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Der Kunstmarkt in der Krise - Die brennende Woche als großer Wurf

von chk (23.04.2021)
vorher Abb. Der Kunstmarkt in der Krise - Die brennende Woche als großer Wurf

Interpretation einer Banane im Kunstkontext durch Künstliche Intelligenz,Foto: kuag

Was wäre Berlin ohne seine Kunst- und Kulturszene? Arm und noch ärmer im Strudel von Gewinnstreben, Leistungsmaximierung und Konsumrausch, von sexy ganz zu schweigen. Doch es kriselt in diesem Bereich - und das nicht erst seit Covid 19. Insofern durfte man gespannt sein, welche neuen Ideen auf der Online-Veranstaltung Kunstmarkt in der Krise, zu der letzten Mittwoch die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen geladen hatte, diskutiert wurden.

Bereits 2019 veröffentlichte der Landesverband Berliner Galerien (lvbg) gemeinsam mit dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) eine Umfrage, die insgesamt pessimistisch stimmte. Zu den größten Problemen, mit denen sich Galeristen*innen auseinandersetzen, zählte die Mehrwertsteuererhöhung von 7% auf 19%, der mangelnde Einkaufsetat der Museen und die Mieten. Eine der erstaunlichsten Nachrichten war allerdings, dass über 84% der Galeristen*innen mit ihrem Wissensstand von 2019 keine Galerie mehr eröffnen würden (mehr dazu).

Probleme, die sich nicht geändert haben, wie Werner Tammen, Galerist und Vorsitzender des Landesverbandes Berliner Galerien, den aktuellen Stand beschrieb. Dennoch wurde jetzt in der Coronakrise durch die finanzielle Unterstützung seitens der Politik der "erste Dampf aus dem Kessel genommen". Viele nutzten das Geld außerdem für die digitale Transformation ihrer Unternehmen im Netz, was letztendlich eine Investition für die Zukunft darstellt. Tammen betonte, dass Berlin mit seinen über 300 Galerien der größte europäische Galerienstandort ist, der weit über die Kunstszene hinaus einen wirtschaftlichen Nutzen für die Stadt bringt. Damit das auch so bleibt und der Galerienstandort international "sattelfest" gemacht wird, wäre - laut Tammen ein zusätzliches Messeformat von Nöten. Insofern müsste die Messeförderung wieder voran getrieben und Events wie die Berlin Art Week stärker unterstützt werden.

In diesem Punkt widersprach der Sammler Axel Haubrok, der in weiteren Messeformaten keine Zukunft sieht und zudem darauf hinwies, dass für die Attraktivität Berlins zunächst die Künstler*innen entscheidend seien. Auch bezüglich der Berliner Galerienlandschaft bemängelte er das Fehlen vieler großer international renommierter Galerien und Auktionshäuser.
Alternativ zu weiteren Messen empfahl Haubrok das künstlerische Umfeld zu stärken und bestehende Strukturen von Veranstaltungsorten besser zu vernetzen und zu nutzen. Zugleich kritisierte der Sammler den fehlenden Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik, die immer noch nicht begriffen habe, welche Bedeutung dem Kulturbereich zukommt. Das unterstrich auch Notker Schweikhardt / Sprecher für Kultur- und Kreativwirtschaft, der das politische Unverständnis in diesem Bereich anprangerte und zugleich konkrete Handlungsanweisungen für die Politik einforderte. In diesem Sinne hielt Haubrok dann auch gleich einige Vorschläge parat, bspw. sollten langfristige Programme initiiert werden, die die verstärkte Nutzung des Leerstands durch Künstler- und Galerist*innen im Blick haben.

Dem stimmte Heidi Sill, berufsverband bildender künstler*innen berlin, zu, die für den Sommer die Veröffentlichung einer Bedarfsanalyse zur Raumsituation ankündigte. Hier ließen sich sicher sinnvolle Synergieeffekte zwischen Politik, Wirtschaft und dem bbk erzielen, der über 2.400 Mitglieder hat und u.a. bereits wichtige Arbeit auf dem Gebiet des Atelierraummanagements leistet. Von der Politik forderte Sill zudem eine angemessene finanzielle Unterstützung, die über die Überbrückungshilfen hinausgeht bzw. ein Neudenken der Künstlerförderung ebenso wie ein Festschreiben von Künstler*innenhonoraren.

Grundsätzliches kritisierte Maike Cruse / Direktorin des Gallery Weekend Berlin. Ihr fehlt die gebührende Anerkennung des Kunstmarktes und ein dezidiertes Verständnis seines Wirkungsfeldes. Der Kunstmarkt umfasst eben nicht nur öffentlichkeitswirksame Auktionsrekorde, sondern ebenso das Ausstellungswesen, Messen, Galerien und sonstige Kunstevents. Im Gegensatz zu anderen Städten wie London, Shanghai oder Basel fehlt in Berlin und darüber hinaus in Deutschland die politische Anteilnahme, stattdessen wurde die Mehrwertsteuer erhöht, was den Kunsthandel auf dem internationalen Markt erheblich schwächt. Nicht zuletzt betonte die frühere Kommunikationleiterin der Art Basel, dass die Berliner Galerien zu den drei am stärksten vertretenen Städten auf der Messe gehört.
Obwohl mehrmals betont wurde wie erfolgreich das Gallery Weekend sei, forderte Cruse für die Zukunft "eine brennende Woche", die über das übliche Stadtmarketing hinausgeht. Ideen gäbe es genug, bspw. könnte man Kunst im Öffentlichen Raum als Event inszenieren, Kunst auf die Straße bringen.
Doch ohne politische Unterstützung, eine potente Käufer*innenschaft, ein interessiertes Kunstpublikum, das durch ein kreatives Umfeld angezogen wird, sowie eine solides Auskommen hier ansässiger Künstler*innen wird Berlin als Kunstmetropole ihre Bedeutung zukünftig verlieren. Es bleibt also zu hoffen, dass die Grünen nicht die einzige Partei sind, die sich mit solchen Diskussionen auseinandersetzen und über die Vorschläge handlungsorientiert nachdenken.

Die Moderation der Diskussion hatte Daniel Wesener, Parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Kultur, Haushalt und Finanzen, inne.

chk

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