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Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo im Haus am Waldsee

von Maximilian Wahlich (22.10.2020)
vorher Abb. Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo im Haus am Waldsee

Naum Gabo, Modell für lineare Raumkonstruktion, (unvollständig) Konstruktionselement, nach 1930, Perspex, 45 x 36 x 36 cm, Courtesy Berlinische Galerie, Schenkung Nina and Graham Williams, Biddenden/Kent, Großbritannien, 1988, Foto: Kai-Annett Becker

Das Haus am Waldsee setzt unter dem Titel Into Space die drei Künstler*innen Björn Dahlem, Berta Fischer und Naum Gabo in Dialog. Sie eint die Faszination für den Weltraum und den Kunststoff als Material.

Seit jeher reizt den Menschen das Unendliche, der Weltraum. Ein Kosmos, Abermilliarden von Sternen und Galaxien. In diesen Relationen wird unsere Erde zum Atom, zur denkbar kleinsten Einheit von Lichtjahren an Entfernung und Milliarden Jahren Alter.
Begonnen hat die Auseinandersetzung mit den Sternen in frühester Menschheitsgeschichte. Sterne boten Orientierung und wurden zum Bestandteil mystischer und astrologischer Konzepte. Vor rund 100 Jahren waren es Physiker wie Albert Einstein und Edwin Hubble, die angefangen haben, den Weltraum wissenschaftlich zu berechnen – mit Modellen näherten sie sich den unvorstellbaren Weiten an.
Damals war auch der junge Naum Gabo (1890 in Brjansk, Russland - 1977 in Waterbury, USA) Studierender der Architektur, Physik und Kunstgeschichte in München. Erst nach dem Ersten Weltkrieg sollte die Bildende Kunst sein bevorzugtes Arbeitsgebiet werden. Zu der Zeit formulierte Gabo mit seinem Bruder Antoine Pevsner das Realistische Manifest, in dem er für eine Plastik ohne Volumen und Farbe eintrat. 1922 in Berlin angekommen, dem damaligen Epizentrum fortschrittlicher Wissenschaften, wandte der russische Künstler sich neuen Materialien zu. Insbesondere die Kunststoffe hatten es ihm angetan. Als neue Erfindung waren sie frei vom geschichtlichen Ballast und Stellvertreter einer modernen und visionären Zeitauffassung.


Naum Gabo, Säule, 1922/23, Perspex auf Aluminiumuntersatz, 28,5 x 19,2 cm, Courtesy Berlinische Galerie, Schenkung | donation Nina und | and Graham Williams, Biddenden/Kent, Großbritannien | Great Britain, 1988

In der Ausstellung sind drei Arbeiten von Naum Gabo aus der Berlinischen Galerie zu sehen. Sie stehen beispielhaft für seinen Umgang mit den zeitgemäßen Materialien. Eine Aluminiumplatte ist Grundfläche der kleinen Plastik Säule, die sich aus weiteren Ebenen, einem diagonalen Ring und Plexiglasplatten aufbaut. Der transparente Kunststoff verleiht der Arbeit Leichtigkeit, sie scheint sich nach oben aufzulösen und ihre Substanz zu verlieren. Damit ist Säule nicht nur ein Beispiel für die Technikbegeisterung dieser Zeit, sie wird auch zum Ausdruck einer geradezu sphärischen Metaphorik, welche physikalische Gesetze wie die Gravitation auszuhebeln sucht.
Gabo, unter anderem für das Bühnenbild für das Pariser Ballett La Chatte von Sergei Djagilew beauftragt, wird zum Vorreiter einer Ästhetik, die auch Filmprojekte wie Frau im Mond von Fritz Lang prägten.
Seine wegweisenden Kunstwerke bilden den Ausgangspunkt für den Dialog mit den zwei zeitgenössischen Berliner Künstler*innen Björn Dahlem und Berta Fischer, die eigens für diese Ausstellung neue Arbeiten produzierten.


Berta Fischer, Awtokin, 2020, Acrylglas, 305 x 230 x 280 cm, Courtesy die Künstlerin und Galerie Barbara Weiss, Berlin, Foto: Jens Ziehe

Berta Fischer (*1973 in Düsseldorf) arbeitet bevorzugt mit Kunststoffen wie Acrylglas, das wiederum in den 1920er Jahren erfunden wurde. Ihre Arbeiten schweben im Raum, berühren kaum den Boden oder die Wände. Die organischen Formen scheinen entkoppelt von der Schwerkraft. Ihre Arbeitsweise ließe sich als intuitiv beschreiben, indes sie die Formen und Farbgebungen sehr wohl plant. Sind die erwärmten Platten erst einmal geformt, können sie nur noch minimal korrigiert werden. Die zarte Farbgebung der amorphen Formen reflektiert das Tageslicht. Somit wird Licht zum eigentlichen Medium ihrer Arbeiten, wobei ihre Gebilde wie architektonische Pflanzen zu wachsen scheinen.


Björn Dahlem, Mond, 2018, Holz, Aluminium, Stahl, Spiegel, Glühbirnen, Durchmesser ca. 130 cm, Courtesy Privatsammlung

Björn Dahlems (*1974 in München) Arbeiten suchen einen wissenschaftlichen Zugang. Grundlage sind Modelle wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dahlem versteht das Bild nicht nur als ein Medium, sondern als unsere Wirklichkeit selbst. Motivisch greift er auf diese Visualisierungen wissenschaftlicher Erkenntnisse zurück. Dabei verfremdet er sie mittels alltäglicher Objekte wie Holzlatten, Globen oder mit Kitschobjekten, wobei diese Gegenstände die abstrakten Theoreme greifbarer werden lassen. Beispielsweise besteht Dahlems Arbeit Mond aus Holzlatten, Glühbirnen und Spiegeln. Auf Höhe des Oberkörpers hängt das kugelförmige Objekt von der Decke. Aus dem Korpus staksen lange Fühler mit Glühbirnen, die versiegelt sind. Ihr Licht strahlt nicht in den Raum, beleuchtet werden viel mehr Konstruktion und Spiegel. Hell und doch verschattet deckt sich das Licht mit dem eigenartig Hellen der Nacht.
Gegenüber dem Mond befindet sich die Arbeit Awtokin von Fischer, die ebenso von der Decke hängt. Die organischen Formen wecken Assoziationen an das Fließen des Wassers, scheinen aber eingefroren zu sein. Das erstarrte Material wird durch das Wechselspiel mit Licht und Farbe lebendig. Ähnlich einem Vorhang nehmen die zwei Lagen aus rosa und gelben Plastik das durch das Fenster einfallende Licht auf. Gleichzeitig spiegelt die Arbeit auch die Lichtreflexe des Mondes wider, während die Spiegel in Dahlems Mond die Arbeit Fischers reflektieren.

Dienstag bis Sonntag von 11.00 – 18.00
Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo
18. Oktober 2020 – 10. Januar 2021

Haus am Waldsee
International Kunst in Berlin
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Tel. 030 / 801 89 35
Fax 030 / 802 20 28

hausamwaldsee.de

Katalog: 24 €

Maximilian Wahlich

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