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Berlin Daily 30.04.2025
Ausstellungsrundgang + Gespräch

18 Uhr: mit Oliver Schübbe + 19 Uhr: Ausstellungen nachhaltig denken und nachhaltig produzieren mit Bernard Vienat und Oliver Schübbe. Im Rahmen von "11. RecyclingDesignpreis". Galerie Nord | Turmstraße 75 | 10551 Berlin

Neuanfang mit Echo. It’s Just a Matter of Time. Sammlung Deutsche Bank im Dialog

von Maximilian Wahlich (22.04.2025)


Neuanfang mit Echo. It’s Just a Matter of Time. Sammlung Deutsche Bank im Dialog

James Gregory Atkinson, CET CST, 2021/22, courtesy James Gregory Atkinson

Umbruch. Neuanfang. Doch der letzte Zustand hallt nach: manchmal laut, manchmal leise und dafür stetig. Die Vergangenheit hat ein „Echo“ und dieses Geräusch möchte die aktuelle Ausstellung It’s Just a Matter of Time (dt.: Es ist nur eine Frage der Zeit) im PalaisPopulaire sichtbar machen. Insgesamt werden im Obergeschoss über 20 Positionen gezeigt, vor allem zeitgenössische, vereinzelt auch Künstler*innen der klassischen Moderne, viele Objekte aus der Sammlung der Deutschen Bank und einige Leihgaben.

Die meisten Werke befassen sich mehr oder weniger direkt mit der vielseitigen Geschichte des Ausstellungsortes selbst. Das Palais wurde 1733 erbaut. Ende des 18. Jahrhundert zogen König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise mit ihren Töchtern Charlotte, Alexandrine und Luise in das Gebäude, das von da den Namen Prinzessinenpalais erhielt. Das repräsentative Palais wurde dem Adel Jahrzehnte später im Zuge der Novemberrevolution entzogen und zum Museum umgebaut. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, zerfiel es mit der Zeit. Nach dem Abriss der Ruinen wurde es von 1962–1964 rekonstruiert. Während der DDR war es dann als Operncafé eine beliebte Ausgehadresse.

Nancy Lupos Installation Untitled (2023) bezieht sich konkret auf die frühe Nutzung des Ortes: Auf dem Boden liegen reihenweise Papierkronen. Wir kennen diese goldenen Schablonen-Kronen von Kindergeburtstagen. Die aneinandergeklebten Bahnen wickeln sich wie Schleifen über die gesamte Fläche und bilden einen Irrgarten oder besser einen Strudel. Lupos nimmt die Krone, das Attribut des Adels, von ihrem Sockel. Zur Papierbahn mutiert, hat sie ihren Glanz und vor allem ihre Bedeutung verloren – wer eine Krone trägt ist nicht mehr König.
Regeln ändern sich mit der Zeit, ein Wertekanon verliert an Bedeutung und wird als falsch empfunden. Eine Gegenwart implodiert. Besonders deutlich wird dies auch bei wirtschaftlichen Zusammenbrüchen – etwa wenn eine Währung plötzlich wertlos geworden ist. Julian Irlingers Kites (2025, dt.: Drachen) sind Papierdrachen aus entwerteten Geldscheinen, sie schweben frei im Treppenhaus und repräsentieren die Instabilität eines Systems. Denn der gesamte Kapitalismus beruht auf der gesellschaftlichen Übereinkunft, dass die aufgedruckte Zahl einen Wert definiert. So beunruhigend das hohle Konstrukt ist, so sehr setzt Irlinger mit den Drachen ein hoffnungsvolles Zeichen.

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Installationsansicht „It’s Just a Matter of Time”, PalaisPopulaire 2025, Foto: Mathias Schormann, © Estate Felix Gonzalez-Torres, Wisrah C. V. da R. Celestino, Cornelia Schleime

Ganz in der Nähe hängen zwei Uhren nebeneinander, ticken im gleichen Takt: 17:16 Uhr in Friedberg/Hessen und 10:16 Uhr in Chicago/Illinois. Die zwei Orte markieren zwei wesentliche Punkte in James Gregorys Familiengeschichte: Chicago als Geburtsort seines Vaters, Friedberg als Ort, wo sich seine Eltern kennenlernten. Gregorys zeigt mit CET/CST (2025) gleich mehrere US-Europäische Achsen: Die Uhren sind von einer US-Amerikanischen Firma produziert und verwendet worden in den US-Militärstationen in Deutschland. Eigentliches Thema sind jedoch die Ungleichzeitigkeiten im gleichen Moment. Beispielsweise kämpften die afroamerikanischen US-Soldaten im eigenen Land mit Rassismen, unter anderem aus der vermeintlich überwundenen Kolonialzeit, und gleichzeitig sollten sie Europa vom Nazi-Regime befreien.

Eine ähnliche Parallelität gibt es auch in der Geschichtsschreibung, wo sich meist ein Narrativ durchsetzt, zu Gunsten bestimmter Machtverhältnisse und einflussreicher Gruppen. Nebenher laufen dann die Geschichten marginalisierter und diskriminierter Gruppen, beispielsweise erscheint das Narrativ von BIPoCs oder queeren Menschen häufig wie eine separate Zeitschiene, die irgendwie abweicht und immer wieder mit den hegemonialen Narrativen zusammenstößt.
Dazu passt das Paradox, dass das Operncafé, nur wenige Meter vom Palast der Republik entfernt, in der DDR-Zeit auch ein wichtiger Treffort der queeren Szene war.
Die Arbeiten von Georges Tony Stoll oder Felix Gonzalez-Torres verweisen auf diesen Aspekt der Geschichte. Durch die blauen, transparenten Vorhänge lassen sich die Baumkronen draußen erahnen. Die Vorhänge von Gonzalez-Torres` Untitled (Loverboy) (1989) irritieren das gewohnte Ausstellungssetting: Es bekommt eine ungewohnt private Atmosphäre, die blauen Stoffe markieren eine Grenze zum Außen und schützen das Innere vor potentiellen Kontrollen, Angriffen, Verboten.

Die Ausstellung erzählt von historischen Ereignissen, von traumatischen Veränderungen, nostalgischen Rückblenden. Geschichte ist im Fluss, das Heute ist nur ein Moment und in der gleichen Sekunde schon vergangen. Die ausgestellten Werke betten sich ganz unterschiedlich in das Thema ein, manchmal ganz konkret an einen Ort, eine Zeit gebunden, manchmal eher assoziativ und frei.

Ausstellungsdauer: 10.4. - 18.8.2025
It’s Just a Matter of
Time. Sammlung Deutsche Bank im Dialog

Öffnungszeiten:
Täglich außer Dienstag 11–18 Uhr
Donnerstag 11–19 Uhr

PalaisPopulaire
Unter den Linden 5
10117 Berlin
www.palaispopulaire.db.com

Maximilian Wahlich

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