18 Uhr: Antonia Rötger für das Faktenchecken mit einfachen Techniken und praktischen Übungen, ein im Rahmen der Ausstellung: „Schlaustärke. Klimaschutz statt Fake News“ Global Group 3000 | Leuschnerdamm 19 | 10999 Berlin
Das Georg Kolbe Museum, untergebracht im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus des Bildhauers, feiert seinen 75. Geburtstag und befragt aus diesem Anlass das ideelle und materielle Erbe seines Namensgebers. Georg Kolbe (1877-1947) war seit den 1920er-Jahren ein bekannter und gefragter Künstler und blieb es bis über seinen Tod hinaus.
Im Garten des Museums steht unter anderem der berühmte „Tänzerinnen-Brunnen“ (1922). Er wurde von Kolbe im Auftrag von Heinrich Stahl, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, für dessen Villa angefertigt. Stahl und seine Ehefrau Jenny wurden später aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit von den Nationalsozialisten verfolgt. Sie mussten ihr gesamtes Vermögen sowie ihren Besitz den Nationalsozialisten überlassen.
Unter dem steinernen Becken des Brunnens kauern drei Männer, deren Gesichtszüge den rassistischen Stereotypen Schwarzer Menschen entsprechen. Aus deren Mitte entspringt eine Art Blüte. Darüber tänzelt auf Zehenspitzen eine unbekleidete Frau. Ihre Beine sind leicht eingeknickt, ihr Körper neigt sich mit dem Kopf lasziv zur Linken die Arme sind vom Körper gestreckt. Ein Motiv, das heute fragwürdig scheint.
Dieser Brunnen und seine problematische Bildsprache sind nun Thema in David Hartts (*1967, Montréal) Videoarbeit Metabolic Rift. Die LED-Fläche steht vis-à-vis zum Brunnen, umgeben von Pflanzen, die bereits die Stoßrichtung des filmischen Kommentars zur rassistisch-sexistischen Motivik aufzeigen: das sibirische Springkraut (Impatiens parviflora) wurde in Rassentheorien der NS-Zeit eingebettet und das schmalblättrigen Weidenröschen (Epilobium angustifolium) wächst auch unter den unwirtlichsten Bedingungen munter weiter.
Das Video zeigt ein tänzerisches Solo, das den rauschhaften Tanz auf dem alten Brunnen übersetzt in eine langsame, konzentrierte und beinahe angespannte Studie. Keine Musik zu hören, sie könnte stören. Die Bewegungsabläufe sind exakt, der Tanz findet auf kleinem Raum statt. Am Boden befinden sich Markierungen, alles hat seinen Platz. Lichteffekte flackern und überblenden die Aufnahme immer wieder so stark, dass sich der Schwarz-Weiß-Kontrast genau umkehrt. Die Körpersprache ist steif, die Schultern justieren sich permanent, sie kreisen, renken sich ein, finden ihre Position. Geschärft mit diesem Blick, fällt auch die Anspannung in Kolbes steinernen Körpern auf, viele haben zusammengezogene Schultern, hochgezogene Achseln. Seine Figuren scheinen zu fallen und zugleich streben sie empor. Ihre Schwerelosigkeit ist antrainiert.
Auch der Körper der nackten Tänzerin auf dem Brunnen ist artifiziell. Er ist grazil, fein ausgearbeitet und glatt geschliffen. Der Sockel mit den Männern, für die Kolbe einen Schwarzen Menschen hat Modell stehen lassen, ist dagegen eher klobig in Stein gehauen. Die Männer sind auf ihren Platz verwiesen – ihre Körperhaltung ist eingeklemmt und eingezwängt unter dem Dach der Blüten. Suchen sie Schutz oder werden sie erniedrigt?
Die Tanz-Performance in David Hartts Video verkörpert die Schwierigkeit im Umgang mit diesem Brunnen: er ist Zeugnis seiner Zeit, doch verletzt er Menschen und verstört uns heute.
Dieser Spagat wird auch in der Jubiläumsausstellung Tea and Dry Biscuits im Inneren des Künstlerhauses thematisiert. Dort werden Kolbes Figuren aus zeitgenössischer Perspektive in Dialog gebracht. Die Ausstellung vereint Arbeiten von rund zehn Künstler*innen, die sich mit der Sammlung auseinandergesetzt haben: faulige Orangen (Álvaro Urbano)liegen verstreut im Raum, die Hand ist einbandagiert und veranschaulicht Verwundbarkeit, Spiegel (Ryan Gander) konfrontieren die muskulösen Körper des Skulpturen mit der Präsenz der Besucher*innen.
In Hartts Arbeit agiert der Tänzer, der selbst als BIPoC gelesen werden kann, vorsichtig, aber vor allem ist seine Körperhaltung selbstbewusst. Er setzt dem Brunnen ein klares Gegenüber, einen Antipoden. Der Kommentar ist deutlich – wir sehen den historischen Wert, wir sind selbst Teil davon, können uns aber auch selbstständig dazu positionieren und unseren eigene Umgang definieren.
David Hartt
Metabolic Rift
Ausstellungsdauer:
14. Juni 2025 – 28. September 2025
Georg Kolbe Museum
Sensburger Allee 25, 14055, Berlin
georg-kolbe-museum.de
Titel zum Thema Georg Kolbe Museum:
Verschleppte Einsichten. Der Tänzerinnen-Brunnen im Georg Kolbe Museum
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Der Tanz auf dem Brunnen - David Hartt im Georg Kolbe Museum
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