, welche Klänge eine Ausgabe des Wochenmagazins Der Stern erzeugt? Es sind schrille, leiernde Töne, die ein wenig an einen Alarm erinnern. Jede Doppelseite klingt etwas anders, mal schraubt der Ton sich hoch, dann beruhigt er sich wieder ein wenig.
Zu hören ist das in der Klanginstalltion Sternmusik (1979/2024) des polnischen Filmemachers und Videokünstlers Wojciech Bruszewski (1947-2009). Eine speziell modifizierte Kamera ist über einem Tischchen angebracht, auf dem das Magazin – in diesem Fall eine Ausgabe von 2010 – liegt. Beim Durchblättern der Seiten verwandelt die Kamera die aufgenommenen Bildinformation - Helligkeit und Kontrast - in Töne.
Die Installation ist Teil der Ausstellung Sounds of Bethany, mit der das Künstlerhaus Bethanien sein 50-jähriges Bestehen feiert. Gegründet 1974 in der ehemaligen Diakonissenanstalt Bethanien am Kreuzberger Mariannenplatz, wird das Kulturzentrum unter dem Gründungsdirektor Michael Haerdter schnell zu einem international renommierten Projektraum und Präsentationsort für zeitgenössische Kunst.
Im Jahr 2000 übernimmt der Kunstkritiker und Ausstellungsmacher Christoph Tannert, der dort bereits seit Anfang der 90er Jahre Projektleiter ist, die Direktion. Zehn Jahre später zieht das Künstlerhaus an seine heutige Adresse in der Kohlfurter Straße. Das ehemalige Fabrik- und Verwaltungsgebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert, „Lichtfabrik“ genannt, bietet mit seinen etwa 10.000 Quadratmetern Platz für rund 730 m2 Ausstellungsfläche, Büros, Werkstätten für Holz-, Metall- und Kunststoffverarbeitung, für eine Bibliothek, Arbeitsplätze für Bild- und Tonbearbeitung sowie für 25 großzügige (Wohn-)Ateliers. Viel Platz also für Experimente und Innovationen, die die interessierte Öffentlichkeit im Rahmen von Ausstellungen, Konzerten, Performances, diskursiven Veranstaltungen und Open Studios verfolgen kann.
Die Ausstellung Sounds of Bethany ist allerdings nicht nur die Feier eines experimentierfreudigen Geburtstagskindes, sie ist auch die Verabschiedung ihres Direktors Tannert – seinerseits feste Größe des Berliner Kunstbetriebs. Geboren 1955 in Leipzig, studiert er von 1976-1981 Klassische Archäologie und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Anschließend wird er Sekretär für junge Kunst beim Verband Bildender Künstler der DDR (VBK). Nach kurzer Zeit wird er wegen seines Engagements für subversive Kunst entlassen und arbeitet in der Folge als freier Kritiker und Ausstellungsmacher mit Kontakten zur jungen Kunstszene in West-Berlin. Nach der Wende war er einer der Mitgründer der Galerie Vier (Andreas Weiss / Ulrich Domröse / Eugen Blume), die erste Ost-West-Galerie in Berlin und kurz darauf, 1991, geht er ans Künstlerhaus Bethanien.
Jubiläum und Verabschiedung – beides gibt Anlass, nicht nur auf die Gegenwart, sondern auch auf die Vergangenheit zu blicken, und so lässt Kurator Carsten Seiffarth aktuelle oder neu adaptierte Arbeiten mit Archivmaterial und älteren Werken in Dialog treten. Der Fokus liegt hierbei – der Ausstellungstitel verrät es – auf dem Medium Klang.
So versetzen uns Arbeiten wie Audio Jackets (1983) von Benoît Maubrey (geb. 1952, lebt in Baitz, Brandenburg) und Berlin Wall Scored for Sound (1980/1981) von Terry Fox (1943-2008) in eine andere (Klang-)Zeit: Nachdem Maubrey keine Genehmigung für Lautsprechersysteme im öffentlichen Raum (!) bekommen hatte, entwickelte er für seine Performances Audio Jackets, die aufgrund eingenähter Lautsprecher und Walkmans beliebige Sounds abspielen konnten. Und die Partitur in Fox’ Berlin Wall Scored for Sound macht den Verlauf der Berliner Mauer als Partitur hör- und erfahrbar.
Die Ausstellung ist tatsächlich ein Fest – ein Fest des Hör-Sinns. An jeder Station wartet ein neues auditives Erlebnis und vielerorts wird zu Interaktion eingeladen: Die Besucherin scannt Kupferstreifen und taucht ein in eine Klangwelt aus Bienensummen, tropischen Stürmen und den Geräuschen unterschiedlicher Böden (Raviv Ganchrow, Spark Reach, 2018-2019/ 2024). Sie lauscht Schallplatten aus Eis (Claudia Märzendorfer, Frozen Records Archive, 2005-2024) und umrundet klingende Bonsai-Bäume. Die Klangkünstlerin Christina Kubisch (geb. 1948, lebt in Berlin) entwickelte ihre Installation Die Konferenz der Bäume (1988/89) als Statement gegen die politischen Konferenzen der 1980er Jahre, in denen die Natur keine Rolle spielte. Die Plätze an dem Rundem Tisch werden hier von fünf Bonsais eingenommen, die mit Erdungskabeln umwickelt sind. Ausgestattet mit elektromagnetischen Kopfhörern kann die Besucherin den Tisch umrunden und den individuellen Klangstimmen der Bäume zuhören.
Der Jubilar selbst ist Teil der Installation plus.minus.kleiner als.größer als x (2024) von Robert Lippok (geb. 1966). Hier werden Vibrationen aus dem Gebäudeinneren und Geräusche aus der unmittelbaren Umgebung aufgenommen und vergrößert, verzerrt und gefiltert wiedergegeben.
Eine Ausstellung, die auf Klang basiert, lässt sich nur bedingt beschreiben und daher kann an dieser Stelle nur empfohlen werden, selbst zu hören.
Herrn Tannert und dem Geburtstagskind Künstlerhaus Bethanien wünschen wir alles Gute. Wir freuen uns auf die nächsten Projekte von Christoph Tannert und auf die kommenden Dekaden voller Experimente und Innovationen im Künstlerhaus Bethanien.
Sounds of Bethany
19.07. – 18.08.2024
Di - So: 14 - 19 Uhr
Eintritt frei
Künstlerhaus Bethanien
Kohlfurter Straße 41-43 (Büros + Ateliers)
Kottbusser Straße 10 (Ausstellungsräume)
D – 10999 Berlin
www.bethanien.de
Titel zum Thema Künstlerhaus Bethanien:
Antje Weitzel übernimmt die künstlerische Leitung und Geschäftsführung des Künstlerhauses Bethanien
Personalien: Die Tannert - Nachfolge ist geklärt.
Ein Geburtstag und ein Abschied – die Ausstellung Sounds of Bethany im Künstlerhaus Bethanien
Endet morgen --> Ausstellungsbesprechung: Haben Sie eine Idee, welche Klänge eine Ausgabe des Wochenmagazins Der Stern erzeugt?
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