Editorial

Liebe Leser,

soweit das neue Kulturgutschutzgesetz illegal ausgeführtes Kulturgut insbesondere aus Krisengebieten effektiv an die Ursprungsländer zurückfuhren will, besteht Einigkeit in der Kulturlandschaft. Streit entzündet sich aber bei der Frage, wer hier zukünftig nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren über die„Ausfuhrfreiheit“ bis dato im europäischen Binnenmarkt schrankenfrei ausführbarer Kunstgegenstände entscheiden soll. Wertgrenzen lassen dabei nur bedingt Rückschlüsse zu. Auch die Frage, ob eine „Ausfuhrsperre“ nicht mit einer Entschädigung für den Eigentümer einhergehen müsse, wird diskutiert. Es geht weniger um den seltenen Fall, dass ein Sammler beim Umzug ins Ausland ein gegebenenfalls vom Export ausgeschlossenes Sammlungsstuck zurücklassen muss, sondern vielmehr um den finanziellen Verlust, der dadurch eintritt, dass ein Stück nur noch dem heimischen Markt zur Verfügung steht und zum Beispiel nicht mehr in London zum Verkauf angeboten werden kann – und wenn man ganz ehrlich ist, von dort im Nebel weitersegelt. Nüchtern betrachtet wird also über die negative Folge des Ausfuhrverbots für den merkantilen Wert eines zum national wertvollen Kulturgut „erhobenen“ Kunstwerks gestritten. Sich über den Wertverfall zu ärgern, ist vollkommen legitim, wenn die Diskussion unter der Prämisse des freien Handels in einem freizügigen Europa geführt wird. Andererseits ist der Schutz zumindest eines Kernbereichs national wertvoller Kulturguter gegen Abwanderung ebenso gerechtfertigt, wobei die hiesigen Museen diesen Kernbereich weitestgehend abdecken. Auch wenn das geplante Gesetz nun nicht mehr aufzuhalten ist, es wird erst dann zur „Katastrophe“, wenn Ausfuhranträge zukünftig nicht effizient bearbeitet werden und die zuständigen Sachverständigenausschüsse ihre Zurückhaltung bei der Einordnung von in Privateigentum befindlichen Werken als „identitätsstiftend für die Kultur Deutschlands“ aufgeben.

Eine informative Lektüre wünscht herzlichst Ihr
Ulf Bischof

kur-journal.de