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Was anderes machen (The Home and the Movie). Im Gespräch mit der Kuratorin Bettina Ellerkamp

von Daniela Kloock (10.11.2023)
vorher Abb. Was anderes machen (The Home and the Movie). Im Gespräch mit der Kuratorin Bettina Ellerkamp

© José Délano

Das silent green präsentiert ab 16. November das Festival "Was anderes machen (The Home and the Movie). Ein Festival zu 60 Jahren Kleines Fernsehspiel". Eine Ausstellung, ein Symposium, ein Filmreihe und ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm bilden die Grundlage für eine historische Rückschau, eine Zustandsbeschreibung und die Frage nach der Zukunft des AutorInnenfilms. Darüber sprach Daniela Kloock mit Bettina Ellerkamp, die zusammen mit Merle Kröger die Ausstellung kuratiert hat.

Daniela Kloock: Euer Festival findet unter dem Titel Was anderes machen. (The Home and the Movie) statt, wie ist das zu verstehen?

Bettina Ellerkamp: Das silent green zeigt eine Auswahl der Produktionen des Kleinen Fernsehspiels (DKF). Hier wurden und werden seit 1963 innovative Filmformen und ungewöhnliche Stoffe realisiert. Wie in einem Spiegel, so könnte man vielleicht sagen, zeigen all diese Filme 60 Jahre Geschichte der Bundesrepublik, gefärbt von jungen Filmemachern aus aller Welt. Eckart Stein, der 25 Jahre lang das DKF geleitet und entscheidend geprägt hat, sagte immer: „Wir machen ein Fernsehen, was es so noch nicht gibt“.
Auch wir wollen etwas anderes machen, das eint uns. Wir wollen mit unserem Programm einen Zugang zu Filmen ermöglichen, der wirklich allen offensteht, bei freiem Eintritt. Darüber hinaus beschäftigt uns die große Frage nach einem transnationalen, öffentlich zugänglichen und nutzbaren Film- und Bilderarchiv, einer „Bibliothek der Bilder“, um mit Harun Farocki zu sprechen. In diesem Kontext ist unser Veranstaltungsprogramm auch zu sehen.

D.K.: Bleiben wir zunächst bei den Filmen des Kleinen Fernsehspiels. Einen anderen Blick auf die Welt werfen - jenseits konventioneller Fernseh- oder Kinobeiträge, könnte man den programmatischen Ansatz des DKF so überschreiben?

B.E.: Durch die Beteiligung des Kleinen Fernsehspiels an den Produktionskosten konnten viele Filme überhaupt erst entstehen. Dies gilt für junge FilmemacherInnen - man denke nur an Tom Tykwer, Christian Petzold oder Emily Atef, die alle ihre ersten Filme über das DFK realisieren konnten. Oder jüngst Nora Fingscheidt mit ihrem Systemsprenger. Auch sie wird übrigens bei uns zu Gast sein. Dies gilt aber ebenso für Filme in Ländern, in denen ohne Unterstützung des DKF eine unabhängige Realisierung unmöglich gewesen wäre.
Unsere Auswahl zeigt auch zahlreiche Beiträge von RegisseurInnen, die es vor allem in der Vergangenheit schwer hatten, sich in der Branche durchzusetzen. Jutta Brückner spricht darüber sehr anschaulich in dem experimentellen Dokumentarfilm To Show Or Not To Show: Standpunkte der Aufnahme. Der Film ist derzeit in der ZDF Mediathek abrufbar. Am 18.11. machen wir hierzu eine Abendveranstaltung mit den beteiligten RegisseurInnen.


DAGUERRÉOTYPES, Agnès Varda, © Cineé-Tamaris, Courtesy silent green

D.K.: Das DKF ging 1963 auf Sendung, drei Tage nachdem das ZDF überhaupt existierte. Seitdem muss ja ein riesiger Pool an Filmen entstanden sein, wie viele sind das bis heute?

B.E.: Dazu muss man wissen, dass neben den Filmen auch noch andere Formate entstanden sind, in den 1990er Jahren wurden z.B. ganze Themenabende konzipiert. Es gibt über 1.500 Produktionen, damit sagt man nichts Falsches.

D.K.: Wie wurden die Filme für die Ausstellung ausgewählt?

B.E.: Unser Programm umfasst mehr als 60 Filme. Die Auswahl hat u. a. in Zusammenarbeit mit den jetzigen und teilweise auch ehemaligen Redakteuren des Kleinen Fernsehspiels stattgefunden. Auch das Arsenal hat gerade 60-jähriges Jubiläum, und wir haben geschaut, wo es Überschneidungen gibt? Viele Filme des DKF wurden im Forum der BERLINALE prämiert. Wir haben aber vor allem Filme ausgesucht, die uns heute noch etwas sagen - die international und global angelegt sind, das war unser Wunsch.

D.K.: Neben der Ausstellung finden zahlreiche interessante Veranstaltungen, ein Symposium, Diskussionen und Workshops mit internationalen Gästen aus Nordafrika, Brasilien, Israel statt.
Ihr zeigt u.a. auch Töchter der Utopie, von Edna Politi, die 1967 aus dem Libanon nach Israel emigrierte.

B.E.: Ja, das ist ein Film, aber das wussten wir damals ja nicht, der plötzlich wieder sehr aktuell bzw. brisant geworden ist. Es geht darin um Frauen, die aufgebrochen sind, um den israelischen Staat zu gründen, als es noch wirklich um Utopien und Hoffnungen ging. Dieser Film ist so frei von Dogmen und diesen ganzen Diskussionen, die von der Angst geprägt sind, auf der falschen Seite zu stehen. Ein Film, der gut tut und so wichtig ist. Wir zeigen ihn am 21. November, die Regisseurin wird anwesend sein.

D.K.: Das ist natürlich ein Highlight. Welche anderen Filme könnten Empfehlungen für art-in-berlin sein?

B.E.: Es gibt diverse tolle Filme, da fällt es schwer. Zum Beispiel Stefan Köster mit Der Erfolgsbericht oder auch Meredith Monk Ellis Island, oder The Last of England von Derek Jarman, ein bildgewaltiges Gedicht, ein Wahnsinnsfilm mit der jungen Tilda Swinton. Das sind Beiträge, die mir spontan einfallen, wenn es um Gestaltung bzw. einen eher ästhetischen Aspekt geht.


Ashes and Embers, Haile Gerima, © Mypheduh Films, Courtesy silent green

D.K.: Mir fiel beim Durchblättern des Programms auf, dass erfreulich viele RegisseurInnen mit dabei sind, wirklich sehr international, Filme aus Bosnien, Pakistan, dem Iran, Mexiko, Senegal oder Nigeria, das ist toll!
Aber wie kann man sich die einzelnen Filme jetzt anschauen, wie habt ihr das organisiert?

B.E.: Wir haben in der Betonhalle sechs Sichtungsinseln gebaut, wie kleine Multiplexe, die nebeneinander existieren und die abgeschirmt sind. Es gibt dann noch eine große Bühne für die Veranstaltungen. Und einzelne Filme kann man auch im „cinema on demand“ buchen. Die werden auf der großen Leinwand abgespielt.

D.K.: Gibt es eine Art Liste, ein Programm, wann was gezeigt wird?

B.E.: Ja, wir haben ein Art Fernsehprogramm. Und die sechs Sichtungsinseln in der Betonhalle sind den sechs Jahrzehnten des DKF zugeordnet. Die Filme werden nacheinander wegprogrammiert. Es gibt feste Anfangszeiten für die jeweiligen Blöcke. So kann jeder sein quasi eigenes Festivalprogramm zusammenstellen.

D.K.: Sehr schade, dass das Zeitfenster so kurz ist, die Ausstellung nur 10 Tage dauert. Wie erklärt sich das?

B.E.: Ja, das Ganze endet schon am 26. November. Die Förderung reicht nicht für länger, das ist schade. Aber genau deshalb machen wir viele Programmpunkte um die eigentliche Ausstellung herum.
Am 26. November gibt es ein großes Schlusspanel mit dem Titel Recht auf Öffentlichkeit, der Grundstein für eine Bibliothek der Bilder. Hier wird es u.a. darum gehen, dass Filme vom ZDF vertraglich an das Arsenal übergeben werden. Das ist, wenn man so will, eine Art Rückübereignung, wo all die Filme dann wieder, wie in einer öffentlichen Bibliothek, benutzt und gesehen werden können – der Beginn eines transnationalen Archivs, eines offenen und öffentlichen Weltkinos.

D.K.: Ein schönes Schlusswort, herzlichen Dank für das Gespräch

silent green
Was anderes machen (The Home and the Movie)
Ein Festival zu 60 Jahren Kleines Fernsehspiel
16.–26. November 2023
Eröffnung: 16.11., 19 Uhr
silent green

Daniela Kloock

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