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Videokunst von Zuhause aus

von Ferial Nadja Karrasch (07.03.2021)
vorher Abb. Videokunst von Zuhause aus

Anri Sala, If and Only If, 2018, Filmstill, Zwei-Kanal-HD-Video und diskrete 4.0-Surround-Sound-Installation, Farbe, 9:47 Min, Courtesy: Marian Goodman Gallery, Galerie Chantal Crousel

Vielleicht wollen Sie sich, bevor Sie diesen Text lesen, Strawinskys Elegie für Viola Solo anhören. So haben Sie den Klang des Videos If and Only If (2018) von Anri Sala im Ohr. Sie können beim Hören die Augen schließen und sich dieses Musikstück ein wenig verändert vorstellen: ein bisschen langsamer, ein bisschen vorsichtiger gespielt. Und dann malen Sie sich aus, wie eine Gartenschnecke auf dem Bratschenbogen langsam nach oben, in Richtung Spitze kriecht. Imaginieren Sie, wie die Schnecke mitsamt dem Bogen auf und ab fährt, um ein Vielfaches schneller als sie es selber vermag sich vorzubewegen. Gleichzeitig kriecht sie in ihrem eigenen Tempo nach vorne, das immer wo anders liegt in diesem Strawinsky-Schnecken-Raum-Zeit-Gefüge.
In Salas If and Only If spielt Gérard Caussé, einer der besten Bratschisten der Welt, die „Elegie“ in ständiger und enger Abstimmung mit zunächst einer Schnecke und später zwei Schnecken: Abrupte Bewegungen des Bratschenbogens müssen verhindert werden, Caussés Spieltempo nimmt Rücksicht auf die Weichtiere, die so eine eigene Rolle einnehmen im Prozess der Neuinterpretation des Stückes.
Der Künstler Anri Sala (*1974 in Tirana, Albanien, lebt in Berlin) lotet in seinen Arbeiten die Beziehungen zwischen Klang, Bild und Raum aus. Der Künstler setzt sich mit Musik und Rhythmus auseinander und untersucht ihre Funktion als Kommunikationsmittel zwischen Menschen.
In If and Only If fokussiert er einen faszinierenden Aspekt der Realisierung eines jeden Musikstücks: die vielen unterschiedlichen Facetten der non-verbalen Kommunikation der an dem jeweiligen Stück Beteiligten. Für die Betrachterin, die Außenstehende, wirken die ausgetauschten Blicke der Musiker*innen, die minimalen Wechsel einer Mimik, die Hand- und Armbewegungen wie eine geheime, aber kraftvolle Sprache. Im Fall von If and Only If sind es nicht nur die nach innen, auf das eigene Gefühl gerichtete Konzentration des Bratschisten, seine Orientierung an den Vorgaben des Komponisten und die Interaktion mit dem Instrument, es ist auch die behutsame Rücksichtnahme, der Blick auf die Gartenschnecken. All diese verschiedenen non-verbalen Kommunikationsformen führen zu einer ganz besonderen Version von Strawinskys Elegie für Viola Solo .

Salas If and Only If ist Teil des Lockdownprogramms Videkokunst aus Berlin, einer achtteiligen Online-Ausstellung, die vom Haus am Waldsee in Kooperation mit Videoart at Midnight (Olaf Stüber und Ivo Wessel) gezeigt wird. Kuratiert von Katja Blomberg und Olaf Stüber, sind jeweils eine Woche lang – von Mittwoch bis Dienstag – Videoarbeiten von in Berlin lebenden Künstler*innen zu sehen.


Omer Fast, The Invisible Hand, 2018, VR-Film auf HD adaptiert, 11:30 Min, produziert vom Guangdong Times Museum, Foto: Vega Fang

Das Programm startete mit Omer Fasts The Invisible Hand (2018). Der Film spielt in der Volksrepublik China und wird aus Sicht der Tochter des Protagonisten erzählt. Als kleiner Junge stieß ihr Vater bei einem Waldspaziergang auf einen aus dem Boden ragenden Finger und einen daneben liegenden Ring. Anstatt den Ring an den sonderbaren Finger zurückzugeben, zog der Junge ihn selbst an – ab diesem Zeitpunkt gelangte seine Familie auf unerklärliche Weise zu Wohlstand. Doch eines Tages, auf der Hochzeit des mittlerweile erwachsenen Mannes, taucht der Geist, dem der Ring gehörte, in Gestalt einer Frau auf. Sie fühlt sich, jetzt wo der Mann sich an eine andere Frau bindet, betrogen und spricht einen Fluch über die Familie aus. Von da an sind die Familienmitglieder dazu verdammt, immerzu die Wahrheit zu sagen. Ihre Ehen und Freundschaften gehen zugrunde, sie verlieren ihre Jobs und fristen ein unglückliches Dasein.
Die Geschichte basiert auf einem jüdischen Märchen aus dem Mittelalter, das Fast in die Gegenwart und das urbane Setting der chinesischen Stadt Guangdong übersetzte. The Invisible Hand wurde vom Guangdong Times Museum in Auftrag gegeben und hier erstmals gezeigt; allerdings untersagten lokale Behörden den Film bereits nach ein paar Tagen mit der Begründung, dass es in der VR China keine Geister mehr gebe.
Ursprünglich ist The Invisible Hand ein immersiver 3D Virtual Reality-Film, doch die Elemente des Phantastischen und des Unheimlichen, die oft Bestandteil von Fasts Arbeiten sind, wirken auch auf dem heimischen Laptop-Bildschirm.

Ebenfalls in China spielt das Video The Meteorite (2011). Für diese Arbeit reiste Antje Majewski (*1968 in Marl, lebt in Berlin) in das Dorf Yang Wu Sha, wo seit Jahrhunderten aein großer Meteorit aufbewahrt wird. Die einen sehen das Gestein als Schutz vor bösen Kräften, die anderen jedoch… ach sehen Sie selbst: lockdownprogramm-videokunst/

Und beeilen Sie sich, der Dienstag kommt schneller als gedacht.


Ferial Nadja Karrasch

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