Ein Haus, umweht von einer Brise, gerahmt von üppigen Bäumen. Dort ist die Familie, weitab. Dort ist das Leben irgendwie anders, vielleicht schöner, vielleicht entspannter, vielleicht unsicherer. Auf jeden Fall ist es Dort und Hier ist woanders.
Hier und Da, Dort und Woanders – diese Pole werden durch Transfers wie Briefe, Erinnerungen und manchmal auch Geld überbrückt. Sie werden zu Vermittlern zwischen Kontinenten und Lebenswelten, kompensieren Schuldgefühle, schaffen Nähe und Verbindlichkeit.
Angetrieben wird dieser Austausch – ob materieller oder symbolischer Art – durch eine fortlaufende Migration von Gesten, Bildern und Bedeutungen. Sie sind Thema der neuen Ausstellung „CLOSE TO HOME. Remittance Spaces Between Arrival and Return” bei SAVVY im Berliner Wedding. Die zwölf künstlerischen Beiträge (insbesondere im Erdgeschoss) wirken wie einzelne Bühnen, die parallel und gleichrangig zueinander stehen – in Freundschaft, in Verwandtschaft, in Widerspruch und Unterschiedlichkeit.
Das Verhältnis von selbstlosem Geben und eigennützigem Freikaufen wird in der Installation „Cross my Palm With Silver“ (2025) anschaulich austariert. Die Künstlerin Akshita Garud gestaltet Räume und schafft Geschichten für einen offenen, positiven Dialog. Bei SAVVY liegen auf einem verspiegelten Display silbrig schimmernde „Doppellöffel“, die auf zwei Seiten Kellen haben. Die Aufforderung an die Besuchenden lautet schlicht: eine Person nimmt einen Löffel, sieht sich dabei im Spiegel, probiert die Lebensmittel in den Löffelschalen und entscheidet, was das Gegenüber bekommt. Die silbrige Materialität und Präsentation der Löffel wirft Fragen nachKlassenzugehörigkeit auf. Wer bekommt was? Wie lässt sich Großzügigkeit bemessen? Welche Rolle spielt Sicherheit, um überhaupt geben zu können?

Auch in der Videoarbeit „Imaginary Homeland“ (2022–24) von Pegah Keshmirshekan werden Klassenfragen thematisiert, wobei sie vor allem vom Spagat zwischen Ferne und Nähe, Fiktion und Realität erzählt. Keshmirshekan befasst sich in ihrer künstlerischen Praxis viel mit Archiven, Besitzverhältnissen und Fragen zur Zugehörigkeit, bspw. zu einer Kultur oder einem Personenkreis. Die Besuchenden hören das Interview einer fiktiven Persona, Busfahrerin und Künstlerin. Das Video gewährt Einblick in ihre Tagträume: flirrende Wärme, exzentrisch rote Blüten, ein astralblauer Himmel. Immer wieder durchkreuzen hektische Straßenszenen das Video. Die starke Bildsprache vermittelt ein Gefühl für die innere Zerrissenheit zwischen Hier und Dort, dem Jetzt und dem Bald, der Verpflichtung und dem Traum.

Projektionen, Fragestellungen und Erwartungen oszillieren, verdichten sich netzartig zu einem „Remittance Space“. Ein solcher Raum wird in Patrick Jimenez Krämers Installation „Bahay Kubo“ (2025) beleuchtet. Es ist das verkleinerte Modell eines Hauses, das seine Familie über „Rücküberweisungen“ finanzierte. Es ist umhegt von Fotografien, sozusagen der bilderreiche Nährboden wie es auszusehen hat und aussehen wird. Das Bauprojekt steht für Sicherheit, Aufstieg und zementiert die transkulturelle Verbindung. Abgewickelt wurde der monetäre Transfer wiederum über ein kleines Pfandhaus, das einem Späti ähnlich sieht. Dieser Kiosk ist das Scharnier zwischen Orten, ein „Remittance Space“, der das Dort mit dem Hier verbindet und plötzlich scheinen sie einander gar nicht mehr so fern.
Künstler*innen: Lizza May David, Akshita Garud, Hasan Gündoğan & Deniz Örün, Samuel Hilari, Patrick Jimenez Krämer, Pegah Keshmirshekan, Ilaaf Khalfalla, Van Bo Le-Mentzel, Yairan Montejo, Tra My Nguyen, Canan Öztekin, Jeanne-Ange Wagne
CLOSE TO HOME. Remittance Spaces Between Arrival and Return
Ausstellungsdauer: 11.09.–19.10.2025
S A V V Y Contemporary
The Laboratory of Form-Ideas
Reinickendorfer Straße 17
13347 Berlin
www.savvy-contemporary.com
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