Myanmar in Südostasien wird vom eurozentristischen Blick oft nur randläufig beachtet. Dabei ist die Lage im Land von tiefgreifenden Krisen geprägt. Dazu zählen der seit Jahrzehnten andauernde Rohingya-Konflikt zwischen der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung und der muslimischen Minderheit, politische Repression durch die Militärregime, die immer wieder zaghafte Demokratisierungsprozesse des Landes zunichte machen, sowie Naturkatastrophen wie das große Erdbeben, das die humanitäre Not der Menschen vor kurzem erneut verschlimmerte. Myanmar gehört zu den ärmsten Ländern der Region.
Mit der Ausstellung „MYANMAR State of Uncertainty“ im Willy-Brandt-Haus machen die drei Fotograf*innen Wolfgang Bellwinkel, Nora Bibel und Vincent Haiges auf das Land aufmerksam. Sie porträtieren aus verschiedenen Blickwinkeln das Leben der Gesellschaft vor Ort und verflechten es mit historischen oder kulturellen Informationen.

Im großen Ausstellungsraum werden die Arbeiten von Wolfgang Bellwinkel und Nora Bibel einander gegenübergestellt. Wolfgang Bellwinkel fotografierte für seine Serie „Vast Land“ Gebäude und Stadträume in Mandalay, Yangon und Naypyitaw. Alle drei Orte sind/waren Hauptstädte, die für eine bestimmte Phase der Geschichte stehen und von den gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen Myanmars berichten. Mandalay erscheint auf den Fotografien recht quirlig, wobei die Fassaden Zerfall und Armut dokumentieren. Yangon erzählt von der Verbreitung europäischer Stile während der Kolonialzeit und dem verheerenden Verfall der Stadt seit 2005 als verschiedene Bombenanschläge, für die Rebellengruppen verantwortlich gemacht wurden, die Stadt erschütterten. Danach verlegte das Militär die Hauptstadt von Yangon nach Naypyidaw. In Naypyitaw werden alle Gebäude aus der Entfernung gezeigt. Weite Panoramen und menschenleere Flächen zeugen von den „Sicherheitsmaßnahmen“ des Machtzentrums der autoritären Militärjunta. Besonders die Fotografien von Naypyitaw und Yangon geben den verkommenen Häusern und Betonburgen einen Platz. Sie sind sauber komponiert, aufgeräumt und wirken auf vertraute Weise artifiziell. Über diese arrangierten Ansichten vermitteln sich kaum die Gefühle „depressing“, „fear“ und „distrust“, die in den Wandtexten beschrieben werden.
Nora Bibel widmet sich in Porträtaufnahmen einzelnen Menschen und deren Lebensgeschichte, die ähnlich einem Statement für Demokratie, freie Gesellschaft und für ein friedliches Miteinander, auf großen Textbannern zu lesen sind. Viele der abgebildeten Personen waren mehrere Jahre in Gefangenschaft, leben heute im Widerstand und finden innerhalb des militärischen Systems eine Nische zum Überleben. Nora Bibel verortet sie häufig in einem bestimmten räumlichen Umfeld. So steht ein buddhistischer Mönch in einem Kloster, ein Aktivist betet in seinem Wohnraum und ein Frauenduo liegt entspannt auf einem Bett. Es entsteht ein Eindruck der jeweiligen Lebenswirklichkeit, ohne intim zu werden, lukt die Linse nie ins allzu Private.

In einem separaten Raum werden Vincent Haiges Momentaufnahmen gezeigt. Im Gegensatz zu den Fotografien der beiden anderen lassen sie sich als aktueller Kommentar verstehen: dokumentarisch, unmittelbar und direkt. „The Revolution Takes a Little Longer“ gibt einen lebendigen Einblick in den Widerstand einer jungen Generation gegen die Militärjunta. Die Reihe wurde nach dem starken Erdbeben aufgenommen, das erst vor wenigen Monaten ganze Landstriche und Städte zerstörte. Diese Katastrophe hat die Menschen erschöpft, der Wiederaufbau zehrt an ihren Kräften. In den sensiblen Einzelaufnahmen und energetischen Gruppenbildern sind jedoch auch Zorn und Wut ebenso dargestellt wie das Leben in der engen Gemeinschaft und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Myanmar – State of Uncertainty
Wolfgang Bellwinkel, Nora Bibel, Vincent Haiges
Ausstellungsdauer: 4. Juli bis 21. September 2025
Willy-Brandt-Haus
Stresemannstr. 28
10963 Berlin
www.fkwbh.de






