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Berlin Daily 10.12.2024
Künstler*innengespräch

19 Uhr: mit Professorin für Medienkunst an der HGB Leipzig, Christin Lahr und den Künstler*innen der Ausstellung "Crimes of Carelessness (the deep and the foamy)" (engl.). VILLA HEIKE | Freienwalder Str. 17 | 13055 Berlin

Künstlerhaus Eisenhammer: Im Gespräch mit dem Maler Franz Rentsch

von chk (21.12.2021)
vorher Abb. Künstlerhaus Eisenhammer: Im Gespräch mit dem Maler Franz Rentsch

Franz Rentsch, +36°C, AOP Schlepzig, Acryl auf Leinwand, 130x300 cm, © Franz Rentsch

Das Künstlerhaus Eisenhammer ist ein Ort in der Spreewaldgemeinde Schlepzig, wo Künstlern und Künstlerinnen ein freier Denk- und Arbeitsraum für unkonventionelle Ansätze und experimentelle Zusammenarbeit geboten wird. Voraussetzung ist die Bewerbung um ein Stipendium des Fördervereins aquamediale e.V.. Thematische & atmosphärische Eingebundenheit in das kulturelle Leben der Lausitz, das Interesse am künstlerischen Experiment mit Wirkung auf die Region oder ein gewünschter Diskurs mit den Bürgerinnen & Bürgern sind einige der Kriterien, die erfüllt werden sollten. Mehr dazu auf der Website des Künstlerhaus Eisenhammer.
Die Stipendiat*innen, die 2021 vor Ort arbeiten oder gearbeitet haben, sind: Robert Seidel, Franz Rentsch, Julia Eichler, Alex Besta, Maidje Meergans, Maria Lüdeke, Gabriela Jolowicz und Ingar Krauss. Wir freuen uns, Ihnen einige der Stipendiat*innen auf art-in-berlin näher vorstellen zu können. Dieses Interview führten wir mit Franz Rentsch:

Carola Hartlieb-Kühn: Lieber Franz Rentsch, es ist noch nicht lange her, dass Sie Ihren Meisterschüler bei Sophia Schama an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle gemacht haben. Wenn meine Recherche stimmt, haben Sie kurz danach 2019, den Projektraum BLECH. Raum für Kunst Halle e. V. mitbegründet. Was war der Anlass und wie verlief Ihre künstlerische Laufbahn in diesem Zeitraum weiter?

Franz Rentsch: Ja richtig, 2019 habe ich meinen Meisterschüler schon im Kunstraum BLECH. präsentiert, als eine der ersten Ausstellungen dort. Wir wollten einen freien und unabhängigen Raum für zeitgenössische Kunst in Halle gründen, in dem wir alles zeigen können, was uns interessiert. Wir streben mit dem BLECH. Kollektiv einen Austausch mit Künstler*innen, Vereinen, Gruppen und Häusern an, die ebenfalls Interesse an Vernetzung und Austausch haben. So realisierten wir internationale Open Calls und Ausstellungen mit Künstler*innen und Ausstellungsorten aus anderen Städten, z. B. mit der Stiftung Reinbeckhallen in Berlin vor zwei Monaten. Bis jetzt läuft alles sehr gut.

chk: Was hat sich nach Ihrem Studium künstlerisch verändert?

F.R.: Anfangs musste ich mit der Selbstständigkeit und deren Herausforderungen zurechtkommen. Auch die Gemeinschaft der Malereiklasse fehlte mir. Auf der einen Seite schärft es den Fokus, wenn man nicht ständig mit anderen Kaffee trinkt, auf der anderen Seite fehlen hin und wieder genau diese Gespräche, die Auslöser für unterschiedliche Blickwinkel und Facetten sind. Die Hochschule bietet viel Rückhalt und Einbettung in den aktuellen Diskurs. Von dieser Anbindung profitiere ich jetzt in der Vereinsarbeit.
Meine Malerei wurde in den letzten zwei Jahren abstrakter und entfernte sich vom Narrativen, Figürlichen. Es geht mir seit 2019 mehr um das Erleben von Farbe, den virtuellen und unwirklich-illusionistischen Raum, den sie erschafft.


Franz Rentsch, Memory Serie, je 90x120 cm, 2019-21, Öl auf Leinwand, Ausstellungsansicht Reinbeckhallen, © Franz Rentsch

chk: Was sind die Themen, die Sie inhaltlich interessieren?

F.R.: Themen können ein Antrieb sein oder dem Prozess im Weg stehen. Nach dem Diplom und dem Meisterschüler war es mir wichtig, die Erfahrungen frei auszuspielen. Ich arbeitete an Serien, die sich von Bild zu Bild hangeln und den malerischen Prozess zeigen. Die Memory-Serie als Beispiel, benannt nach dem gleichnamigen Spiel wächst jedes Jahr um sechs Pärchen. Das sind Bilder, die kompositorisch, farblich oder auf andere Arten zueinander passen. Die nun schon 24 Leinwände werden durcheinander an der Wand zu einem riesigen Suchbild. Die Betrachtenden suchen die Pärchen und beschäftigen sich so auch mit Aspekten, welche bereits im malerischen Prozess eine Rolle spielen. Für mich ist diese Arbeit ein Zeitstrahl durch die eigene künstlerische Entwicklung.

chk: Sie arbeiten mit verschiedenen Medien: Malerei, Zeichnung, Collagen, Linolschnitte ... Ordnen Sie bestimmte Medien bestimmten Themenkomplexen zu?

F.R.: Tatsächlich habe ich mich im grafischen Bereich mehr auf das Figürliche, Mythologische gestürzt. Richtig extatische Wimmelbilder mit sehr vielen feinen ineinandergreifenden Linien. Meine Beschäftigung zu dieser Zeit mit europäischen Mythen, Sagen und den alten Liedern der Edda sind in ihrer Sprache oft so bildgewaltig, dass dem eine Illustration nicht mehr gerecht wird. So wurden die Malereien zuerst vielschichtiger und entwickelten sich dann weg von der einfachen Erzählung, hin zum metaphorischen Bild.

chk: Auf Ihrem Instagramaccount findet man unter Ihrem Namen zwei unterschiedliche Seiten. Auf der einen präsentieren Sie hauptsächlich Malerei auf der anderen Grafik.
Wie unterscheidet sich Ihr Bilderwelt und Symbolik in Malerei und Grafik? (das eine erscheint erzählerischer und figurativer, das andere abstrakter?


F.R.: Ja, das stimmt. Wie schon die beiden Techniken unterschiedliche Bildwelten aufzeigen, so verhält es sich auch mit den Seiten. Beide sind große Felder, zu welchen ich regelmäßig Beiträge hochlade. Ich habe von 2014-2019 vermehrt mit der Technik des Linolschnitts gearbeitet. Der sehr eigene Kosmos der Grafiken lebt in der Zeichnung und in meinen Skizzenbüchern fort. Und auf versteckte Weise in meiner Malerei. Die Malerei hat sich verselbstständigt mit ihren unheimlich umfangreichen Mitteln.


Franz Rentsch, Form2, 60x60cm,Öl und Lack auf Leinwand, 2020, © Franz Rentsch

chk: Sie sind in Lübben geboren, was hat Sie gereizt in den Spreewald zurückzukehren und sich hier vor Ort künstlerisch auseinanderzusetzen?

F.R.: Ich kehre immer wieder in den Spreewald zurück, um meine Familie zu besuchen. Nun ergab sich glücklicherweise die Gelegenheit, dass ich auch für zwei Monate im Künstlerhaus Eisenhammer leben und arbeiten konnte. Mich prägte der Spreewald, die Landschaft, die sorbische Tradition und die Spreewald typische Architektur von Kindheit an. Deswegen hat es sich sehr vertraut angefühlt, die künstlerische Welt in Einklang zu bringen mit dem Ort, an dem ich geboren bin. Es ist ein traumhaftes Arbeiten, wenn man im Sommer ein ganzes Haus mit Hinterhof an der Spree zur Verfügung hat. Überhaupt im Sommer draußen zu malen ist das Beste!

chk: Können Sie etwas genauer beschreiben, welches Projekt Sie während Ihres Stipendiums im Künstlerhaus Eisenhammer umgesetzt haben?

F.R.: Ich wollte während des Aufenthalts meine Arbeitsweise temporär verändern. Also nahm ich Werkzeug und Maluntergründe mit und baute meine Pinsel und Malutensilien in Schlepzig selbst. Der Ort sollte sich in die Malerei einschreiben. Ich fand am Fischteich vor Ort hunderte Gänsefedern und Rosshaare, die sehr stabil und lang fast wie eine Peitsche zum Malen genutzt werden konnten. Ich experimentierte mit selbst hergestellten Farben aus Pflanzensäften, Pigmenten, Ruß, Kohle, Röstroggen und dem Eisenocker - welches Robert Seidel zurückgelassen hatte. (Danke und liebe Grüße).
Die Destille genau gegenüber des Künstlerhauses benutzt zum Brennen eines bestimmten Whiskeys Röstroggen, welcher fein gemahlen an gebranntes Umbra erinnert. Diese erdige Farbigkeit taucht in vielen Arbeiten aus der Zeit meines Stipendiums auf. Eines der großflächigen Bilder malte ich mit einem in einen Wischer eingespannten Lappen. Bei +36°C trocknete das Bild sehr schnell. Die grelle Farbigkeit ist auch die Erinnerung an meinen in der Hitze brennenden Nacken.


Franz Rentsch, Fenrir, 120x170 cm, Öl und Lack auf Leinwand, 2021, © Franz Rentsch

chk: Mit was beschäftigen Sie sich aktuell? Beziehungsweise, was sind Ihre nächsten Projekte?

F.R.: Zurzeit übermale ich Arbeiten aus meinem Diplom. Oft bleibt von dem ursprünglichen Werk nur eine Ahnung zurück. Und genau dieses Transformieren ist es, was mich gerade umtreibt. Scharf abgekantete Flächen überdecken das vorherige Bild. Ich experimentiere hierfür mit einer neuen Farbpalette. Chrom, Silber, Grau- und Weißtöne, welche ich zum Teil selbst herstelle. Dicht an der Grenze des farblich ertragbaren, aber irgendwie doch anziehend sollen die alten/neuen Malereien sein.
Zusammen mit Sophia Schama planen wir eine Ausstellung im nächsten Jahr mit aktuellen Arbeiten von uns beiden. Höchstwahrscheinlich wird die Ausstellung durch die Galerie Paul Scherzer in Halle und in Berlin präsentiert.

Weitere Informationen:
www.franzrentsch.de
raumfuerkunsthalle.de/
www.paulscherzer.com
Instagram: @franz_rentsch, @franz_rentsch_grafik

chk

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"Eines der großflächigen Bilder malte ich mit einem in einen Wischer eingespannten Lappen. Bei +36°C trocknete das Bild sehr schnell. Die grelle Farbigkeit ist auch die Erinnerung an meinen in der Hitze brennenden Nacken." Mehr zu Franz Rentsch in unserem Interview:

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