"Wie bei Hempels unterm Sofa": Teile einer verranzten Sitzecke, lädierte Regale, heruntergekommene Stühle, überall verteilte Holzstücke und seltsame kinetische Elemente - rustikal dysfunktional geht es zu in Matthew Burbidges ausufernder Installation. Viel zu lang sei der Winter dieses Jahr gewesen. Daraus erklärt sich der Brite seine Auswahl von vorrangig dunklen Hölzern und Farben für seine Installation >Das verlorene Paradies<. Großen Wert legt Burbidge dabei auf das narrative Moment, das all den verwendeten Materialien aus dem häuslichen und Bastlerinterieur innewohnt.
Matthew Burbidge ist einer der 20 nationalen und internationalen Stipendiaten, die jedes Jahr von der Akademie der Künste gefördert werden. Unter dem Titel >Junge Akademie< bekommen junge Künstler/ Innen die Möglichkeit, ihre Projekte zu verwirklichen. Nur jedoch, wer von einem Mitglied der Akademie der Künste empfohlen und durch die Mitgliederjury ausgewählt wird, hat die Chance eines der Stipendien in den Sektionen Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur und Darstellende Kunst, Film- und Medienkunst zu ergattern. In der Ausstellung >Bohrmaschinen im Paradies< können ab dem 29.05. Werke der Stipendiaten 2004 aus dem Bereich Bildende Kunst begutachtet werden.
Vier Künstler/ Innen - vier Nationen: Caroline Armand (Frankreich), Teske Clijsen (Niederlande), Suse Weber (Deutschland) und Matthew Burbidge (Großbritannien). Ein großer Pluspunkt der >Jungen Akademie< ist ihre Internationalität. Keiner der Künstler/ Innen ist jedoch in besonderer Weise mit der eigenen Nationalität befaßt. So resultierte z.B. Caroline Armands Arbeit >Zeitschichten< aus einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem sich die Akademie der Künste im Hansaviertel befindet. In sorgsamer Archivarbeit hat sie Pläne des Hansaviertels unmittelbar nach der Bombardierung ausfindig gemacht und diese in Zusammenhang mit den städtebaulichen Bauvorhaben nach dem Krieg gebracht. Die Diskrepanz beider Gestaltungsentwürfe wird vor allem in einem s/w Photo deutlich, in dem die Künstlerin eine Luftaufnahme des zerbombten Hansaviertels mit dem Grundriß der von Werner Düttmann entworfenen Akademie der Künste überblendet. Dazu hat Armand diverse Raumkörper aus Pappe entworfen, die den Verlauf des Hauses, das sich zuvor an der Stelle der Akademie befunden hatte, illustrieren sollen.
In Suse Webers >Parade< werden verschiedene skulpturale Elemente auf einer laufstegartigen Plattform aneinandergereiht. Leuchtende, klare Farben und glatte, glänzende Oberflächen bilden die Grundlage dieses symbolisch aufgeladenen Ensembles. Im Mittelpunkt der Skulptur befindet sich >Kassandra< - ein knallig blaues, kanonenartiges Gebilde mit einem im Zwiebelmuster verzierten LKW- Reifen. Auf das Buch von Christa Wolf zurückgehend, soll >Kassandra< als eine sehende Figur verstanden werden. Neben der Seherin reihen sich stark abstrahierte, großformatige >Döner< in die >Parade< ein, welche Weber mit ihrem Wohnort Kreuzberg in Verbindung bringt. Eine wichtige Inspirationsquelle stellen zudem Symbole dar, die mit Mustern verschiedenartiger Herkunft kombiniert werden. So kann man z.B. in einem japanischen Gittermuster auf dem Boden einen versteckten Davidstern entdecken.
Auffallend ist die Bastler- Attitüde, welche von den ausgestellten Künstlern an den Tag gelegt wird - die Bohrmaschine dürfte dabei jedoch allenfalls von Teske Clijsen ausgiebige Benutzung gefunden haben. In ihrer tunnelhaft verzweigten Installation >Somehow I am not quite there< spielen Abzugshauben die Hauptrolle. Diese saugen von Nebelmaschinen erzeugten Rauch in das Innere der miteinander verbundenen Holzkuben.
Jeder Mensch ein Künstler- jedem Menschen einen Bohrer!
>Bohrmaschinen im Paradies<
29. Mai bis 26. Juni 2005
Akademie der Künste
Hanseatenweg 10/ Halle 3
Berlin Daily 15.11.2025
Ausstellungsrundgang und Künstler:innengespräch
17 Uhr: mit der Kuratorin Keumhwa Kim im Rahmen der Ausstellung beyond tongues. Synästhetische Übertragung. Sarah Oh-Mock & Bongjun Oh Galerie im Saalbau | Karl-Marx-Str. 141 | 12043 B
>Bohrmaschinen im Paradies< - Ausstellungsbesprechung
von Stefanie Ippendorf
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