Belia Zanna Geetha Brückner, Hard to say I‘m sorry, 2024 (Zwei Sideboards, vierzehn verschenkte Blumensträuße in Vasen)
Foto: Dani Hasrouni, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Die Aneignung von Verlorenem und Gefundenem als Ausgangspunkt für Prozesse der Veränderung, Aktualisierung und Umgestaltung – um diesen Ansatz kreisen die Arbeiten der Ausstellung I only work with lost and found.
In den großzügigen Räumen des Kunstraums Kreuzberg/Bethanien geben die 15 Künstlerinnen des 34. Goldrausch-Jahrgangs noch bis zum 3. November Einblick in ihre Praxis. Die Zusammenstellung veranschaulicht – bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Ansätze –, wie bisher Verborgenes und Verdrängtes mit künstlerischen Strategien aufgedeckt, wie vermeintlich Festgeschriebenes dekonstruiert und neu zusammengesetzt werden kann.
Foto: Dani Hasrouni, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
So interpretiert Eglė Otto (* 1976, Šilutė, Litauen) kunstgeschichtliche Figuren, die traditionelle Rollenbilder transportieren, in ihrer Malerei neu. In ihrer Serie Halo on Turns (2024) setzt sie sich ausgehend vom christlichen Mutterbild mit weiblichem Begehren, insbesondere dem von Müttern, auseinander. Ihre zwischen Abstraktion und Figuration changierenden Kompositionen entwickeln eine starke Sogwirkung und laden zum genauen Hinsehen ein: Nach und nach setzen sich die einzelnen Bildelemente zu einer Erzählung zusammen, in der sich der weibliche Körper aus seiner männlich bestimmten Repräsentation befreit.
Evelina Reiters (*1998) Malerei – zeitgenössische, von weiblichen Figuren bestimmte Großstadtszenen – lässt Anleihen an die Formensprache des klassischen Expressionismus erkennen. Gekonnt wird diese in einen eigenen Ausdruck überführt, der sich aus abstrakten Farbfeldern und den darin agierenden, kantigen Protagonistinnen zusammensetzt. Ihre Arbeiten widmen sich der Wahrnehmung und dem Erleben des urbanen Raumes durch FLINTA* und zeigen immer wieder sogenannte Angsträume, die Reiter durch ihre Malerei zurückerobert.
Um spezifische Erfahrungen stigmatisierter und kriminalisierter Menschen innerhalb urbaner Strukturen geht es in der Videoinstallation Violett (2023) von Laura Nitsch (* 1986, Hildesheim). Durch die Kombination von historischem Archivmaterial mit neu gedrehten Sequenzen, Sound, Animation und Performance entsteht eine intensive Auseinandersetzung mit den Lebensumständen queerer/lesbischer Wiener Arbeiterinnen zur Zeit des sozialistischen Roten Wiens.
Foto: Dani Hasrouni, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Viele der gezeigten Positionen entziehen sich einer unmittelbaren Lesbarkeit und entfalten ihre Brisanz erst bei näherer Betrachtung. So verbirgt sich hinter der minimalistisch anmutenden Arbeit Cargo 200. Experimental projections on surfaces 5.8 (2024) von Sofiia Yesakova (* 1998, Kyiv) eine ernste Thematik: Cargo 200 ist die militärische Bezeichnung für den Transport gefallener Soldaten in die Heimat, das schwarze Quadrat steht für den Ort ihrer Beerdigung.
Auch Belia Zanna Geetha Brückners (* 1992, Mönchengladbach) Installation Hard to say I’m sorry (2024) wirkt im ersten Moment banaler als sie ist. In ihrer künstlerischen Praxis kombiniert Brückner Interviews, Informationen, die sie mit Hilfe von Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetzen bezieht sowie Dokumente aus (Staats-)Archiven zu pointierten Aussagen über Machtstrukturen und deren Manifestationen. Hard to say I’m sorry ist eine kritische Hinterfragung der vermeintlich gutgemeinten Geste des Versöhnungsgeschenks. Die auf zwei Sideboards aufgereihten Blumensträuße sind mit handschriftlichen Notizen versehen, die zusammen eine Geschichte von Gewalt und Macht, aber auch von Emanzipationen erzählen: „Der Mann von Welt kommt einfach so reingeschneit, in der Hand einen teuren Blumenstrauß“, „He was standing in the doorway with roses. I don’t like flowers at all because of that memory of them sitting in the sink every time I went back to get more of my stuff“, “Flowers. Every time we’d fight and I sustained bruises, there would be a bouquet of flowers in the living room”.
Zusammengestellt wurde die von Anfang bis Ende starke Ausstellung, die nicht nur durch die hier besprochenen Positionen überzeugt, von Hannah Kruse, Projektleiterin des Goldrausch-Projekts, und von der Künstlerin, Kuratorin und Goldrausch-Alumna Mona Hermann. Die 15 Künstlerinnen wurden aus 250 Bewerbungen ausgewählt und haben in den vergangenen Monaten das Professionalisierungsprogramm durchlaufen. „Ziel des seit 1989 bestehenden Goldrausch-Projekts ist es, mehr Sichtbarkeit für künstlerische Positionen von Frauen* zu schaffen“, so Veronika Bartelt, die im Projekt für Lehrkoordination zuständig ist, im Editorial des begleitenden Katalogs. „Goldrausch ist ein emanzipatorisches Programm, das besonderen Wert auf Selbstwirksamkeit und eigenständiges Handeln legt“, betont Hannah Kruse im Gespräch mit der Autorin über das Künstlerinnenprojekt, das aus Mitteln der Europäischen Union (Europäischer Sozialfonds Plus) und der Berliner Senatsverwaltung ASGIVA, Abt. Frauen und Gleichstellung gefördert wird. „Am Ende soll alles ohne uns laufen.“ Hierfür erhalten die Teilnehmerinnen im Laufe des Projekts – ein Goldrausch-Jahrgang entspricht immer einem vollen Kalenderjahr – professionelle Unterstützung in den Bereichen Präsentation und Vermittlung sowie Seminare zu berufsspezifischem Wissen wie Urheberrecht oder Steuer. Neben der Abschlussausstellungund dem Katalog, ist auch die Arbeit an der jeweiligen Website wesentlich für die Darstellung der künstlerischen Praxis.
Jede Künstlerin und ihre spezifischen Bedürfnisse werden hierbei in den Blick genommen: „Es gibt keine Blaupause für alle, nicht den einen Weg, um Zugang zu erlangen. Darum versuchen wir, mit unseren Gesamtprogramm jeder Teilnehmerin* soviel Werkzeuge und Wissen zu vermitteln, dass sich jede* den jeweils passenden Weg zu Kunstöffentlichkeit und Kunstmarkt schaffen kann“, so Kruse. Was für jede Goldrausch-Gruppe gilt, ist die konstruktive Peer-Kritik, die im Vordergrund der gemeinsamen Atelierbesuche und Werkbesprechungen steht. Auf diese Weise entstehen tragfähige Netzwerke, von denen die Künstlerinnen nachhaltig profitieren.
Die aktuelle Bewerbungsphase läuft noch bis zum 15. September, darum am Ende dieses Texts zwei Empfehlungen: Ausstellung besuchen und Bewerbung einreichen!
Laufzeit: 31. August – 3. November 2024
Öffnungszeiten: sonntags bis mittwochs, jeweils 10 bis 20 Uhr – donnerstags bis samstags, jeweils 10 bis 22 Uhr
Eintritt: frei
Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
kunstraumkreuzberg.de
Titel zum Thema Goldrausch:
I only work with lost and found. Goldrausch-Künstlerinnen im Kunstraum Kreuzberg
Ausstellungsbesprechung: Eine von Anfang bis Ende starke Ausstellung ...
Goldrausch Künstlerinnenprojekt
Ausschreibung: Weiterbildung für Bildende Künstlerinnen* auf dem Weg in die Öffentlichkeit
Websites der Goldrausch-Künstlerinnen 2023
Webtipp
Goldrausch-Kurs 2023
Bewerbungsende 15.9.22
Goldrausch Künstlerinnenprojekt
Kurznachricht: Künstlerinnenliste
Goldrausch Künstlerinnenprojekt geht in die nächste Runde
Bewerbungsaufruf: Noch bis 15.9.2021 können Bewerbungen eingereicht werden.
Bewerbungsphase für das Professionalisierungsprogramm Goldrausch 2021 läuft!
Ausschreibung: Das Programm richtet sich an herausragende künstlerische Positionen von Frauen. Dabei können jährlich 15 Künstlerinnen an dem Professionalisierungsprogramm Goldrausch teilnehmen.
Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT - Ausschreibung 2017
Das Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT ist ein umfassendes Programm zur Professionalisierung für Bildende Künstlerinnen. Für den Kurs 2017 können noch bis zum 31. August 2016 Bewerbungen eingereicht werden
Ausschreibung des Goldrausch Künstlerinnenprojektes
Weiterbildungsangebot für Bildende Künstlerinnen auf dem Weg in die Öffentlichkeit.
Ausschreibung: Goldrausch Künstlerinnenprojekt
Bis zum 1. September 2014 können sich Künstlerinnen für den neuen Kurs 2015 des Goldrausch Projektes bewerben.
Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT
Bis zum 31. August 2010 können sich Künstlerinnen für den neuen Kurs 2011 des Goldrausch Projektes bewerben. Das Projekt bietet auch 2011 ein einjähriges Professionalisierungsprogramm für Bildende Künstlerinnen an.
Goldrausch Künstlerinnenprojekt - Bewerbungen
Noch bis zu 15.9.2006 können sich bildende Künstlerinnen für die Teilnahme an dem Professionalisierungsprogramm Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT im Jahr 2007 bewerben.
Goldrausch 2004
Das - mittlerweile weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannte - Goldrausch Künstlerinnenprojekt art IT ist ein einjähriges Qualifizierungsprogramm für professionell arbeitende Bildende Künstlerinnen, ...
Goldrausch 2003 im Künstlerhaus Bethanien
Ausstellungsbesprechung . . .
(Einspieldatum: 4.11.03)
Goldrausch Künstlerinnenprojekt
Noch bis zum 31.10.03 können sich Künstlerinnen mit abgeschlossener Hochschul-/Akademieausbildung und Wohnsitz in Berlin für das Goldrauschprojekt bewerben.. . .
(Einspieldatum: 2003)
Galerie HOTO
Kommunale Galerie Berlin
Galerie Beyond.Reality.
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
GalerieETAGE im Museum Reinickendorf