Eine Woche nach den Tagen der offenen Tür an der kunsthochschule weißensee öffnete vergangenes Wochenende auch die Universität der Künste an insgesamt neun Standorten ihre Pforten. Einmal im Jahr räumen die Studierenden ihre Ateliers leer und verwandeln unter anderem das gesamte Hauptgebäude in der Hardenbergstraße 33 in ein riesiges Ausstellungshaus. Bei sommerlichen Höchsttemperaturen fanden sich auch dieses Jahr wieder hunderte Neugierige ein, um die Arbeiten der Absolvent*innen zu sehen, durch die Räumlichkeiten der unterschiedlichen Klassen zu streunen oder sich über ein Studium an der UdK zu informieren.
Vier Etagen und 19 Klassen alleine im Fachbereich der Bildenden Kunst. Schnell kann ein Gefühl von Verloren-Sein und Überforderung entstehen, sofern man nicht gezielt auswählt. Im Rahmen einer Veranstaltung von Jung und Artig, dem Jungen Freundeskreis der Berlinischen Galerie, stellte am Samstagnachmittag Christine Streuli ihre Klasse vor, Studierende der Klasse Monica Bonvicini wiederum führten durch deren Räumlichkeiten. Streuli, die Schweizer Künstlerin und Preisträgerin des Fred Thieler Preises für Malerei 2017, ist seit 2015 Professorin für Malerei und Zeichnung an der UdK. Ihre Klasse vereint derzeit circa 30 Studierende, im Herbst kommen fünf weitere Absolvent*innen der Grundlehre, dem allgemeinen ersten Ausbildungsjahr, dazu. Streuli ist als Malerin bekannt für ihre großformatigen, knallbunten Malereien mit Anleihen an die Pop-Art. In ihre Klasse nimmt sie aber auch Studierende auf, die fotografisch, bildhauerisch oder in anderen Medien arbeiten. Im Zentrum stehe nicht das Medium, sondern die Themen und Fragestellungen, mit denen sich die Klasse Streuli beschäftigt, wie sie erklärt. „Wie kann ich noch Bilder generieren in einer Welt, die bereits überladen ist von Bildern?“ Setze ich der aktuellen Bilderflut noch eines drauf und maximiere sie oder entziehe ich mich ihr und kreiere leise, unscheinbare Bilder? Original versus Kopie/Fälschung und Oberfläche versus Tiefenstruktur.
Raumansicht Klasse Christine Streuli, Foto: Anna Wegenschimmel
In ihren drei Räumen präsentierte die Klasse künstlerische Manifestationen dazu – während manche naturgemäß noch nicht ganz ausgereift wirken, finden sich durchaus auch überzeugende Positionen. Sina Links „object 24“ etwa zeigt die Fotografie eines weißen Blatt Papieres, aufgezogen auf eine große Plane. Sie stellt die Betrachterin vor eine grau-weiße Abbildung, auf der provokanter Weise absolut nichts zu sehen ist außer leichte Knicke, die das Stück Papier als Stück Papier entlarven. Radikale Leere. Geradezu bildgewaltig wirkt hingegen die Arbeit der Absolventin Una Hepburn, die in ihrer Kunst das Verhältnis von Text und Bild verhandelt. Für ihre Abschlussarbeit übersetzt sie mithilfe einer speziellen Google App Wörter wie „Banner“ und „Poster“ in computergenerierte Bilder, die sie wiederum auf ein Banner beziehungsweise ein Poster druckt. In dem konzeptuellen Ansatz spielen gängige Kategorien wie Schönheit oder Hässlichkeit keine Rolle, wie Streuli erklärt. Vielmehr geht es um Fragen der Entfremdung von Sprache, ihrer Übersetzbarkeit in Visuelles und um „Lesbarkeit“ von Bildern.
Raumansicht Klasse Monica Bonvicini, Foto: Anna Wegenschimmel
Nach diesen Eindrücken verlässt unsere Gruppe das Vorderhaus und sucht sich durch den Garten in das Quergebäude zu jenen drei Räumen, in der die Bildhauerei-Klasse von Monica Bonvicini ihre Arbeiten zeigt. Bonvicini, die sich in ihren Installationen, Videoarbeiten, Zeichnungen und Skulpturen mit geschlechter- und machtspezifischen Fragen auseinandersetzt, übernahm die Klasse erst letztes Semester, davor wurde sie von ständig wechselnden Gastprofessor*innen betreut – sehr zum Leidwesen der Studierenden. Geführt werden wir von Tabea Marschall, deren eigene Arbeit „you look beautiful from behind“ auch eine der überzeugendsten dieser Klasse ist. Ausgangspunkt bildet die dämonenhafte Hannya-Maske, die im traditionellen japanischen Theater eine rasend eifersüchtige Frau verkörpert. In ihrer unauffälligen, aber inhaltlich sehr dichten Installation (bestehend aus einer 3D-Druck-Maske, deren linke Augenhöhle durch eine Eisenstange durchbohrt wird, und einem hautfarbenen T-Shirt mit kaum sichtbaren Aufdruck eines Nietzsche-Zitates) verhandelt Marschall solche Genderzuschreibungen.
Sabrina Brückner, San Francisco Verde, Video, (Detail), Foto: Anna Wegenschimmel
Inhaltlich zeichnet die Bildhauerei-Klasse vor allem der experimentelle Umgang mit Materialen aus, wie Marschall erklärt. Deutlich wird dies auch in der Arbeit der einzigen Absolventin dieses Jahres, Sabrina Brückner. Präsentiert in dem ansonsten leeren Steinhaus im Garten des Hauptgebäudes, zeigt Brückner ihre Videoarbeit „San Francisco Verde“, für die sie das gleichnamige Hartgestein aus Brasilien in eine ergonomische Form gehauen hat. Im Video schwimmt sie mit dem 18 Kilogramm schweren Stein auf dem Rücken als eine Art mobiler Wellenbrecher durch Ost-Berliner Seen, wobei die körperliche Anstrengung förmlich spürbar wird.
Bei dem schwülen Wetter ist die Gruppe nach über zwei Stunden intensiver Kunstbetrachtung einigermaßen erschöpft und lechzt nach einem kühlen Bier in dem verheißungsvoll schattigen Garten der Hochschule. Die anderen 17 Klassen müssen wohl auf die nächsten Rundgänge warten, um genauer unter die Lupe genommen werden zu können – sehr gerne wieder im Rahmen einer so anregenden Führung.
udk.de






