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Zivilgesellschaftliche Zapfenstreiche

von ct (04.12.2019)
vorher Abb. Zivilgesellschaftliche Zapfenstreiche

ZPS, Sucht nach uns, 2019, Foto: kuag

Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) versteht sich als "eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit". Durch spektakuläre Aktionen in der Vergangenheit machten sie medienwirksam auf sich aufmerksam.

So sorgte zum Beispiel die Aktion Die Toten kommen, bei der ziemlich realitätsnah vorgetäuscht wurde, Leichen von Flüchtlingsopfern aus den Kühlhäusern Südeuropas zu holen, um sie menschenwürdig zu beerdigen und zugleich auf die Absurdität der Flüchtlingspolitik hinzuweisen, nicht nur in der Kunstszene für Wirbel.

Zentrum für Politische Schoenheit
ZPS, Die Toten kommen, 2015, Foto: kuag

Ebenso Scholl 2017. Von der Vergangenheit lernen - einem angeblich durch die Bayerische Regierung organisierten Schülerwettbewerb, der zum Sturz des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufrief.
Auch die Aktion rund um den AfD-Politiker Björn Höcke, 2017, wurde öffentlichkeitswirksam in den Medien diskutiert. Das ZPS hatte in Höckes unmittelbarer Nachbarschaft massive Betonstelen errichtet, die an das Berliner Holocaust-Mahnmal erinnern sollten. Ausgangspunkt war Rede des AFD-Politikers, in der er das Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte.

Jetzt geht es erneut um die deutsche Erinnerungskultur und die langsame Nivellierung unserer Vergangenheit durch die AFD und anderer rechtskonservativer Kreise. Unter dem Titel Sucht nach uns wurde am Montag eine 2,5 Meter hohe und 4 Tonnen schwere Gedenk- und Widerstandsstätte aus Edelstahl direkt zwischen Bundestag und Bundeskanzleramt aufgestellt. Die Säule enthält nach Angaben des ZPS die Asche von durch das NS-Regime ermordeten Menschen, genauer gesagt, sie beinhaltet über 200 laborgeprüfte Bodenproben mit Hinweisen auf menschliche Überreste von 23 Orten in Deutschland, Polen und der Ukraine. "Die Toten erinnern den deutschen Konservatismus an seine historische Schuld, sich mit den Faschisten eingelassen zu haben: es nicht mit ihnen zu versuchen, nicht mit ihnen zu paktieren - das ist das Gebot der Stunde." heißt es in der Pressemitteilung des ZPS.

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ZPS, Sucht nach uns, 2019, Foto: kuag

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Ein Grund bspw. für Volker Beck, Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) der Ruhr-Uni-Bochum, Strafanzeige zu stellen. Beck, der laut des Bloggs Ruhrbarone diese Aktion nicht nur als geschmack- und respektlos verurteilt, sondern vor allem die Störung der Totenruhe als strafbare Handlung anmahnt. Auch in der Jüdischen Allgemeinen kritisiert Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, die Aktion: »Auschwitz-Überlebende sind bestürzt darüber, dass mit diesem Mahnmal ihre Empfindungen und die ewige Totenruhe ihrer ermordeten Angehörigen verletzt werden.«.

Der vom ZPS ausgewählte Ort zur Errichtung der Skulptur befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Krolloper. Hier beschloss der Deutsche Reichstag, das heißt die bürgerlichen Parteien zusammen mit der NSDAP 1933 Hitlers „Ermächtigungsgesetz“, das der nationalsozialistischen Diktatur den Weg ebnete. Gestern wurde außerdem auf dem Twitteraccount des ZPS verkündet: "Franz von Papen {u.a. Vizekanzler Hitlers} ist auf dem Weg nach Berlin, um die historische Schuld des deutschen Konservatismus aufzuarbeiten." Angeblich wurde vom Grab von Franz von Papen der Grabstein entfernt und nach Berlin befördert. Papen trug entscheidend dazu bei, Hitler und die NSDAP an die Macht zu bringen.

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ZPS, Sucht nach uns, 2019, Foto: kuag

Wie immer stellt sich bei den künstlerischen Aktivitäten des Zentrums für Politische Schönheit die Frage, wie komplex und nachhaltig hier etwas zur Bewusstseinsänderung beiträgt - im Speziellen und Allgemeinen. Besser als politische Bewusstlosigkeit ist es allemal.

Das Denkmal ist bis kommenden Samstag genehmigt.

Nachtrag:
Mittlerweile hat das ZPS den geplanten "zivilgesellschaftlichen Zapfenstreich gegen die AfD" abgesagt, die Säule zum Teil verhüllt und Fehler eingeräumt. In einer Stellungnahme heißt es auf der Website des ZPS:
"Wir bedauern aufrichtig, dass wir den zentralen Wirkungsaspekt unserer Arbeit nicht im Vorfeld erkannt haben. Als wir begannen, die Orte aufzusuchen, an denen wir die Überreste der Ermordeten vermuteten, waren wir überwältigt von dem Schrecken.... Dennoch lag uns nichts ferner, als die religiösen und ethischen Gefühle von Überlebenden und Nachkommen der Getöteten zu verletzen. Wir wollen bei Betroffenen, Angehörigen und Hinterbliebenen aufrichtig um Entschuldigung bitten, die wir in ihren Gefühlen verletzt haben."

Ort: Gedenkstätte gegen den Verrat an der Demokratie (Heinrich-von-Gagern-Straße).

ct

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Titel zum Thema Zentrum für Politische Schönheit:

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Über die neuesten Aktionen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit.

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