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Berlin Daily 28.04.2024
Künstlerinnengespräch + Performance

14 Uhr: mit Yalda Afsah und Sati Zech. Mod.: Julia Meyer-Brehm. Performance von Rozhina Rastgoo im Rahmen der Ausstellung "A Home for Something Unknown"(Kooperation: Haus am Lützowplatz / n.b.k.) Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin

Papier trifft Klang

von Katja Hock (29.08.2023)
vorher Abb. Papier trifft Klang

Kerstin Moersch, Weltenanzug, 2020, © Kerstin Moersch / VG Bild Kunst, Foto. Gabriel Moersch

Welche unendlichen Möglichkeiten das Material Papier als künstlerisches Ausdrucks- und Kommunikationsmittel bietet, offenbart einmal mehr die aktuelle Ausstellung des Kunstfestivals „Papier & Klang (by Haus des Papiers)“. Sie wurde von Annette Berr und Katharina Grosch kuratiert. Ausstellungsorte sind das Willy-Brandt-Haus, das Haus des Papiers, das Museum für Kommunikation Berlin und der Ausstellungsraum Die Möglichkeit einer Insel.
Katja Hock war für art-in-berlin im Willy-Brandt-Haus und hat sich den dortigen Teil des Festivals angesehen. Sie stieß auf bekannte Namen wie Jorinde Voigt, Leiko Ikemura oder Wolfgang Tillmanns. Aber besonders beeindruckend fand sie die Bandbreite der insgesamt 43 Künstler*innen. Die Arbeiten stammen aus der eigenen Sammlung des Hauses und aus Einreichungen des vorausgegangenen Open Calls.


Hier der Bericht von Kaja Hock:

Für Ausstellungen eher ungewöhnlich, ist die Tatsache, an der Pforte den Personalausweis zu zeigen. Samt Anclipsschild mit dem Hinweis auf den Ausstellungsbesuch geht es dann durch Glastüren in den hellen Lichthof des Willy-Brandt-Hauses. „Offenes Haus“ heißt folgerichtig das Konzept, unter dem dort Kunstausstellungen, Lesungen, Podiumsdiskussionen und Konzerte stattfinden. Ein großer Flachbildschirm eröffnet die Ausstellung und zeigt Videoarbeiten mehrerer Künstler*innen.

Eine von ihnen ist Kerstin Mörsch: „Ich arbeite in großen Werkzyklen. Ich zeichne, male, leime, stricke, nähe und schreibe. Zu jedem Zyklus existiert ein maßgeschneiderter Anzug, in den ich hineinschlüpfen und den ich, nach Beenden des Zyklus, abstreifen kann. Die Videos entstehen parallel zu meinen Werken. Ich sehe sie als eine Art Skizze, eine Idee“. Mörschs Arbeiten leben vom Reduzierten und prägnant auf den Punkt gebrachten. In „Leuchten“ befindet sie sich in einer Kugel, nur die Beine und der Kopf schauen hervor. Das Licht geht aus und die Kugel, wie ein Lampion, fängt von Innen an zu leuchten. In „Klammer auf, Klammer zu“ steht sie zentral im Raum und hält mit ausgestreckten Armen jeweils einen schwarzen Bogen, die sie zu oder von sich wegdreht. Ein Ton, wie der Ausstellungstitel ankündigt, ist allerdings nicht zu hören.


Hilli Mann, Weissesrauschen2, © HilliMann /VG Bild Kunst, Foto: Armin Mann

Hilli Mann wiederum versucht in ihrer Papierarbeit, Klang sichtbar zu machen. In der vierteiligen Arbeit „weißes Rauschen“ mahlte [sic] sie Papier auf Holz zu einer wattig-weichen Oberfläche. So schreibt sie über ihre Arbeit „Kann es gelingen, Ohren und Augen in Einklang zu bringen – Kunst und Wissenschaft zu verbinden? Mein Experiment ist es: weißes Rauschen, ein physikalisches Phänomen künstlerisch darzustellen. Ich möchte dem Klang mit Hilfe von gemahlenem Papier visuelle Eigenschaften entlocken.“

Überhaupt ist es in dem mächtigen, hohen Atrium sehr still, gedämpft. Die Architektur erinnert unwillkürlich an einen Sakralraum. Viele Werke reihen sich an Stellwänden vor der hellbraunen Holzvertäfelung wie Seitenaltäre auf. Ihre Regelmäßigkeit wird von installativen Arbeiten unterbrochen, die mehr ins Zentrum des Raums wandern. Ein maßstabgetreues, weißes Kanu aus Papier wirkt wie gestrandet. An neongrünen Schnüren ziehen sich im Luftraum bunte Papierrollen bis zur ersten Etage hoch. Und noch ein Stockwerk höher schweben riesige weiße Trompetengebilde in der Luft. Sie kündigen die Weiterführung der Ausstellung in der dritten Etage an. Treppe rauf, vorbei an riesigen Krallenhänden, einen schmalen Flur entlang, über einen verglasten Übergang und plötzlich stehen die Besucher*innen: in einer anderen Welt. Die Räume sind niedriger und erinnern eher an Museums- oder Galerieräume.


Annegret Soltau, Mutter Tochter, 2001, Installationsfoto: Jessica Schaefer in der Galereie Anita Beckers, 2017

Hier in der dritten Etage finden sich Collagen, Installationen, Fotografien, Zeichnungen und Skulpturen – alles aus Papier. Weitere Arbeiten zeigen die Herstellung von Papier, die dokumentarische Untersuchung oder Zusammensetzungen und Schichten unterschiedlicher Variationen des Materials. Zwei übergroße Portraits von Frauen, pur und vor neutralem Hintergrund, blicken in Richtung des Eingangs, fangen die Besucher*innen regelrecht ein. Annegret Soltaus Fotoarbeit „MutterTochter/TochterMutter“ zieht magisch an. Teile ihrer Gesichter herausgetrennt und bei der jeweils anderen eingesetzt. Zusammengehalten wird das Ganze durch grobe schwarze Fäden, die sich durch Gesicht, Hals und Dekoltépartie ziehen. „Indem wir einen Riss durch unser Gesicht machten, stiegen meine Tochter und ich am 16.06.2001 gleichzeitig von hinten aus unseren jeweiligen Portraits heraus, sozusagen aus unserem Ich. Von vorne rissen wir Teile aus unseren Gesichtern heraus, tauschten sie miteinander aus und nähten sie mit Nadel und Faden wieder zusammen. Das Ergebnis zeigt die schmerzhaften Prozesse, aber auch die Heilung einer Mutter-Tochter-Beziehung.“

Dieser sehr persönliche und emotionale Ansatz wird bei Johanna Weis fortgesetzt. „The Ghost of Female Composers“ besteht aus im Querformat angelegten großen Notenblättern auf denen in blauer und grauer Tinte zahlreiche Figuren zu sehen sind. Sie erinnern an sonderbare Fossilien, mal mehr in feinen Linien geschwungen, dann wieder von flächigen Tintenabdrücken bedeckt. Unten am Bildrand ist pro Blatt ein Vermerk angebracht, der die rätselhaften Figurenformationen entschlüsselt: „Der Komponistinnen zu Ehre, suchte ich ihre Namen. Um 1900 sammelte man die Unterschriften von Berühmtheiten in einem Buch, dessen Seiten gefaltet wurden. Von der Seite betrachtet, erschienen die Unterschriften wie geheimnisvolle Wesen, die man als `Geist` der betroffenen Personen sah. Auf Notenpapier gehen die Geister der Komponistinnen auf und ab mit einem Rascheln, das die Symphonie von Jahrhunderten weiblicher Musik hervorruft.“

So zeigt die Ausstellung, dass Papier und Klang einen inspirierenden Dialog anregen, der beiden Medien ein äußerst kreatives Potenzial entlocken kann.

Künstler*innen: Alexandra Grant, Amparo Sard, Anca Munteanu Rimnic, Annegret Soltau, Astrid Busch, Bastian Hoffmann, Chor der Kulturen der Welt, Christiane Feser, Cem Bora, Eileen Dreher, Elisabeth Sonneck, Fiene Scharp, Finja Sander, Harriet Groß, Hilli Mann, Ilka Raupach, Ines Schaikowski, Ismene, Jana Schumacher, Jenny Michel, Jessica Maria Toliver, Johanna Weis, Jorinde Voigt, Justine Laeufer, Jutta Steudle, Kerstin Mörsch, Kirstin Rabe, Leik o Ikemura, Lucia Kempkes, Marie Kreuz & Lean Alev, Martin Spengler, Miriam Gronwald, Nham-Hee Völkel-Song, Olga Jakob, Rachel de Joode, Renata Kaminska, Renata Palekcic, Sandra Lakićević, Solveig Gubser & Nicole Gütl, Thomas Judisch, Ute Krautkremer, Wolfgang Tillmans. Kuratiert von Katharina Grosch und Annette Berr.

weitere Ausstellungsdaten zu den anderen Kulturorten:
- Museum für Kommunikation Berlin noch bis 3.9.
- Die Möglichkeit einer Insel noch bis 27.8.
- Haus des Papiers noch bis 3.9.


Papier & Klang by Haus des Papiers
Kunstfestival
07.07. bis 03.09.2023

Willy-Brandt-Haus
Stresemannstr. 28
10963 Berlin
www.willy-brandt-haus.de

Öffnungszeiten: Di–So 10–18 Uhr
Eintritt frei, ggf. Personalausweis erforderlich

Katja Hock

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